LPK-E5

Auf dieser Seite finden Sie die Lappenkeuler - Beiträge “Zusatzrouten” und “Herr Becht” aus dem Jahre 2005. Beide Textbeiträge können hier direkt gelesen werden oder auch als jeweils eigenständige PDF - Datei heruntergeladen werden.

PDF - Datei ”Zusatzrouten” (58 KB) zum Download hier klicken

PDF - Datei ”Herr Becht” (52 KB) zum Download hier klicken.

Beitrag 1

Lappenkeuler - Brief / Email „Zusatzrouten" vom 12.10.2005

Neblige und hellsonnigwarme Grüße.

Würden Sie in Stuttgart oder näherer Umgebung wohnen, so könnte
ich Ihnen jetzt einen Aushilfsjob vermitteln. Wieder sind weitere
Kollegen bei meinem Apotheken – Fußmedizin – Auslieferungsdienst
ausgefallen. Das nimmt langsam eigenartige Züge an. Gleich 4
Kollegen auf einen Schlag. Wie Sie wissen, fahre ich normalerweise
nur donnerstags ganz früh meine Tour und die umfasst nur ein
bestimmtes Gebiet, grob gesagt eine Reihe kleinerer Orte und
Städtchen nördlich und nordwestlich in einem gewissen Abstand von
Stuttgart. Nicht ganz nah dran, aber auch nicht ganz weit weg, wenn
man so will. Unser Disponent, so nennt sich quasi mein Vorgesetzter,
der in der Zentrale der Firma die Leute und die Touren einteilt sowie
vor allem am Vorabend die Pakete und die dazugehörigen Lieferlisten
genau zusammenstellen lässt, die ich dann ausliefere, wirbelte wie
eine am Boden daherzischende Querschläger - Sylvesterrakete. Schon
am Dienstag rief er mich noch gegen 22 Uhr aufgeregt an, ob ich nicht
ausnahmsweise auch zusätzlich Mittwoch in der Frühe ab 4 Uhr eine
recht weite Tour in den Südwesten bis nach Endingen übernehmen
könne. Der Kollege, der diese Tour macht, habe sich krank gemeldet.
Da die Not groß war, wurde eine außergewöhnlich hohe
Sonderbezahlung in Aussicht gestellt. Nun liegt Endingen nicht
übermäßig weit von Freiburg und vor allem recht nah an der
französischen Grenze. So dachte ich mir, kann man Kayla mitnehmen
und das Ganze zu einem kleinen Ausflug sowohl nach Frankreich, als
wie auch nach Freiburg ausbauen. Da habe ich mich breitschlagen
lassen. Die Fahrt war schön und das Wetter spielte wunderbar mit. Da
auf der weiten Strecke nach Endingen unterwegs nur noch 2 weitere,
andere kleine Apotheken zu beliefern waren, waren wir mit der
eigentlichen Arbeit schnell durch und schon ab 9.30 Uhr begann der
vergnügliche Teil der Reise. Dazu unten mehr. Donnerstag war dann
meine übliche Tour angesagt, die aber auch wieder etwas ausgeweitet
wurde, weil Teile einer kürzeren, anderen Tour in die ähnliche
Richtung mit draufgepackt wurden, da der für die kürzere Tour
zuständige Kollege noch immer ausgefallen ist. Schon am
Donnerstagnachmittag meldete sich der Disponent erneut und wollte
mich überreden auch noch Freitag eine Tour zu übernehmen, diesmal
in Richtung Nordosten bis nach Feuchtwangen, auch recht weit weg.
Das kam mir nicht so besonders gelegen, aber ich habe mich dann
erneut breitschlagen lassen, zumal die Bezahlung fürstliche Züge
annahm. Nun stellte sich heraus, dass ein Fahrer ganz gekündigt hat, 2
sind krank und ein vierter hat das Auto kaputt und kein Geld sich ein
neues zu kaufen. Alle fahren ja mit ihrem Privatwagen, was aber sehr
gut entlohnt wird, so finde ich jedenfalls, denn durch diesen Job fahre
ich meinen VW – Golf – Variant insgesamt ganzjährig zum Nulltarif,
wenn ich das hochrechne, eher mache ich selbst in dieser Rechnung
noch Überschuss und das, obwohl ich nur Donnerstag in der Früh
fahre. Langer Rede kurzer Sinn, es herrscht Personalnot und der
Disponent sagte mir, dass man ab sofort einen zusätzlichen neuen
Fahrer einstellen will. Jemanden, der ähnlich wie ich, einmal oder
auch zweimal wöchentlich an einem normalen Werktag,
wahrscheinlich wäre dies für den Betroffenen dann mittwochs, diese
Tour Stuttgart – Endingen fährt. Ich will die nicht zur Regelleistung
machen, weil ich auf Dauer weiter nur an einem einzelnen Wochentag
diese Arbeit tun will. Gut, für einige Wochen kann man Ausnahmen
machen und mal 2 Touren oder ganz selten zur Not auch 3 Touren pro
Woche übernehmen, es wird dann ja auch zusätzlich gut entlohnt, aber
ich möchte das keinesfalls auf Dauer tun, um meine selbst verfügbare
Freizeit nicht über das selbst gesetzte Maß von einem Tag pro Woche
einzuschränken. Der Disponent hat mir gesagt, wenn ich jemanden
wüsste, der diesen Job übernehmen will, zu gleichen Konditionen wie
bei mir, soll ich den ruhig vermitteln. Derjenige müsste nur ein
eigenes Kombi - Auto haben, bei dem man die Rückbank umlegen
kann, weil oft soviel anfällt, dass es in einem normalen PKW keinen
Platz hat. Aufgrund der derzeitigen Fahrernot überlegt man in der
Firma sogar, notfalls für diese Fahrtätigkeit sogar ein geeignetes
Firmenfahrzeug auf Firmenkosten anzuschaffen und dieses
sogenannten Springern, also Aushilfsfahrern dann zur Verfügung zu
stellen, wenn bei den Stammfahrern zu viele ausgefallen sind, weil
man nicht von einem Aushilfsfahrer ernsthaft erwarten kann, sich nur
für den Job ein anderes Auto im Format eines Kombis anzuschaffen.
Aber das wäre noch Zukunftsmusik, noch ist es so, dass jeder Fahrer
seinen eigenen Wagen dazu einsetzen muss. Für die nächste Woche
hat man das Personalproblem an einem Tag damit gelöst, dass ein
Kurierdienst die Freitags - Tour nach Feuchtwangen übernimmt. Der
Disponent hat aber gesagt, dies sei keine Dauerlösung, da im
speziellen Fall unserer Tätigkeit eigene Fahrer billiger sind. Wir haben
ja alle keine festen Arbeitsverträge, machen das nur als
ausnahmsweise Nebenbei - Tätigkeit, theoretisch könnte der
Disponent schon beim nächsten Mal sagen, wir brauchen dich nicht
mehr, tschüss, bleib zuhause. Nun kenne ich inzwischen die Lage dort
etwas genauer und würde sagen, dass ich mit solchem trotzdem
zumindest im nächsten halben Jahr nicht zu rechnen brauche. Es ist
viel zu tun, wie gesagt, eigentlich könnte ich derzeit sogar an
mindestens 4 Tagen pro Woche fahren, wenn ich wollte, ich will das
aber nicht, und wir verstehen uns alle bestens. Das gilt sowohl für
mein Verhältnis zu allen Leuten in der Firma, mit denen ich Kontakt
habe, als wie auch mein Verhältnis zu den Apothekerinnen und
Apothekern. Heute gibt es aber mehr Apothekeninhaberinnen, als
Apotheker, habe ich festgestellt. Zu den Leuten in der Firma hat man
ohnehin nur kurz Kontakt, dann wenn man, meist am Vorabend oder
manchmal auch in der Früh, die Ladung für die Tour abholt. Der
Lademeister, so nenne ich den immer, der im Lager die Pakete nach
der Lieferliste des Disponenten zusammenstellt und diese mir dann
zusammen mit einer grünen Kopie der Lieferliste an einer Rampe
übergibt. Diese grüne Liste ist sehr wichtig, weil dort erstens die
Reihenfolge draufsteht, in welcher ich die durchnummerierten Pakete
zu welcher Apotheke in welchem Ort fahren muss und dann hängt an
dieser Liste noch ein Block mit Quittungen, die die gleichen
Nummern tragen, wie die Pakete. Auf den Quittungen muss mir die
Apothekerin oder der Apotheker den ordnungsgemäßen Empfang
quittieren. Damit später keiner sagen kann, ich habe mein Paket nicht
bekommen oder ich habe das falsche Paket erhalten. Mit den
Quittungen in der Hand bin ich nach der Zustellung im Prinzip immer
aus dem Schneider, wie man so sagt, da die Apothekenleute so selbst
die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Empfang der Lieferung
tragen. Ich hatte ein einziges Mal den Fall, dass in einem Paket falsche
Sachen drin waren, dann bekam ich die Quittung nicht und hatte den
Zusatzaufwand, dieses Falschpaket wieder mit zurück nehmen zu
müssen und spätestens am Folgetag ein korrektes Paket zu bringen.
Das ist dann sehr ärgerlich, obwohl ich das zusätzlich bezahlt kriege,
denn es ist ja nicht meine Schuld, da ich die Pakete nicht selbst 
zusammenstelle, aber wenn man für den Folgetag etwas anderes
geplant hatte, wirft das alles durcheinander. Es bleibt zum Glück die
Ausnahme. Jedenfalls möchte ich diesen Job nicht mehr missen, da im
Verhältnis zur guten Bezahlung der Aufwand relativ gering ist und
man es gleichzeitig ein wenig als bezahlte Spazierfahrt ansehen kann,
zumal meine reguläre Tour durch landschaftlich schöne Gebiete führt.
Es bleibt einem zudem unbenommen, bei dieser Gelegenheit auch
seine eigenen Angelegenheiten, wie Einkäufe oder Ausflüge gleich
mit zu erledigen, sofern darunter das eigentliche Arbeitspensum nicht
leidet. Ich mache das in solchen Fällen immer so, dass ich zuerst die
Lieferungen alle rausbringe und dann am letzten Zielort nach der
letzten Lieferung die fertig absolvierte Arbeit in einen Ausflug oder
eine private Einkaufsfahrt ausklingen lasse. Das ist eine wunderbare
Sache und so kriege ich im Prinzip diese Fahrten fürs eigene
Einkaufen und einen Ausflug pro Woche auch noch bezahlt. Was
vielleicht dem einen oder anderen schwer fallen dürfte, ist das frühe
Aufstehen am Tag der Liefertour. Also ich stehe dann meist schon
gegen 4 Uhr auf, manchmal auch schon um 3. Es ist ein Job, ganz
nach meinem Geschmack und so was kann man heute mit der Lupe
suchen. Gewiss höre ich aus dem Bekanntenkreis auch Kritik, weil die
sagen, dass dieser Arbeitgeber ja keine Sozialabgaben für mich zahlt
und mir somit keine zusätzlichen Rentenansprüche später daraus
erwachsen, aber was soll das? Für einen Tag die Woche und gemessen
an dem Geld, was ich dafür bekomme, geht das völlig in Ordnung. Es
gibt viele Leute, die arbeiten für das gleiche Geld 3 Tage und das noch
in einem weitaus weniger schönen Job. Meine Rentengeschichte ist
durch die Krankheit ohnehin längst geklärt, ich würde deswegen nie
mehr als jetzt bekommen, auch dann nicht, wenn ich jetzt noch
nebenbei ein halbes Jahr lang arbeiten gehe und davon weiter
Sozialabgaben in die Rentenkassen einfließen würden. Daher brauche
ich mir solche Gedanken erst recht nicht zu machen.

