LPK-D6

Auf dieser Seite finden Sie die Lappenkeuler - Beiträge “Arbeit” und “Briefmarken” aus dem Jahre 2005. Beide Textbeiträge können hier direkt gelesen werden oder auch als jeweils eigenständige PDF - Datei heruntergeladen werden.

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Beitrag 1

Lappenkeuler - Brief / Email „Arbeit" vom 13.06.2005

Erhitzte Grüße.

Über gewisse Unstimmigkeiten mit der modernen Technik berichtete
ich Ihnen schon häufiger. Nun gibt es wieder einen Anlass dazu, der
einen fast noch belustigen würde, wenn es nicht zugleich auch
ärgerlich wäre. Vor rund 2 Jahren kaufte ich in einem Sonderangebot
bei einem Discounter ganz hier in der Nähe einen sogenannten
Funkwecker für damals nur 7,99 Euro. Sie kennen diese Dinger
sicherlich, man braucht nie mehr die Uhrzeit einzustellen und auch
das lästige Umstellen von Winter- auf Sommerzeit entfällt. Alles geht
über Funk gesteuert automatisch. Nur die Weckzeiten muss man
natürlich noch selbst einstellen. Soweit so gut, das Gerät arbeitete bis
vorige Woche einwandfrei. Wissen Sie, ich benutze diesen Wecker
oft, um mich selbst an gewisse Termine zu erinnern. Wenn ich z.B. 
weiß, dass ich um 17 Uhr bei einem Bekannten etwas abholen wollte,
dann stelle ich diesen Wecker auf 16.30 Uhr, um zeitig genug
loszufahren. Oder wenn ich eine Fernseh- oder Radiosendung sehen
oder hören will, die um 18 Uhr kommt, dann stelle ich diesen Wecker
auf 17.55 Uhr. Nun war mir passiert, dass ich trotz dieser
Vorgehensweise einen Termin um exakt eine Stunde verpasst hatte.
Zunächst denkt man sich nichts dabei. Dann fiel mir aber auf, als im
Radio der Nachrichtenmann sagte, dass es 15 Uhr sei, zeigte dieser
Wecker 14 Uhr. Verglichen mit anderen Uhren bestätigte sich, dass
der Wecker um exakt eine Stunde nachging. So dachte ich mir, hat der
vielleicht bei der Winter- Sommerzeitumstellung nicht richtig
mitgemacht, obwohl mir das dann ja früher schon aufgefallen wäre, da
ich ihn mindestens 3 mal wöchentlich nach obigem Schema benutze.
So kramte ich die Bedienungsanleitung von dem Ding hervor und dort
war aber zu solchen Fehlern nicht viel erklärt. Es stand dort nur, dass
wenn Unstimmigkeiten mit der eigentlichen Uhrzeit auftreten, solle
man die Batterie für etwa eine Minute herausnehmen und dann wieder
neu einsetzen, sofern diese Batterie noch gut sei. Lieber gleich auch
eine neue Batterie verwenden, da zu schwache Batterien Fehlanzeigen
hervorrufen könnten. Weiterhin wurde geraten, bei gelegentlichen
Ausfällen oder Falschanzeigen den Standort zu verändern, weil
vielleicht eine Störstrahlung eines anderen Gerätes oder ein Funkloch
den korrekten Empfang der Funkzeit unterbinde. So besorgte ich mir
zuerst eine neue Batterie. Darüber hatte ich mich auch schon etwas
geärgert, weil ich nur eine brauchte, aber die kleinste Packung im
Laden enthielt gleich 4 davon. Nun nach dem Einsetzen der neuen
Batterie dauerte es dann vielleicht 2 Minuten und die korrekte Zeit
wurde angezeigt, die Welt schien wieder in Ordnung zu sein. Ja
denken Sie und glaubte ich, denn nach wenigen Minuten sah ich
eigenen Auges, wie die vorderste Stundenzahl um eine Stunde zurück
sprang, ohne mein Zutun, ganz von selbst. Also löste ich die Batterie
erneut, legte sie nochmals ein und die gleiche Geschichte begann von
vorne. Zuerst zeigte die Uhr die korrekte Zeit, dann nach weiteren 3
oder 4 Minuten sprang sie wieder um exakt eine Stunde zurück. Egal
wie oft ich das alles wiederholte, es lief immer wieder aufs gleiche
hinaus. Kayla hat es dann auch mehrere Male probiert, ohne dass es
anders verlaufen wäre. Dann versuchte ich noch die Sache mit dem
veränderten Standort, obwohl ich daran gleich nicht geglaubt habe,
denn schließlich hatte die Uhr zuvor 2 Jahre am alten Standort
funktioniert. Natürlich brachte ein Standortwechsel nichts, weder
innerhalb der Wohnung, noch draußen auf der Wiese war es anders.