Viel aufgebauscht wird hier in den letzten Tagen das, was ein
offensichtlich geistig verwirrter Tier- oder Hundehasser macht. Ich
will das nicht verharmlosen, aber Sie wissen, wie das heute ist, das
Leid von Tieren wird von vielen inzwischen höher bewertet, als das
Leid von Menschen. Besagter Tierhasser hat dabei eine Art der
Peinigung ausgegraben, die in meiner Kindheit vor allem unter
Jugendlichen einmal modern war und seinerzeit mehr als harmloser
Spaß angesehen wurde. Dem Tier wird dabei einfach eine vielleicht 1
m lange Kordel fest an den Schwanz gebunden, an deren anderem
Ende wiederum eine oder mehrere alte Konservendosen festgebunden
sind, ähnlich wie man es an Autos von Hochzeitsgesellschaften
manchmal sieht. Während es dem Auto nichts ausmacht, werden die
meisten Tiere davon so verrückt, dass sie glauben, von jemandem
ständig verfolgt zu werden, den sie einfach nicht abschütteln können
und rennen, bis sie vor Erschöpfung umfallen. Zuweilen rennen die
auch bis sie einen Herzschlag erleiden und tot umfallen oder in Panik
im Straßenverkehr in ein Auto laufen und so umkommen. In meiner
Jugend machten manche Bengel das noch lieber mit Katzen oder
Ziegenböcken, bei letzteren wird's am Stummel aber schwieriger, es
anzubinden. Das die lieber auf diese Tiere zurückgriffen, lag wohl
daran, dass manche Hunde die Sache eher durchschauen und nicht die
Dosen auf ewig hinter sich herziehend wegrennen, sondern bald
erkennen, dass sie sich davon nur irgendwie befreien müssen und die
Kordel durchbeißen. Allerdings sind längst nicht alle Hunde so klug.
Nun hat sich in jüngster Zeit wohl jemand an diese früher eher als
harmlos angesehenen üblen Scherze erinnert oder davon gehört und
praktiziert das nach. Natürlich sieht man das heute ganz anders und es
wird schon als ziemlich heftige Tierquälerei eingestuft. Ich konnte
solchen Derbheiten nie etwas abgewinnen und was ist es für eine
seltsame Einstellung, seinen Spaß so auf Kosten eines letztendlich ja
doch leidenden Tieres zu bekommen? Andererseits fahren nun sogar
Polizeistreifen hier öfters rund, die nach entsprechenden Tieren und
dem Täter Ausschau halten. Es ist aber nicht so, dass täglich mehrere
so verheizte Tiere hier auftauchen, aber immerhin habe ich in der
vergangenen Woche von 3 Fällen dieser Art gehört und in der Woche
davor von 2 Fällen. Wie mir gesagt wurde, wären im letzten halben
Jahr ausschließlich hier im Umkreis von vielleicht 5 km rund ein
Dutzend solcher Fälle vorgekommen, immer nach der gleichen
Handschrift und sogar die verwendete Sorte Kordel sei immer die
gleiche gewesen. Das kann man ja heute alles untersuchen. In meiner
Jugend, vielleicht 1958 oder 1960 hätte kein Polizist in ganz
Deutschland dafür auch nur einen Bleistift in die Hand genommen und
einen eher belustigt abgewiesen oder beschimpft, dass man es wagt,
ihn wegen solch einer belanglosen Kleinigkeit überhaupt zu belästigen
und ihn damit von wirklich wichtiger Arbeit abhalten würde. Man
hätte sich seinerzeit von der Polizei eher selbst noch eine Standpauke
anhören müssen, die mit der Nachfrage geendet wäre, ob man denn
noch alle Tassen im Schrank habe, sich um solch einen Kinkerlitz zu
kümmern. Was sicher auch nicht richtig war, aber wenn ich besehe,
mit welchem Aufwand man jetzt hier alles einschaltet, um den
Missetäter zu kriegen, dann finde ich dies ebenso wenig
verhältnismäßig. Man hat sogar schon Flugblätter und Plakate
gedruckt, die alle paar Meter einem hier ins Auge springen. Das
wurde allerdings nicht von der Polizei veranlasst, sondern von einem
Tierschutzverein. Bei allem Verständnis, aber was zuviel ist, ist
zuviel, denn eine komische Frau von diesem Tierschutzverein heftete
solche Anprangerungs-Plakate auch hier auf dem Campingplatz an,
und zwar auch einfach an die Außenwand unseres Mobilheimes Nr. 4,
welches wir bekanntlich als Kellerraum-Ersatz und Waschküche
nutzen, natürlich alles ohne zu fragen. Zum Glück hatte ich das
beobachtet und bin gleich hin zu ihr und habe verlangt, dass sie das
sofort entfernt und solches unterlässt. Da wurde sie gleich zickig und
wollte das nicht entfernen, beschuldigte mich sogar der Unterstützung
solcher Tierquäler und steigerte sich in ihrem Wahn sogar so weit,
dass sie daraus die Vermutung ableitete, das ich vielleicht sogar der
gesuchte Tierquäler wäre, weil ich jede Aktion dagegen unterbinden
würde. Erstens unterbinde ich ja nicht jede Aktion dagegen, lasse es
mir aber nicht gefallen, die Außenwände unserer Mobilheime als
Plakatwand für deren Zwecke zweckentfremden zu lassen. Wer weiß,
in der nächsten Woche kommt dann jemand und heftet dort
Verkaufsplakate oder Veranstaltungsplakate hin. Das habe ich ihr
dann auch so erklärt, aber sie hörte überhaupt nicht zu und meckerte
weiter ihre sturen Phrasen. Dann habe ich ihr Plakat in ihrem Beisein
runtergerissen. Da schaute sie entsetzt und meckerte noch mehr.
Inzwischen hatte Kayla auch von dem Theater mitbekommen und kam
aus ihrem Mobilheim und gesellte sich hinzu. Wenig später kamen
noch andere Leute vom Campingplatz, die meisten schlossen sich
gleich meiner Auffassung an, dass solche Plakate an Wänden privater
Gebäude, Wohnwagen oder Wohnmobile nichts zu suchen haben. Von
diesem ganzen Spektakel hatte dann auch die Verwalterin des
Campingplatzes Wind bekommen und kam mit dem Fahrrad hinzu.
Sie sprach der Tierschutzvereins-Frau ein sofortiges Betretungsverbot
für die ganze Anlage aus, da sie vor der Inangriffnahme solcher
Plakatierungsaktionen in jedem Fall bei ihr hätte fragen müssen, aber
sie war einfach durchmarschiert und unbefugt auf das Gelände
gegangen. Nun ist es keine Kunst, als Fußgänger oder auch mit einem
Fahrrad unbemerkt hier unbefugt auf das Campingplatzgelände zu
kommen und das wird eigentlich auch gar nicht so eng gesehen, aber
in solch einem Fall kann man sich natürlich schön an diese
Bestimmungen anlehnen. Schimpfend verließ die Frau dann mit ihrem
Stapel von Plakaten das Gelände und für sie war der Fall jetzt klar, der
gesuchte Tierquäler kommt vom Campingplatz, das muss einer von
hier sein. Also wissen Sie, ich schätze im Allgemeinen Frauen sehr,
aber bei solchen verbissenen Zicken, da platzt mir einfach die
Hutschnur und ich würde Frauen dieser Sorte am liebsten einen
großen Eimer eiskaltes Wasser über den Kopf gießen, vielleicht fassen
die dann wieder etwas klarere Gedanken.

Nun jedoch zu vielleicht interessanteren Dingen. Am letzten Mittwoch
hatte ich also die Fußmedizin – Fahrt nach Endingen übernommen,
die ich zugleich als Ausflugsfahrt für Kayla und mich nutzen wollte.
Bereits am Dienstag gegen 21 Uhr habe ich noch im Lager die Sachen
abgeholt, damit ich mit voll bepacktem Wagen gleich am Mittwoch
gegen 4 Uhr hier starten konnte. Da ich insgesamt 3 Apotheken auf
dieser Tour mit ihrem Medizin-Nachschub versorgen musste, von
denen ich bei zweien die Orte noch nicht einmal kannte oder wusste,
wo die genau liegen, musste ich zuerst die Fahrtroute planen. Ich habe
eine Computer – CD, wo solche Routen und Landkarten mit
zusammengestellt werden können. Das war aber ein Schlag ins
Kontor, da jedes Mal, wenn ich die Orte dort eingab keine
Routenberechnung stattfand und auch nicht angezeigt wurde, wo diese
Orte liegen. Sie tauchten zwar dort in der Ortsliste auf und wurden als
Eingabe auch korrekt angenommen, nur es passierte nichts. Sonst wird
dann die Route ausgerechnet und auf einer Landkarte angezeigt, die
man auch ausdrucken kann, hier ging das nicht. Vermutlich habe ich
damit einen Fehler in diesem Programm aufgedeckt, was mir aber
nichts nützt, da es ein Programm von 2001 ist, wo es für
Reklamationen sicher zu spät ist, zumal ich es im Frühling mal billig
als Restposten für einen oder zwei Euro erworben hatte. Also musste
die gute alte Papier-Landkarte wieder bemüht werden, die mir, ganz
ehrlich gesagt, ohnehin viel lieber ist. Der einzige Ort, der mir grob
bekannt war, war der Endpunkt der offiziellen Fahrt, dieses Endingen,
wo es galt, halt die letzte Apotheke auf dieser Reise zu beliefern, die
auch fast 80 % aller auszuliefernden Pakete erhielt. Zunächst sollte ich
eine Apotheke in Gengenbach beliefern. Den Ortsnamen hatte ich
davor schon mal irgendwo gehört, war aber bewusst noch nie dort,
vielleicht mal durchgefahren, eher aber auch das nicht. Gengenbach
liegt von hier aus südwestlich, ungefähr 15 km südlich von Offenburg,
was ja schon etwas bekannter und größer ist. Da ich keine Lust hatte,
einen riesigen Umweg in Richtung Karlsruhe auf mich zu nehmen, um
auf die A 5 in diese Richtung zu kommen, bin ich gleich in der Früh
kleine Landstraßen von hier aus gefahren. Da war es noch dunkel und
man konnte von der schönen Landschaft nicht viel sehen, nur mehr
erahnen. Trotzdem wurde der Weg gut gefunden und Gengenbach ist
nicht so groß, dass man eine Apotheke dort verfehlen sollte. Immerhin
stellte ich zu meinem großen Erstaunen fest, dass es dort sogar 5
Apotheken gibt, aber die, wo ich hinmusste, war schnell gefunden.
Ruckzuck wurde eine winzige Kiste mit Fußtinktur übergeben, eine
Unterschrift kassiert und fertig, ab zum nächsten Kandidaten. Es hieß,
eine Apotheke in Bleichheim anzusteuern. Bleichheim? Haben Sie
noch nie gehört? Keine Angst, es ist sicher keine wirkliche
Bildungslücke, ich hatte zuvor auch noch nie von dem Ort gehört. Das
liegt in der Nähe einer sogenannten Kirnburg. Ich hatte den Apotheker
in Gengenbach schon nach Bleichheim befragt und das erste was der
mir erzählte, war nicht wo Bleichheim genau liegt, sondern einige
Gruselgeschichten, die man sich in der Gegend über diese Kirnburg
erzählt und dabei erwähnte er so beiläufig, dass Bleichheim halt
unweit dieser gefürchteten Kirnburg läge. Schön, aber damit wusste
ich immer noch nicht wo es liegt, weil die Kirnburg mir auch kein
Begriff war. Übrigens ist diese Kirnburg nur noch eine Ruine, die
allerdings schon von weitem sehr interessant und morgens in der
Halbdämmerung recht gespenstisch wirkt. Dann hatte ich bei dem
Apotheker noch etwas nachgehakt und dabei stellte sich heraus, dass
Bleichheim schon ziemlich nah an Endingen liegt, selbst aber nur ein
winziger Ortsteil von dem schon eher bekannten Herbolzheim ist, was
aber einige km von diesem entfernt liegt. Von Gengenbach lag das
aber noch gut 40 km weit weg. So machten wir uns auf den Weg
dorthin. Nach einigen sinnlosen Umwegen fanden wir tatsächlich den
Weg nach Bleichheim und das auch nur, weil der Apotheker auf die
Nähe zur Kirnburg hingewiesen hatte. Ein Schild mit der Aufschrift
Bleichheim war nämlich nicht zu finden, dafür nach einigem Gekurve
ein weißes Schild zur Kirnburg. Also sind wir erst in Richtung
Kirnburg gefahren, stießen dort nach etlichen einsamen
Landkilometern auf eine kleine Kreuzung zweier winzigster
Nebenstraßen, eher etwas besseren Feldwegen, kurz hinter der
Kreuzung in westlicher Richtung waren einige Gehöfte und eine Hand
voller Häuser auszumachen. Es stand aber kein Schild dorthin. Ich
dachte mir, da fahre ich mal hin, vielleicht ist das Bleichheim oder
man weiß wenigstens dort, wohin es nach Bleichheim geht. Es war
sogar Bleichheim selbst, wenigstens am Ortseingang stand dann
Bleichheim auf einem Schild. Wissen Sie, das kam mir doch recht
komisch vor. So eine Ansiedlung, mit vielleicht insgesamt 3
Bauernhöfen und 10 normalen Wohnhäusern, dort soll es eine
Apotheke geben? Man kann sich das nicht vorstellen, denn die
könnten doch froh sein, wenn sie 5 Kunden pro Jahr in einem solchen
Nest zu sehen kriegen. Man kann sagen, dass es in dem Ort genau
betrachtet nur 2 Straßen gab. Die Haupt – Durchgangsstraße, die
selbst schon nur ein besserer Feldweg war und eine abzweigende
Straße, die offiziell nur als Sackgasse ausgeschildert war und weiter
hinten in einen echten Feldweg überging. Wir sind also sicherlich 5
mal den winzigen Ort rauf und runter gefahren, bis zu einem Schild,
wo schon lange keine Häuser mehr waren, darauf stand „Siedlung
Nordweil 3 km", dann wieder zurück, diese Sackgasse rein, aber
nirgendwo auch nur ein Anzeichen einer Apotheke. Nun stand auf
meiner Lieferliste als Empfänger eine Kolbus – Apotheke,
Bleichheim, Hauptstraße, ohne Nummernangabe und ohne weitere
Namen oder dergleichen. Hauptstraße das hätte nach meiner Meinung
ja auch nur diese Haupt – Durchgangsstraße sein können. Als wir
schon einen Versuch riskieren wollten, zur Siedlung Nordweil zu
fahren, um zu sehen, ob dort vielleicht die gesuchte Apotheke ist,
zockelte ein älterer Bauer mit seinem vermutlich noch älteren Traktor
an uns vorbei, als wir gerade ratlos am Rande parkten und die
Unterlagen nochmals durchlasen. Dem habe ich dann gewunken und
er hielt an. Ich fragte ihn und der wusste gleich Bescheid. Er dirigierte
uns zum ersten der 3 Bauerngehöfte. So sind wir 1 km zurück zu
diesem ersten Bauernhof gefahren, das lag alles etwas verstreut, mit
viel Luft dazwischen. Dort wurden wir schon erwartet. Das ist
nämlich größtenteils gar kein Bauernhof mehr, es sieht nur noch so
aus, aber in den früheren Ställen ist jetzt ein Versanddienst, der
Medizinsachen verschickt und das ist also gar keine richtige
Apotheke, diese Leute bekamen dann eine Kiste Fußmedizin, vor
allem eine spezielle Fußseife gegen Fußpilz war bei denen begehrt.
Wie man in einem solch winzigen Ort soviel Zeit verbraten kann, nur
um etwas zu finden, das hat mich dann selbst in Erstaunen versetzt.
Dagegen war die Ziel - Apotheke im viel größeren Endingen binnen
weniger Minuten gefunden. Die dortige Apothekerin würde man in
der heutigen Jugend-Umgangssprache wohl als superscharfes Teil
bezeichnen. Wenn Sie die gesehen hätten, ich meine so einfach auf der
Straße, dann wären Sie nie auf die Idee gekommen, dass die von Beruf
Apothekerin ist, vielleicht eher ein hochbezahltes Fotomodell. Wie
dem auch sei, unsere restlichen Pakete Fußmedizin waren wir dort
schnell los und es konnte der vergnügliche Teil der Reise beginnen.
Wir beschlossen, zuerst einen Trip rüber nach Frankreich zu machen,
weil Endingen nur noch ungefähr 10 km zur französischen Grenze
liegt. Dort kann man entweder geradeaus nach Schlettstadt, oder das
heißt bei den Franzosen Sélestat, man kann aber auch weiter südlich
verschwenken und ist in kurzer Zeit in Colmar, was sicherlich eher ein
Begriff ist. Wir haben es dann so gemacht, sind über Schlettstadt, weil
es zu Endingen näher liegt als Colmar, und dann von Schlettstadt
südlich über Guemar und Ostheim nach Colmar. Dabei kommt man
vorbei an einer eigenartigen, komischen Kirche die sich Sankt
Hyppolyte nennt, auch ein benachbarter Ort heißt so, wobei ich nicht
weiß, ob ich mich mehr über den belustigenden Namen oder die
seltsame Kirchenbauweise erheitern soll. Die Landschaft ist dort auch
sehr schön und es ist etwas komisch, als wisse der Erdboden und die
Natur, dass es dort (aus unserer Sicht) hinter der Grenze liegt, denn
gleich schlagartig sieht auch die Natur wenn auch ähnlich aber doch
irgendwie sehr anders als auf der deutschen Seite aus. Während es auf
der deutschen Seite gut sichtbare hohe Anhöhen gibt, klingen die
Anhöhen auf der französischen Seite alle mehr abgerundet aus. So als
habe ein Designer die Berge auf der französischen Seite
nachbearbeitet und zu bogenförmigen Kuppen rundgeschliffen, um
eine harmonischere Linienführung zu erhalten. Vielleicht lag dieser
Eindruck aber auch nur an der Art des Bewuchses der flachseichten
Erhebungen. Dazwischen immer wieder breite, auflockernde Täler
ohne nennenswerte Erhebungen. Das ergibt einen ganz besonderen
Reiz, wenn man sich inmitten dieser Täler befindet, weil man dann in
weiter Ferne von diesen harmonischen Erhebungen umrandet ist, aber
zugleich vor Ort dort riesige breite flache Flächen vor sich hat, alles
wirkt dadurch großzügiger und zugleich angenehm ruhiger. In dieser
Landschaft fällt das Entspannen viel leichter, als in dem eher nervösen
Auf und Ab auf der deutschen Seite. Damit möchte ich aber