Am Tag danach bin ich dann mit dem Teil zum Discounter gegangen,
aber die wollten nach so langer Zeit auch nicht mehr aktiv werden.
Die meinten nur, ich solle die Uhr, sofern noch Garantie drauf wäre,
zu der Adresse schicken, die in der Betriebsanleitung angegeben ist.
Ohne Garantie ist jede Reparatur teurer, als die ganze Uhr damals war.
Nun scheint die Garantiefrist aber ohnehin abgelaufen zu sein, womit
sich jede weitere Aktivität diesbezüglich erübrigt. Wegwerfen werde
ich sie dennoch nicht, sondern muss jetzt diese Fehlstunde bei meinen
Eingaben für die Terminerinnerung immer vorher berücksichtigen.

Durch dieses Uhrenschicksal bin ich auf eine ganz alte Armbanduhr
von mir wieder aufmerksam geworden, die ich noch in einem Kasten
aufhebe. Ich habe die mindestens schon seit 35 Jahren nicht mehr
getragen und stammen tut sie vielleicht aus dem Jahre 1958. Die muss
man noch von Hand aufziehen und sie ist richtig schwer und dick, im
Vergleich zu dem, was man heute so gewohnt ist, obwohl es ist eine
echte Armbanduhr. Ich dachte, ob die heute noch läuft? So habe ich
die halbe Wohnung auf den Kopf gestellt, um sie wieder zu finden.
Aufgedreht und tickticktick - sofort ohne Murren lief das mechanische
Kunstwerk wieder. Oh die war damals sehr teuer, das hatte meine
Mutter früher immer erzählt, die habe damals, wohlgemerkt 1958, 160
Mark gekostet und das war damals ein riesiger Batzen Geld. Vielleicht
so, als ob man heute 900 oder 1.000 Euro dafür ausgeben würde.
Diese Uhr lief also, nach vielleicht 35 Jahren Stillstand wieder auf
Anhieb. Aus Andenken oder mehr aus Trotz gegen die neue Technik
habe ich sie dann einige Tage getragen, obwohl der Funkwecker ja
nicht meine Armbanduhr war. Meine normale Quartz - Armbanduhr
geht nach wie vor korrekt, obwohl die vor einiger Zeit auch nur 15
Euro gekostet hatte. So habe ich aus Protest dann einige Tage diese
alte mechanische Uhr getragen und muss zugeben, dass ich dann
damit doch nicht so recht zufrieden war. Pro Tag ging die 10 Minuten
vor und dass man eine Uhr praktisch täglich in der Zeit nachstellen
muss, daran ist doch heute keiner mehr gewohnt und man will sich
auch gar nicht mehr daran gewöhnen. Früher fand man nichts dabei,
vielleicht alle paar Tage mal die Uhr nachzujustieren, weil solche
Abweichungen als normal empfunden wurden, heute hingegen ist
einem diese kleine Handbewegung des Korrigierens zu viel, zu lästig
und man schüttelt den Kopf darüber. Auch daran sieht man, wie die
moderne Technik unser Leben und unser Empfinden verändert hat.