keinesfalls Deutschland schlecht reden, es ist nur so ein spontaner
Eindruck. Wenig ruhig ist es hingegen in den kleinen Orten Guemar
und Ostheim, weil dort dicht eine viel befahrene Autobahn oder
Europastraße vorbei führt, die wir aber auf kleinen Landstraßen
umfahren haben, soweit das ging. Dort haben wir uns dann auch nicht
weiter aufgehalten, Verkehrslärm gibt's in Stuttgart auch genug. Sehr
schön sind die oft winzigen Orte an den kleinen Umfahrungsstraßen,
einfach idyllisch und die haben ihren eigenen Charme. Auch gibt es
dort öfters den Fall, dass zwischen einem Dörflein und dem nächsten
auch mal 15 km lang gar nichts kommt. Das ist hier in Deutschland ja
fast undenkbar, allerspätestens nach 3-5 km folgt hier schon der
nächste Ort. Besonders gefallen haben mir da die Orte Illhauesern,
Riedwihr und Holzwihr, wo man in der Nähe des letztgenannten
Dorfes an einem interessanten Kanal vorbei fährt. Dann waren wir
aber auch schon in Colmar. Ein eigenwilliges Kunstmuseum hatte
zufällig an dem Tag gerade kostenlos geöffnet und das ließen wir uns
nicht zweimal sagen. Vorwiegend sehr moderne Kunst gab es dort zu
sehen, zu der man schon einen gewissen Draht haben muss, um
überhaupt etwas damit anfangen zu können. Manche Dinge waren
sehr schön gearbeitet, wenngleich ich deren Sinn oder Aussage oft
nicht erkennen konnte. Vieles war nach meiner Auffassung aber auch
einfach nur lächerlich. Der Künstler, der für so was viel Geld erhalten
hat, muss sich nachher vor Lachen wochenlang auf der Erde wälzen,
weil es Leute gibt, die so dumm sind, dafür Geld auszugeben. Aber
mit der Kunst ist das halt so eine spezielle Sache. Ein Künstler hatte
eine immense Sammlung von Kopffüßler – Skulpturen ausgestellt, die
für viel Erheiterung sorgten. Das waren alles Menschenköpfe, also
keine echten, nachgebildete, wo direkt die Beine und Arme ohne
restlichen Körper dran waren. Zum Teil waren auch deutlich
nachgebildete Köpfe berühmter Persönlichkeiten darunter. Eine
Mädchenklasse, die zeitgleich das Museum besuchte, kam angesichts
dieser Kopffüßler stundenlang nicht mehr aus dem Kichern heraus
und nachher schallte deren Gelächter sogar noch draußen durch die
Stadt, weil die sich gar nicht mehr einkriegten vor Belustigung.
Colmar ist eine sehr sehenswerte Stadt, die eigentlich unvergleichbar
ist, mit allem anderen, was ich so an Städten kenne. Es ist natürlich
keine Großstadt, aber ich finde dort die Mischung aus Gemütlichkeit,
Moderne und Altem sehr gelungen. Es war der herrlichste
Sonnenschein und milde 24 Grad und das mitten im Oktober. Da
dachte man schon an ein leckeres Eis. Was soll ich Ihnen sagen, wir
schlenderten so einige Straßen in einem Randbereich von Colmar ab,
wo auch einige Fabriken standen, als plötzlich eine Speiseeis-Fabrik
auftauchte, die ausgerechnet an diesem Tag eine Führung durch ihre
Gemächer anbot. Ich konnte das nicht lesen, weil ich kein französisch
kann, aber Kayla kann es etwas und zudem deuteten 2 Reisebusse
darauf hin, deren Insassen gerade zum Werkstor hinein strömten.
Ohne lange zu überlegen schlossen wir uns spontan an. Eine Eisfabrik
dieses Ausmaßes habe ich noch nie gesehen und hätte etwas in dieser
endlosen Größe nicht erwartet. Wie klein heute Europa geworden ist,
das konnte man dort wieder gut sehen, denn das Eis was dort
vorwiegend für Supermarktketten fertig verpackt produziert wird,
wandert auch mit großen Paletten an verschiedene deutsche
Supermarktketten, wie z.B. real, Rewe, Toom, Plus und viele andere.
Falls Sie in einem Supermarkt also Schoko - Vanille - Stileis in
großen Zehnerpackungen mit einer eher unbekannten Noname -
Firmenbezeichnung finden, das kommt dann möglicherweise aus
Colmar, auch wenn auf der Verpackung draufsteht, dass es von einer
Vertriebsgesellschaft oder Handelsmarke aus Deutschland käme.
Viele europäischen Handelsmarken kaufen die preiswerte
Speiseeissorte in Colmar ein und lassen die Verpackungen nur nach
ihrem Muster beschriften. Es werden dort so viele Eissorten
hergestellt, dass man davon regelrecht erschlagen wird und erstaunt
ist, was es da alles so gibt. 206 verschiedene Eissorten und es kommen
noch weitere neue demnächst hinzu! Der Führungsleiter deutete auf
viele verschiedene Eissorten, die den regionalen Geschmäckern
angepasst sind. So würde z.B. Pistazien - Eis in rauen Mengen nach
Belgien geliefert, weil diese Geschmacksrichtungen dort äußerst
begehrt sind, während diese Sorte in Deutschland überhaupt nicht
läuft und deshalb dorthin mittlerweile gar nicht mehr geliefert wird.
Ähnliches gilt für ungesüßtes Zitronen - Eis, welches in Belgien,
Spanien und Frankreich ein absoluter Renner ist, in fast allen anderen
EU-Ländern hingegen in den Kühlregalen vergammelt, weil es kaum
jemand kauft. Dafür haben die Belgier und Franzosen es nicht so doll
mit dem in Deutschland wie verrückt begehrten Erdbeer-Eis, während
Vanille und Schoko überall gut läuft. Wie der sagte, wird in Belgien,
Holland und England Eis sehr gerne in runden Pappbechern gekauft,
wie es sie hier ganz früher auch einmal gab, während diese
Behältnisform in Frankreich und Deutschland heute kaum noch
Absatz findet. Es gibt also viele regionale Besonderheiten auf die der
Hersteller dort als überregionaler Produzent reagieren muss. Sie ahnen
es, was bei der Besichtigung einer Eisfabrik nicht fehlen darf, sind die
besonders bei dem sehr warmen Wetter der letzten Tage sehr
willkommenen Kostproben. Dazu wurden wir in einen sauberen, aber
etwas nüchtern wirkenden Raum geführt, wo restlos alle Sorten zur
Probe bereit standen, die dort in der Fabrik produziert werden. Mit
kleinen Silberspachteln konnte man sich aus großen Blöcken der
jeweiligen Eissorte, die in einem Spezial-Kühlgestell verankert waren,
Stücke abschaben und in einen flachen Becher geben, von wo aus man
sie dann mit einem Löffel testen konnte. Dann gab es noch
verschiedene Waffelkekse zur Abrundung oder
Geschmacksneutralisation dazu. Der Führungsleiter forderte
ausdrücklich dazu auf, in der verbleibenden halben Stunde ausgiebig
von diesem kostenlosen und sehr köstlichen Angebot Gebrauch zu
machen. Es war allerdings nicht gestattet, Proben davon mit raus aus
der Fabrik zu nehmen, alles was man dort abschabte, musste man auch
dort vor Ort verzehren. Im Anschluss konnte man wohl in beliebiger
Menge alle Sorten zum Vorzugspreis kaufen, in den normalen
Packungen, wie sie auch in den Handel kommen. Das fiel für uns aber
flach, weil wir keine Kühlmöglichkeit mit hatten und dort im Werk
hatten wir bereits soviel Eis verzehrt, dass wir an diesem Tag kein Eis
mehr haben mochten. Es waren in der Reisegruppe Leute darunter, die
hatten eine große Kühlbox - Tragetasche mitgebracht und nutzten
emsig das Angebot des Vorzugskauf. Die wussten, im Gegensatz zu
uns, ja auch vorher schon, dass sie eine Eisfabrik besuchen werden.
Aber Pistazien-Eis schmeckt wirklich sehr gut und ich verstehe nicht,
wieso das in Deutschland keinen Anklang findet. Ich habe es dort zum
ersten Mal probiert, ebenso eine Mischung aus Pistazien- und
ungesüßtem Zitronen – Eis. Das ist sehr erfrischend und hat den
Vorteil, dass man davon im Gegensatz zu den meisten anderen
Eissorten keinen Nachdurst bekommt. Was mir hingegen überhaupt
nicht geschmeckt hat, das ist Maracuja - Eis, igitt, da kriegt man
Plattfüsse von und der widerliche und penetrante Maracuja –
Geschmack kommt immer wieder hoch, selbst wenn man danach
schon 5 andere Sorten und trockene Kekse dazwischen probiert hat.
Für mich schmeckt Maracuja wie ein Gemisch aus Pfirsich und
faulem Fleisch. Pfirsich mag ich ja durchaus, aber faules Fleisch nun
sicher nicht. Das Himbeereis hat mir auch überhaupt nicht
geschmeckt. Erst beim rausgehen fiel einer Begleitperson auf, dass
wir gar nicht zu der Reisegruppe aus den beiden Bussen gehörten und
eigentlich gar nicht an der Führung hätten teilnehmen dürfen. Das war
uns selbst aber vorher nicht klar, weil wir glaubten, diese Führungen
wären dort allgemein täglich für jedermann üblich. Man sah das aber
locker und machte kein Theater deswegen. Wir verabschiedeten uns
freundlich und beteuerten, dass wir zum Ausgleich in Deutschland
kräftig Werbung für deren vorzügliches Eis machen würden, was die
Leute der Firma wohlgesonnen stimmte. Die Werbung habe ich
hiermit, zumindest bei Ihnen dann ja auch schon mal nachweislich
gemacht. Das Eis von denen ist übrigens viel billiger, als verschiedene
namhafte Konkurrenzprodukte aus Deutschland, es kostet ungefähr
ein Drittel, und schmeckt trotzdem sehr gut. Es war wirklich
erstaunlich, in welchem atemberaubenden Ausmaß dort Eis produziert
wird und wir haben dort im Werksgelände sicherlich mehrere
Kilometer Fußweg bei der Besichtigung zurück gelegt. Das war dann
Colmar. Inzwischen war es schon so spät, dass die geplante Rückfahrt
auf deutscher Seite über Freiburg mit der Besichtigung von Freiburg
ins Wasser fallen musste. Wir waren durch die unerwartete
Fabrikbesichtigung und den ebenso unerwarteten Museumsbesuch
dermaßen matt, dass wir von Freiburg nicht mehr viel mitbekommen
hätten, wenn wir doch noch dort hin gefahren wären. Auf den
eigentlich lächerlichen rund 200 km Rückweg bis Stuttgart haben wir
uns 2 mal abgewechselt mit dem Fahren, weil wir so müde waren. So
folgt Freiburg demnächst mal, in der Hoffnung dass sich das schöne
Oktoberwetter noch einige Zeit halten möge. Ich soll in der nächsten
Woche wieder diese Tour nach Endingen übernehmen, sofern bis
dahin kein zusätzlicher Fahrer gefunden ist, und dann könnte man
Freiburg ja nachholen.

Für heute war's das mal wieder, sonnighelle Grüße von
Kayla und mir, Ihr

Egbert Lappenkeuler
 


Beitrag 2

Lappenkeuler - Brief / Email „Herr Becht" vom 19.10.2005

Vorherbstliche Grüße.

Die erneute Fahrt nach Endingen und damit die anschließende Fahrt
nach Freiburg mussten leider ins Wasser fallen. Wider Erwarten hat
mein Donnerstags-Arbeitgeber bis zu diesem Tag schon einen neuen
Fahrer für die Mittwochs-Tour nach Endingen gefunden und
eingestellt. Der will das aber erst einmal zur Probe für vielleicht 3
Fahrten machen, er ist sich noch nicht sicher, ob er das dauerhaft
machen will. Natürlich hätten Kayla und ich sich einfach ins Auto
setzen können und auch ohne diesen dienstlichen Auftrag nach
Freiburg fahren können. Aber es ist ein Unterschied, ob man rund 200
km hin und später wieder zurück fährt, also mindestens 400 km mit
dem Auto verfährt und alle Dieselkosten selbst zahlen muss, oder ob
man das bezahlt kriegt und dabei sogar noch Gewinn macht, weil die
Bezahlung ja deutlich höher als die reinen Dieselkosten ist. Das
Selbstzahlen ist uns momentan diese Reise nach Freiburg nicht wert,
da fahren wir lieber zehn Mal kurze Reisen hier im Umkreis von je 40
km, anstatt einmal diese 400 km, denn dann hat man von den vielen
kürzeren Touren mehr, als von dieser einen weiten Tour. Ansonsten
bin ich froh darum, dass ein neuer Fahrer gefunden wurde, denn rein
arbeitsmäßig war mir immer nur daran gelegen, nur an einem Tag pro
Woche, also an meinem Fußmedizin-Donnerstag, diesem Job
nachzugehen - oder besser gesagt nachzufahren. Durch die Ergänzung
um diesen neuen Fahrer entfallen für mich auch meist die zusätzlichen
Lieferungen von anderen Tourteilen, da sich die auf die anderen noch
verbliebenen Fahrer aufgeteilt haben, was ohne diesen zusätzlichen
Fahrer nicht möglich gewesen wäre, da man ein bestimmtes Pensum
an Arbeitszeitaufwand nur auf eine bestimmte Anzahl von Schultern
verteilen kann, da bekanntlich der Tag nun mal nur 24 Stunden hat.

Wo wir gerade beim 24 - Stunden - Tag sind, ein Forscherteam will
herausbekommen haben, das die biologische Uhr des Menschen gar
nicht im 24 - Stunden - Tagesrhythmus abläuft, sondern in einem 25 -
Stunden Rhythmus tickt. Das sei übrigens bei fast allen Säugetieren
ähnlich. Daraus wollte schon ein Sprecher eines Industrie- und
Arbeitgeberverbandes ableiten, dass man die ganze Zeitrechnung auf
ein 25 - Stunden - Tagessystem umstellen soll, da sich damit 1 Stunde
Arbeitszeit pro Tag zusätzlich und selbstverständlich unbezahlt
gewinnen ließe. Ein anderer Forscher hat dann ausgerechnet, dass bei
einer solchen Einführung sich ja alles total verschieben würde. Die
Menschen würden rein an Jahren gerechnet früher sterben, das Jahr
hätte dann ja auch keine 365 Tage mehr, sondern nur noch 350, es sei
denn man passt das ganze Jahr, jeden Monat und jede Woche auch an
dieses 25 - Stunden - System an. Auch würden die Zeitabläufe von
Tag und Nacht dann immer weiter auseinanderlaufen und schon nach
nur 12 Tagen hätte man morgens den Beginn der Nacht. Also dieses
Denkmodell scheint mir doch recht unpraktikabel zu sein, wenn nicht 
vielleicht das Ganze sogar nur ein Denkfehler von Wissenschaftlern
ist, wäre ja nicht das erste Mal.

Die moderne Technik hat hier auf dem Campingplatz diese Tage für
einige Verwirrung gesorgt, allerdings mehr auf eine lustige Art. Sie
kennen sicherlich diese Universal-Fernbedienungen, die auch neulich
der Aldi wieder hatte. Also solche Fernbedienungen, bei denen man
mit einer einzigen Fernbedienung dann alle anderen per
Fernbedienung steuerbaren Geräte, die man hat, bedienen kann,
anstatt für jedes Gerät eine eigenständige benutzen zu müssen. Auch
fehlerhafte Fernbedienungen können damit ersetzt werden, da häufig
benutzte Fernbedienungen wohl gerne kaputt gehen. Nun haben Kayla
und ich ohnehin kaum Geräte mit Fernbedienung, so dass eine solche
Anschaffung nicht lohnen würde. Mein altes Röhrenradio, als das
gebaut wurde, hätte einem jeder einen Vogel gezeigt, wenn man dem
gesagt hätte, dass man aus Bequemlichkeit eine Fernbedienung für
solch ein Gerät haben will. Es war doch selbstverständlich, dass man
zum Verstellen des Senders oder der Lautstärke aus dem Sessel
aufsteht und die 2 Meter zum Gerät geht und gleich dort einstellt und
sich dann wieder hinsetzt. Dass jemand dazu zu faul sein könnte,
konnte man sich damals gar nicht vorstellen. Heute ist so etwas
selbstverständlich. Na ja, einige Ecken weiter hier auf dem
Campingplatz hatte sich ein Ehepaar solch eine preiswerte Aldi -
Allround - Fernbedienung gekauft. Alles klappte auch gut. Allerdings
löste das wenig Freude bei deren Nachbarn im Neben-Wohnwagen
aus, die ebenfalls Dauercamper sind. Denn jedes Mal, wenn das
Ehepaar in seinem Wohnwagen die neue Aldi - Fernbedienung
benutzte, änderten sich auch die Programme oder die Lautstärke und
Helligkeit im Fernseher der Nachbarn. Es dauerte allerdings eine
Weile, bis die erkannt hatten, dass nicht ein Fehler in ihrem Gerät
vorliegt, sondern dass ihr Gerät nur ebenfalls die unerwünschten
Befehle der fremden Fernbedienung im Nachbar-Wohnwagen
empfängt. Es wurde sogar ein Fernsehtechniker einer Servicefirma
hinzugeholt, der anfangs sagte, das könne gar nicht sein, weil das ja
über Infrarotlicht gesendet würde und dies nicht vom geschlossenen
Wohnwagen des Ehepaars in den ebenfalls geschlossenen
Wohnwagen der Nachbarn dringen könnte. Das ginge höchstens,
wenn die beide draußen stünden oder im gleichen Raum. Eine
praktische Vorführung belehrte den Techniker aber bald eines
besseren. Irgendwie werden die Infrarotstrahlen des Aldi-
Fernbedienteils wohl so stark ausgesendet und reflektiert, dass sie
nebenan im geschlossenen Wohnwagen auch noch ankommen.
Versuche haben dann ergeben, dass es nur dann unterbunden wird,
wenn die Nachbarn an allen Fenstern, die zum Wohnwagen des
Ehepaars zeigen, die Vorhänge dicht zuziehen. Also fällt der
Infrarotstrahl irgendwie durch die Fenster noch ein und gelangt zu
deren Fernseher.