Kaylas Arbeitgeber, ich glaube ich hatte Ihnen das schon einmal
geschrieben, der organisiert ja unter anderem Ersatzteil - Logistik für
Mercedes - Benz. Das ist aber kein Zweigbetrieb von Mercedes - Benz
und auch kein Spediteur, sondern ein eigenständiges Unternehmen,
welches nur die Organisation von Ersatzteil - Frachten in ferne Länder
übernimmt. Die führen quasi nur den Schriftwechsel zur Bestellung
und Verkettung von Transporten dieser Sachen mit den einzelnen
Speditionen und Reedereien oder auch Flug-Cargo-Unternehmen. Und
die regeln das vorwiegend nur für Teile für ältere Fahrzeuge, die
schon seit 15 Jahren und mehr hier gar nicht mehr gebaut werden.
Besonders in Drittewelt-Ländern, Nordafrika und ärmeren asiatischen
Ländern laufen viele Lastwagen alter Bauart von Mercedes, die noch
mit neuen Teilen von hier versorgt werden müssen. Teilweise, so
Kayla, werden diese alten Modelle dort auch noch nachgebaut, wozu
ebenfalls viele Teile von hier notwendig sind. Die haben
beispielsweise da irgendwo in Indien jetzt vor wenigen Wochen eine
kleine Fabrik gebaut, in der man eine einzige alte Produktionslinie für
einen bestimmten LKW-Typ von Mercedes aufgebaut hat, die hier in
Deutschland schon vor sage und schreibe 17 Jahren demontiert und
nach Indien geliefert wurde. Dort laufen dann, wenn alles fehlerfrei
läuft, pro Woche 5 LKW eines alten Mercedes-Typs sozusagen als
Nachbau mit offiziellen Mercedes-Teilen aus dem Lagerbestand vom
Band. Es ist dann wohl mehr eine Einzelfertigung, als eine
Bandfertigung, wenn man diese Zahlen hört. Nun, durch diese fernen
Aktivitäten hat diese Logisik-Organisationsfirma im Moment sehr viel
zu tun, und Kayla im Speziellen, weil in Thailand eine große Firma
eröffnet hat, die dort landesweit ebenfalls Teile für solche alten
Fahrzeuge vertreibt, die dort noch zum normalen Alltags-Straßenbild
gehören, weil man hier schon seit Jahrzehnten alte ausgemusterte
LKW in Schiffsladungen eingekauft hat und dort etwas aufgemöbelt
noch 30 bis 50 Jahre lang weiterbetreibt. Wie jetzt verlautbart wurde,
wird sich dieser Boom mit Thailand aber bald entspannen, da diese
ferne Firma im ersten Halbjahr so viele Teile auf Vorrat gehortet hat,
und immer weiter bestellte, dass sie voraussichtlich ab August oder
September nur noch sehr wenig Nachschub braucht und erst einmal
für 2 Jahre von den bis dann angelieferten Teilen zehren kann. Das
wird dann schlagartig bedeuten, dass Kayla voraussichtlich ab August
oder September im Vergleich zu heute nur noch selten dorthin zur
Arbeit gehen muss. Sie ist ja freie Mitarbeiterin dort, also nicht fest
angestellt, sie arbeitet quasi wie eine Ich-AG auf eigene Kappe. So ist
sie natürlich dem freien Wettbewerb und dem Bedarf mit allen
positiven und negativen Konsequenzen ausgesetzt. Sie geht davon aus,
dass sie dann nur noch an einem einzelnen Tag pro Woche für etwa 2
Stunden dorthin muss, um dann in dieser Zeit sämtliche
Korrespondenz zwischen diesem Logistik-Organisator und
thailändischen Partnern zu übersetzen. Zurzeit ist es ja wirklich schon
übertrieben, denn jetzt geht sie sogar von Montag bis Freitag jeden
Tag dorthin und zwar von morgens 10 bis abends 20 Uhr, an manchen
Tagen sogar schon von morgens 8, eben weil soviel zu tun ist.