Familien zerbrechen, das ist mir nichts neues, die Gründe dafür sind
zwar so unterschiedlich wie das Leben selbst, aber nach meiner
Erfahrung spielt Geld dabei mindestens in der Hälfte der Fälle eine
wichtige Rolle. Zerbricht eine Familie, die nur aus 2 Personen besteht,
sprich Mann und Frau, dann ist das oft schon schlimm genug,
manchmal bringt es aber auch eine Erlösung, zumindest für eine Seite,
das sollte man ruhig einmal sagen. Zerbricht hingegen eine Familie
mit Kindern, so ist es meist um einige Größenordnungen schwieriger.
Trotzdem kommt auch dort so etwas manchmal schnell, fast über
Nacht. So kenne ich einen Herrn Lauing seit mindestens 10 Jahren.
Bis vor kurzem glücklich verheiratet, seit immerhin 12 Jahren und
ganz stolzer Vater von 3 Kindern, 2 Töchtern und einem Sohn, die
zwischen 7 und 13 Jahre alt sind. Aber das Geld und alles in diesem
Umfeld hat doch mehr Macht und mehr Kraft, als manche
Familienbande aushalten. Der Lauing und seine Familie wohnten
lange in einer sehr großen Mietwohnung in der Hauptmannsreute, das
ist nicht übermäßig weit von meinem früheren Wohnquartier entfernt,
vielleicht 1 km. Dort gab es große Mietwohnungen, die in den
Achtziger Jahren billig vermietet wurden, weil es zuvor teils 
Wohnblocks von Bundeswehr-Angehörigen und Bundesbeamten
waren, die dort aber ausgezogen sind, weil deren Standort verlegt oder
geschlossen worden war. Diese Wohnungen waren schon ziemlich
abgewohnt, wurden aber, um der öffentlichen Hand Kosten zu sparen,
nicht renoviert, sondern im damaligen Zustand dafür billig vermietet,
mit der Auflage, dass der neue Mieter gewisse Mindest-
Instandsetzungen auf eigene Rechnung machen musste. So kam der
Lauing, der gebürtig sogar aus der Schweiz stammt, günstig zu der
Wohnung. Dann wurde irgendwann geheiratet, die Kinder kamen
hinzu und wie das alles so geht. Fast jeder Mensch vergleicht sich ja
auch mit anderen, die man so kennt. Besonders die Frau vom Lauing,
eine Isolde, wer schon Isolde heißt, aber na ja, hatte dieses Hobby,
sich ständig mit Bekannten, Verwandten und ehemaligen
Schulkameraden und Schulkameradinnen zu vergleichen. Da findet
man immer welche, die besser da stehen, die schöner wohnen, reicher
sind, vielleicht auch zufriedener sind, letzteres kann man aber nicht
nachprüfen, erzählen können die viel. Komischerweise picken
besonders die Frauen bei solchen Vergleichen immer die Bekannten
als Vergleichsobjekt heraus, denen es vermeintlich besser ergangen
ist, die mehr geschafft haben; nie die Kandidaten, die weniger als man
selbst erreicht haben, obwohl es die ja auch gibt. So machte es die
Isolde Lauing auch. Dann bekam der Herbert, so heißt der Lauing mit
Vornamen, täglich aufs Butterbrot geschmiert, dass der Kollege X ja
viel schöner wohne und ein dickeres Auto fahre und warum man sich
das denn nicht auch leisten könne u.s.w. Sie kennen diese Sprüche
sicher auch. Finanziell ging es den Lauings damals nicht schlecht. Sie
waren nicht steinreich, aber im Vergleich beispielweise zu mir,
standen sie richtig gut da. Sicher, das ist auch so ein Vergleich, der
mich aber nicht nervös macht. Ich kann gut mit ansehen, dass
vielleicht Tausende von Menschen finanziell besser da stehen, als ich,
das macht mir gar nichts. Das kann aber längst nicht jeder. Manche
zerfressen sich selbst mit ständigen Vergleichen. Nun hatten Lauings
nach eigenen Angaben von dem Herbert, der hatte mir das in einer
verschwiegenen Runde mal gesagt, ungefähr 45.000 Euro auf der
hohen Kante. Was für ein Betrag! Durch das ständige Gezeter von der
Isolde ließ der Herbert sich dann erweichen, auf Kredit ein eigenes
Häuschen im Grünen zu kaufen, draußen in Sonnenberg. Das liegt
unterhalb von Degerloch. Das Häuschen war ein Altbau von 1949 mit
sehr schönem Garten und vor allem eine schöne, etwas abseitige Lage.
Der Preis soll dank des renovierungsbedürftigen Zustandes bei
180.000 Euro gelegen haben. Normalerweise kosten solche Häuser
mit soviel Grundstück in der Lage im Stuttgarter Bereich locker das
Doppelte. So hat man die 45.000 Euro genommen, den Rest bis
180.000 Euro von einem Geldinstitut finanzieren lassen. Das alles ist
so lange noch gar nicht her, ging aber nicht lange gut. Die
monatlichen Abzahlungen, dann laufende Unterhaltskosten, des
weiteren Geld für Renovierungsaufwendungen und dieser ganze
Schwanz an Unkosten, den so etwas nach sich zieht, das alles zog die
Leute ziemlich schnell finanziell in einen Bereich, in dem es
monatlich so gerade noch +/- 0 ausging. Da konnte die teure Isolde
sich aber ihre gewohnten neuen Kleidchen, Schühchen und Wellness-
Wochenenden auf der Beauty-Farm nicht mehr leisten und wurde
deshalb sehr giftig. Entbehrungen, daran mochte sie nicht denken,
auch nicht zugunsten des eigenen Häuschens. Über solche eigentlich
lächerlichen Dinge gab es immer wieder Streit und es endete mit dem,
was kommen musste, die Familie zerbrach. Früher wären die Leute
über das Erreichte in solch einer Situation froh gewesen und hätten
gerne auf solchen aufgeplusterten Quatsch verzichtet, wenn sie dafür
ein eigenes Haus gehabt hätten. Das war aber mit der Isolde nicht zu
machen.
Nun, nach langer Zeit traf ich den Herbert vor einigen Tagen zufällig
beim Canstatter Wasen und habe lange mit dem geredet. Der war
ziemlich am Boden. Die Scheidung ist inzwischen durch, die Isolde ist
mit den Kindern nach Bremen gezogen. Er sagt, das habe die nur aus
Schikane gemacht, damit er die Kinder nicht oft sehen kann, denn aus
ihrer ganzen Familie habe nie eine Verbindung rauf nach Bremen
bestanden und auch sonst gibt es keinen nachvollziehbaren Grund für
diesen weiten Umzug. Im Häuschen in Sonnenberg sind längst andere
Leute eingezogen, die es nach einer Zwangsversteigerung im April für
142.000 Euro bekommen haben und das im jetzt weitgehend von ihm
selbst renovierten Zustand. Er hatte neben dem Kaufpreis schon über
35.000 Euro zusätzlich an Renovierungsleistungen rein gesteckt, ohne
die selbst geleistete Arbeit überhaupt mit zu berechnen. Dafür darf er
nun weiter noch Schulden an das Geldinstitut abbezahlen, da die
Differenz und weitere rückständige Kosten von dem Geldinstitut
natürlich weiter eingefordert werden. Diese Restsumme ist aber
eigentlich überschaubar und wenn alles gut geht, ist er in knapp 2
Jahren schuldenfrei. Die Frau hat kein eigenes Einkommen und hat es
wohl geschafft, das alles so zu drehen, dass sie nur zu 25 % für die
verbliebenen Kreditkosten aufkommen muss. Da sie jedoch mangels
offizieller Masse gar nichts abzahlt, hält sich das Geldinstitut voll an
ihn, weil im damaligen Kreditvertrag das so stand, dass jeder für die
Gesamtsumme haftet. Damals hat man das blauäugig unterzeichnet,
weil man solch dunkle Wolken nie hätte kommen sehen. Immerhin hat
er noch seinen Beruf als Gabelstaplerfahrer in einem großen
Lagerhaus von Daimler-Benz in Unter-Türkheim und kann sich nun
daran erfreuen, vor allem für den Fern-Unterhalt von seiner Ex-Frau,
den Kindern und die Tilgung der Kredit-Restsumme arbeiten zu
gehen. Für ihn selbst bleibt da kaum noch was. Dabei hatte er noch
einiges Glück, wenn man das so nennen darf, denn über seinen
Arbeitgeber bekam er günstig eine winzige Werkswohnung, zur Miete
versteht sich. Die liegt in der Nebelhornstraße in Untertürkheim, da
kann er zu Fuß zur Arbeit gehen, das sind vielleicht 400 m bis zum
Werk. Die Lage der Wohnung ist nicht gerade schön, aber die
Wohnung selbst schon. Zwar nur 29 m² groß, aber hochmodern,
pflegeleicht und hell. Seit kurzem hat er sogar wieder ein eigenes
Auto, nachdem er längere Zeit sich keines leisten konnte. Aber durch
einen kleinen Trick mittels Zulassung auf einen Werks-Fuhrpark
konnte er billig einen gebrauchten winzigen Smart kaufen, der zwar
schon einige Macken hat, mit denen man aber leben kann. Der Smart
war früher eine Art Testmobil gewesen, wo jeder Idiot mal seine
Runden mit gedreht hat und dementsprechend hat das Wägelchen
gelitten und wurde deshalb für nur 2.500 Euro an Werksangehörige
verkauft. Durch die Zulassung auf den Werks-Fuhrpark kann der
Wagen nicht gepfändet werden und zudem ist die Versicherung über
diesen Werks-Pool spottbillig. Der Smart braucht auch nicht viel Sprit
und für eine Person reicht es, wenn man kein Gepäck zu befördern
hat, dicke aus. Der Herbert war aber durchaus an einem Punkt, wo er
überlegt, ob er nicht trotzdem einfach seinen Job hinschmeißen soll,
da er ja von dem Geld, was er verdient, selbst am allerwenigsten hat.
Andererseits weiß er auch, dass er sich spätestens dann auch die
winzige Wohnung und den Smart nicht mehr leisten kann und dann
wahrscheinlich total abrutschen würde. Also ich habe ihm davon
abgeraten, alles hinzuschmeißen, obwohl ich selbst es vermutlich in
solch einer Lage getan hätte, das muss ich ganz ehrlich sagen. Er sagte
auch, dass ihn am Hinschmeißen vor allem die Tatsache stören würde,
dass seine Kinder dann auch unter der dann entstehenden Finanznot
leiden müssten, weil er dann ja deren Unterhalt nicht mehr aufbringen
könne und die ja am allerwenigsten an der Misere schuld hätten.
Also ich muss Ihnen ganz offen gestehen, nach dem Gespräch mit
dem Herbert war ich selbst richtig fertig. Mir kamen auch die
Gedanken an meine erste Frau wieder hoch, wobei mein Schicksal mit
dieser Ziege im Vergleich noch glimpflich verlaufen ist. Die war ich
eigentlich am Schluss relativ leicht los und man kann so gesehen froh
sein, dass wir keine Kinder hatten und dass wir keine finanziellen
Verpflichtungen mit Krediten und dergleichen hatten. Die bekam auch
keinen großartigen Unterhalt von mir, das hätte die zwar gerne gehabt,
aber da war bei mir damals schon nichts mehr zu holen und... na ja,
ich will da nicht wieder in diesem alten Schmutz wühlen. Das bringt
nichts, außer dass ich mich heute noch darüber erneut aufrege, obwohl
das nun gar nicht nötig wäre. Also tauschen möchte ich mit dem
Herbert keinesfalls und sein Schicksal hat mich an diesem Tag noch
lange nachdenklich gestimmt. Kayla meinte schon, was denn mit mir
los wäre, die hat das auch bemerkt. Ich habe es ihr dann erklärt und sie
fand den Gedanken fast schon belustigend, dass eine Frau von ihrem
Mann Unterhalt erhalten würde, wenn sie selbst Schluss gemacht
habe. Das wäre in Thailand völlig undenkbar, sagte sie. Alleine schon
deshalb würde sich dort nur sehr selten eine Frau von ihrem Mann
trennen, weil sie dann meist in ein tiefes wirtschaftliches Loch fallen
würde.

Eine Reise ins Ungewisse wurde der Urlaub eines Herrn Becht, der
hier auf dem Campingplatz ebenfalls seinen Hauptwohnsitz hat.
Schon im Juli war er zu einem Urlaub nach Italien aufgebrochen. Da
er alleinstehend ist und auch keinem genaue Angaben gemacht hatte,
wie lange und wo dort genau er in Italien bleibt, hatte sich zunächst
keiner etwas dabei gedacht, als er nach 4 Wochen noch nicht zurück
war. Sicher, man kann 4 Wochen bleiben, manche bleiben auch 2 oder
3 Monate, besonders wenn es hier keine Angehörigen und keine
Verpflichtungen gibt. Trotzdem gibt es einen Moment, ab dem man
sagt, da müsste er sich doch um verschiedenes kümmern. Der
Briefkasten quillt über, der Dreck in der Wohnung nimmt
verwahrloste Züge an, da Ungeziefer und dergleichen sich in solch
langer Zeit munter ungestört weiter vermehren. Da der Becht jetzt
Anfang Oktober immer noch nicht zurück war, fiel seine lange
Abwesenheit einigen auf und manche wurden etwas ungeduldig. Vor
allem die Campingplatz - Verwalterin ging schon rund und befragte
uns, ob denn keiner von uns wüsste, wo der abgeblieben sei. Seine
laufenden Kosten würden zwar automatisch von seinem Konto
abgebucht, das laufe alles normal weiter, aber wo man so lange nichts
von dem mehr gehört und gesehen hat, machte sie sich dann doch
gewisse Sorgen. Der Becht ist durchaus ein eher angenehmer
Zeitgenosse, mit dem man ruhig über Gott und die Welt, also über alle
Themen gemütlich reden kann. Man darf ruhig sagen, dass er über
eine gute Allgemeinbildung verfügt. Durch die Nachfragen der
Verwalterin wurden die anderen Campingplatz-Dauerbewohner erst
wirklich beunruhigt. Wissen Sie, der Becht war keiner, der ständig
präsent ist. Man hat Leute, denen begegnet man jeden Tag mindestens
5 mal, weil die ständig herumwuseln, raus und rein laufen oder gar
den Leuten regelrecht nachlaufen, nur um ein Gespräch zu beginnen.
Das alles war nicht die Welt vom Becht. Manchmal sah man ihn auch
schon mal eine Woche gar nicht, obwohl er zuhause war und z.B. von
unseren Mobilheimen höchstens 70 m weit weg in einem sehr
modernen Mobilheim lebt, welches aber etwas kleiner, als unsere ist.
Erst durch die Nachfragerei von der Verwalterin fiel den meisten auf,
dass sie den lange nicht mehr gesehen hatten. Dadurch entstand eine
künstliche Hektik und einige sahen einen dringenden
Handlungsbedarf. Es wurde dann am 6. Oktober, das war ein
Donnerstag, das weiß ich noch so gut, weil ich an dem Tag morgens
meine Fußmedizin-Auslieferung hatte, gegen 18 Uhr sogar eine Art
Krisentreffen in einem Gemeinschaftsraum abgehalten. Mehr
anstandshalber sind wir dann auch dorthin gegangen. Ein Herr
Schultheiß riss gleich das Wort und die Organisation an sich, weil er
sich, als ehemaliger Bundeswehr-Offizier wohl für besonders
prädestiniert für solche Aufgaben hielt. Dabei ist der Schultheiß noch
nicht einmal ein Dauerbewohner hier, sondern der verbringt nur jedes
dritte Wochenende als langes Wochenende von Donnerstag bis
einschließlich Montag hier. Dafür hat er einen unheimlich teuren,
neuen großen Wohnwagen hinten stehen, der sicherlich über 70.000
Euro gekostet hat, mit eingebauter Klimaanlage und viel technischem
Schnickschnack. Na ja, jedem das Seine. Auf einer mitgebrachten
Magnettafel heftete er mit Magneten Zettelchen, auf denen
verschiedene Möglichkeiten standen, was inzwischen mit dem Becht
passiert sein könnte. Weitere Zettelchen mit Möglichkeiten, wie seine
Reiseroute verlaufen sein könnte. Dann rosa Zettelchen, auf die er
flugs alle Namen der hier Anwesenden schrieb, was mich am meisten
verduzte. Dann machte er den Vorschlag, dass jeder von uns ein
Zielgebiet zugeteilt bekäme, wohin er fahren soll, um dort
nachzuforschen, ob man dort den Becht gesehen habe. Welch eine
Idiotie! Stellen Sie sich bitte einmal vor, man bekäme als Privatmann
den Auftrag vielleicht nach Italien in ein Kuhdorf zu fahren, wo man
sich nicht auskennt und die Sprache nicht spricht, um dort nach dem
Becht zu fragen. Also ich weiß nicht, jetzt wird mir auch klar, warum
bei der Bundeswehr soviel Geld vergeudet wird, wenn die alle so
handeln wie dieser blöde Schultheiß. Man kann da Zettelchen heften
wie man will, schließlich war kein einziger unter uns, der nähere
Angaben darüber machen konnte, wohin der Becht in Italien
überhaupt wollte. Italien ist ja nun auch nicht gerade klein. Vom Typ
her würde ich dem Becht eher die Toscana zutrauen und weniger
Sizilien oder so was. Aber man weiß es ja nicht. Dieser komische
Vorschlag, mit dem auf eigene Kappe nach Italien zum Nachforschen
fahren, fand allerdings außer bei dem Schultheiß selbst nur noch bei
einer Familie Teschke Anklang. Die Teschkes kenne ich gar nicht, ich
habe die bei diesem „Becht'schen Krisengipfel" zum ersten Mal
gesehen. Die Frau Teschke lachte ständig komisch, wie eine Henne,
die gerade ein Ei legen will, und sie schaute auch seltsam, ich hatte
den Eindruck, dass sie einen leichten Webfehler hat, wie man so sagt.
Heute würde man wohl eher sagen, die hat einen Sprung in der
Schüssel. Bei jeder Bemerkung von ihrem Gatten stimmte die zu und
lachte dann wieder so gackernd, obwohl gar nichts Lustiges an der
Bemerkung dran war, worüber man hätte lachen können. Ich schätze
die Frau um die 55 Jahre. Der Herr Teschke sagte beiläufig selbst,
dass er 66 Jahre ist und war von allem hellauf begeistert, was der
blöde Schultheiß von sich gab. Wahrscheinlich hätte der noch Beifall
gespendet und zugestimmt, wenn der Schultheiß gerülpst hätte. Ich
war mir nicht ganz sicher, hatte aber den Eindruck, dass der dem
Schultheiß wegen irgend einer Sache verpflichtet ist, denn ansonsten
könnte man dem Quatsch, den der Schultheiß von sich gab, nicht so
rückhaltlos zustimmen. Aber der Schultheiß merkte, dass er mit seiner
Idee der privaten Suchaktion in Italien keine Freunde fand, die das
mitgetragen hätten, einmal von dem Teschke abgesehen. Somit war
dieser Vorschlag geplatzt, denn so klug waren die beiden dann auch,
um einzusehen, dass sie alleine in Italien den niemals hätten finden
können, ohne wenigstens nähere Ortsangaben zu haben. Gleich hatte
der Schultheiß eine neue Idee, man solle den Becht bei der
italienischen Polizei als vermisst melden. Diese Idee fand dann mehr
Anhänger, vielleicht die Hälfte aller Anwesenden war dafür. Die
Campingplatzverwalterin kam hinzu und hielt davon so direkt nichts
und meinte, bevor man den italienischen Behörden damit auf den
Wecker falle, müsse man ihn erst hier bei der Polizei als vermisst
melden und alles weitere würden die dann erledigen und auch ihre
italienischen Kollegen einschalten. Es entstand daraus eine
eigenwillige und sinnlose Diskussion, die später zwischen einigen
Anwesenden schon mehr in einen Streit mit leichten Beleidigungen
ausartete. Uns wurde das dann zu blöde und wir sind in unsere
Mobilheime gegangen. Dafür ernteten wir dann auch noch von einem
Herrn Oelschläger herbe Kritik, da er uns als Leute hinstellte, denen
das Schicksal des Herrn Becht oder von Mitmenschen überhaupt
völlig egal wäre. Nun ist es so, wir kennen den Becht eigentlich kaum,
weil wir selbst ja erst kurz hier leben, haben ihn aber als durchaus
angenehmen und unauffälligen Zeitgenossen kennen gelernt, trotzdem