Natürlich spült das schön viel Geld in ihre Kasse, aber ich denke, man
muss da auch abwägen, zwischen Geld und Lebensqualität. Es ist
einfach keine Lebensqualität, wenn man rund um die Uhr auf der
Arbeit ist und nur noch zum Schlafen nach Hause fährt. Auch leiden
in dieser kurz bemessenen Freizeit andere Dinge darunter. Sie können
sich vorstellen, dass man nach solch einem Arbeitstag abends nicht
mehr unbedingt Lust auf bestimmte Dinge hat, dann ist man nur noch
froh, wenn man in Ruhe einschlafen kann. Sie ist auch selber froh,
wenn es dann dort wieder ruhiger zugeht. Ansonsten kann man
sicherlich nicht meckern, diese Firma zahlt wirklich sehr gut, aber das
tut sie nur unter der Bedingung, auf diese Weise ohne jede
verpflichtende Bindung die Leute auf Abruf als freie Mitarbeiter
einsetzen zu können. Kayla musste dazu auch noch extra ein eigenes
Gewerbe wie eine Ich-AG anmelden, das Ausfüllen der ganzen
Formulare hat man aber bei ihrem Arbeitgeber übernommen, weil die
das ja schon bei ungefähr 25 anderen Leuten auch so machen. So ist
Kayla für die Seite der sogenannten Sozialabgaben selbst
verantwortlich. Dazu kamen auch neulich diverse Fragebögen ins
Haus. Die waren so kompliziert, und dann noch Sachen vom
Finanzamt mit Begriffen, die habe ich noch nie gehört. Aber sie hat
das alles mit zu ihrem Arbeitgeber genommen und dort hat man dieses
Zeug dann gemeinsam binnen 2 Stunden ausgefüllt und
zurückgeschickt. Ich sage nur Behördendeutsch. Endlose
Formulierungen für manchmal einfache Sachen, aber auch viele
Formulierungen, die einem als solches schon Angst machen, bloß
etwas falsch ausfüllen zu können und dann noch bestraft zu werden.
Pure Verunsicherungstaktik. Dass die nicht hingehen können und den
Leuten mit wenigen Worten im Klartext erklären, was sie a) wollen
und was b) daraus resultiert, wenn man dort dies oder das angibt.
Alles wird verklausuliert und geheimnisvoll dargestellt in einer
Sprache, die keiner versteht, außer vielleicht einem guten Fachanwalt.

Nun, die mit Sicherheit ab Herbst wieder deutlich sinkenden
Einnahmen von Kayla kann ich vielleicht zu einem geringen Teil bald
wieder etwas kompensieren. Hier ergibt es sich als gut, dass wir den
VW-Golf-Variant gekauft haben, denn ohne solches Fahrzeug wäre
folgende Verdienstmöglichkeit für mich gar nicht drin. Vor einigen
Tagen machte ich einen Spaziergang an den Hohen Warte und in dem
Wald daneben. Das ist ein Berg mit Aussichtspunkt, der in dem
großen Waldgebiet zwischen Feuerbach und Stuttgart-West liegt. Von
hier relativ schnell zu erreichen. So hatte ich aber im Gegensatz zu
sonst, wenn ich schon mal an dieser Stelle wandere, den Wagen nicht
hier am Parkplatz von der Seite der Feuerbacher Talstraße abgestellt,
sondern in Feuerbach selbst in der Banzhaldenstraße am hinteren
Ortsende. Von dort kann man dann gut zu Fuß über die Hohe Föhrich
zur Hohen Warte spazieren und ist, dank der guten Wege, trotz des
Anstiegs schnell oben, ohne sich gar zu sehr die Zunge aus dem Hals
laufen zu müssen. Na egal, jedenfalls als ich genug gewandert war,
bin ich also zurück zum abgestellten Wagen. Dort erblickte ich in
einem großen Wohnhaus, welches mehr als Bürohaus genutzt wird,
ein großes Schild in einem Fenster „Fahrer Führscheinklasse B