hielten wir von dieser komischen Aktion nichts, und als dann der
Streit noch ausbrach, wurde uns das zu dumm. Aber der Oelschläger
ist ohnehin ein Meckerfritze, der über alles und jeden ständig meckert.
Mit dem haben wir aber zum Glück eigentlich nie was zu tun, der
wohnt ganz weit hinten in einem alten vergammelten Wohnwagen,
fast schon in dem Bereich, wo die Zeltplätze anfangen. Einer hat mal
gesagt, der hätte bis zu seinem 38 Lebensjahr studiert, kein Fach
zuende gebracht, immer gewechselt und sei dann Diplom-Arbeitsloser
geworden. Hohes Anspruchsdenken gepaart mit geringem Können,
Dreistigkeit und einer Portion Frechheit, na wenn das nicht beste
Voraussetzungen für einen notorischen Nörgler sind, dann weiß ich es
nicht. Dessen Werturteil hat für uns ohnehin die gleiche Bedeutung,
wie ein Furz im Nebel. Also sind wir in unsere Mobilheime gegangen.
Am nächsten Tag sollten dann großartige Aktionen anlaufen, die von
dem Schultheiß und den Dagebliebenen noch beschlossen worden
waren. Von einem Moment auf den anderen zerplatzte jedoch deren
ganzer wichtigtuerischer Aktionismus wie eine Seifenblase, denn ich
sah beim Frühstück den Becht weiter hinten auf dem Weg gehen.
Beim Frühstück sitze ich im Wohnküchenbereich meines Mobilheims
am Fenster, von wo aus ich in einiger Entfernung zwischen einer
Wiese, ein paar Bäumen und den vorderen unbewohnten Mobilheimen
auf den Hauptweg vom Campingplatz-Eingang zur Wegeskreuzung
blicken kann. Meist nehmen Kayla und ich dort gemeinsam in
meinem Mobilheim das Frühstück zu uns, an dem Tag aber nicht, weil
Kayla länger schlafen wollte und deshalb in ihrem Mobilheim blieb.
Zuerst war ich mir nicht sicher, ob es wirklich der Becht war, den ich
dort sah, aber wissen Sie, der hat so einen etwas komischen Gang, bei
dem er immer mit der rechten Schulter etwas nach oben nachdrückt.
Kayla hat damals, als wir den zum ersten Mal gesehen haben gesagt,
der geht wie einer, der ein Bein geringfügig zu kurz hat. In ihrem
thailändischen Herkunftsort soll es viele Leute mit einem etwas zu
kurzen Bein gegeben haben, wohl aufgrund einer hier unbekannten
Krankheit oder so was in der Kindheit dieser Leute, und die wären
genauso gegangen. Alleine schon deswegen konnte das nur der Becht
sein, aber auch die Statur und die hellbraune Wildlederjacke, das
musste der Becht sein. Er war's auch. Beim Weg zu seinem
Mobilheim musste er an meinem vorbei, jedenfalls vorne am Weg in
vielleicht 20 m Entfernung. Ich schaute aus der Tür und er sah mich,
kam dann gleich mal kurz rüber. Zuerst sah er etwas befremdlich aus,
da er einen dicken Vollbart trug, sonst war er immer glatt rasiert wie
ein Kinderpopo, aber er war es. Wir tauschten Güsse aus, er wirkte
etwas eingetrocknet, wenn man das so sagen kann, war aber guter
Dinge. Ich erklärte ihm, was erst einen Tag zuvor wegen ihm hier los
war. Das verstand er nicht recht, weil sich sonst doch niemand um ihn
kümmern würde, aber es erheiterte ihn etwas. Er winkte dann aber
träge ab und sagte, dass er mir viel zu erzählen habe, er aber saumüde
sei und jetzt erst mal rund um die Uhr schlafen müsse, um wieder
halbwegs geordnet sprechen zu können. Man kann sagen, er war so
müde, dass er regelrecht schlaftrunken war und größte Mühe hatte,
seine Worte zu einem halbwegs sinnhaften Satz zusammen zu ordnen.
Er eilte dann halb schlafend weiter zu seinem Mobilheim. Dabei
wurde er dann auch von einigen anderen gesehen, mit denen er aber
außer einem kurzen Gruß keine weiteren Worte wechselte, obwohl die
mit etlichen Fragen auf ihn zuströmten. Er verschwand dann hurtig in
seinem Mobilheim. Kurz danach ging ein Gezeter los. Der Schultheiß
hatte seine Aktion so schön geplant und das sollte nun alles für die
Katz sein? Eine Unverschämtheit von diesem widerlichen Becht,
ausgerechnet jetzt in diesem Moment der Bewährungsprobe einfach
wieder zu kommen! Der große Stratege Schultheiß, der gestern Abend
noch alle Hebel in Bewegung setzen wollte, um den Becht zu finden,
hätte nun am liebsten alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Becht
wieder unbemerkt verschwinden zu lassen, damit seine Aktion
anlaufen könnte. So etwas frustriert und gleich schimpfte er lauthals
über diesen Becht, der es ja nicht nötig hat, sich bei ihm an- und
abzumelden und keinem zu sagen, wo er wirklich ist und vor allem
wie lange er fort bleibt, wann er wieder kommt u.s.w. Er und einige
seiner Mitstreiter verbrachten so den ganzen Vormittag damit,
draußen auf einer Wiese den Becht ordentlich durch den Kakao zu
ziehen. Einige Fetzen davon bekam ich mit, die sinngemäß etwa
ergaben: „So einem soll man noch mal helfen? - Nie im Leben helfen
wir dem Becht mehr und wenn er im Weltall verglühen sollte, uns
wärs egal!" Sie sehen, wie schnell die Stimmung umschlägt und sich
ins krasse Gegenteil verkehrt. Gestern noch sagte man: "Ach könnte
man den lieben Becht noch einmal sehen." Heute sagen die gleichen
Leute: „Ach würde man den bloß nie wieder sehen." Sind wir einmal
ehrlich. Der Becht war denen immer völlig egal, das woran die sich
hochgezogen haben, war nur, einen Plan zu schmieden und sich selbst
damit als große Macher und Helfer ins Rampenlicht zu stellen.
Ganz nebenbei bemerkt, 2 Tage später traf ich den Becht erneut und er
erzählte mir, dass er zuerst auf dem Weg nach Italien durch die
Schweiz gereist wäre und dort bei Winterthur mehrere Wochen von
einer Frau aufgehalten wurde, die ihn fasziniert habe. Das sei dann
aber doch nichts von längerer Dauer geworden und so sei er einige
Wochen später, entsprechend seinem ursprünglichen Plan, weiter nach
Italien gereist, übrigens in die Toscana, wie ich geraten hatte. In einem
kleinen Dorf bei Poggibonsi habe es ihm so gut gefallen und ein
dortiges Hotel habe zu über 80 % leer gestanden, wodurch die froh
waren, Zimmer zu einem Achtel des üblichen Preises zu vermieten,
sofern man sich entschloss, gleich 3 Wochen am Stück fest zu machen
und vorher zu bezahlen. So habe er dann mehrmals jeweils um 3
weitere Wochen verlängert und über die Schönheit der Landschaft
dort seine Heimat völlig vergessen. Am Schluss wären seine
mitgenommenen Geldvorräte jedoch zur Neige gegangen und alleine
deswegen habe er sich an seine Heimat zurück erinnert und sei nun
wieder gekommen. Das heißt aber nicht, dass er nun hier nur Geld holt
und dann gleich wieder dorthin fährt, aber er möchte spätestens im
März nächsten Jahres wieder dorthin, ins gleiche Hotel fahren. Der
meinte, das Hotel habe deswegen zu 80 % leer gestanden, weil es den
Modernisierungsboom von heute nicht mitgemacht habe und alles
wäre auf dem Stand der Siebziger Jahre, was viele Leute heute in
ihrem Anspruchsdenken damit quittieren, dass sie nicht mehr
kommen. Da zahlen die lieber in einem hochmodernen Kasten, der
jeden modischen Schrei mitmacht ein Vielfaches, als dort ohne
Qualitätseinbußen im Ambiente der Siebziger zu verbringen. Dusche
und WC wären auch dort Standard und sogar alles sehr sauber
gewesen, aber trotzdem, sind die Leute heute so modenärrisch.

Nun, für heute war es das. So wünsche ich Ihnen aus dem seit heute
früh verregneten, grauen und ungemütlich frischkühlen Stuttgart alles
Gute, Ihr

Egbert Lappenkeuler