zeitweise gesucht!". Da habe ich gleich dort geklingelt. Eine
Pharmafirma hat dort ihren Sitz, die verschiedene Apotheken im
Umkreis mit bestimmten Medikamenten für die Füße versorgt. Salben,
Tabletten, Spezialstrümpfe, Tinkturen für Fußbäder und all solches
Zeug. Die stellen das aber nicht selbst her, sondern importieren es aus
Belgien und die unbeschrifteten Behältnisse mit dem heilenden Inhalt
bekommen dort nur ihre deutschsprachigen Aufkleber und
Kartonagen. Ein Heer aus eigenen Fahrern fährt dieses Zeug dann in
der jeweils benötigten Zusammenstellung zu den Apotheken im
Umkreis von bis zu 150 Kilometern. Ein Herr Klett von denen hat mir
das alles erklärt und sagte mir, dass man zurzeit darüber hinaus für
gelegentliche Lieferfahrten in den Raum Heilbronn sowie für eine
regelmäßig wöchentlich einmal stattfindende Fahrt rauf sogar bis nach
Tauber-Bischofsheim jeweils einen Aushilfsfahrer mit eigenem
Kombi - PKW suche. Die eigenen Fahrer mit den firmeneigenen
Autos wären alle ausgelastet und für diesen zusätzlichen Bedarf, der
voraussichtlich etwas über ein Jahr andauern wird, lohne es
wirtschaftlich nicht, weitere Fahrer fest einzustellen und zusätzliche
Autos anzuschaffen. So suche man zuverlässige Privatleute, die das
mit dem eigenen Wagen erledigen. Die Heilbronn-Tour fand ich
persönlich uninteressanter, weil man dort im Umkreis von Heilbronn
dann in vielleicht 15 kleineren Orten jeweils die Apotheken einzeln
ansteuern muss, während man bei der weiteren Tauberbischofsheim-
Tour nur eine einzige Großapotheke im Ort  ansteuern muss, die die
Fußmedizin selbst weiter an andere kleine Apotheken im Umkreis
verteilt. Zudem gibt es für diese weitere Tour wesentlich mehr Geld,
obwohl es nach meiner Meinung mehr Aufwand ist, in der geringeren
Entfernung 15 Apotheken in 15 unterschiedlichen Dörfern
anzusteuern, auszuladen u.s.w., als in der weiteren Entfernung nur
eine zu besuchen, wo man dann gleich den ganzen Kofferrauminhalt
lassen kann. Wichtig wäre, dass die Sachen beim Empfänger am
jeweiligen Empfangstag allerspätestens morgens um 11 Uhr
eintreffen. Die fertig gepackten Kartons soll der Fahrer hingegen
schon am Abend zuvor in Feuerbach abholen. Es liegt dann in seiner
eigenen Entscheidung, ob er die morgens frühzeitig abliefert, dass er
schon bei der Empfänger-Apotheke auf der Matte steht, wenn die
morgens öffnen oder ob er erst punkt 11 Uhr dort eintrudelt. Man hat
also etwas Luft und den Termindruck nicht so im Nacken. Alles was
der mir so erzählte gefiel mir, besonders diese Tauber-Bischhofsheim
- Geschichte und die Kostenseite sieht so aus: bezahlt wird vor jeder
Fahrt am Abend der Übergabe der Kisten mit dem Fußzeugs an den
Fahrer und zwar gibt es für die Tour nach Tauber-Bischhofsheim eine
Sprit- und Fahrzeugpauschale von jeweils 20 Euro plus die
Entlohnung für den Fahrer von jeweils 60 Euro. Das sind in der
Summe also 80 Euro pro Fahrt. Gut, man muss natürlich auch den
Dieselsprit und die Zeit berechnen, die man zu leeren Rückfahrt
benötigt. Für eventuelle Reparaturen am Fahrzeug u.s.w. ist man
selbst verantwortlich, da kümmern die sich nicht drum. Ich habe mir
das genauer angesehen, es rechnet sich auf diese Weise für die, denn
würden die einem Paketdienst so viele Pakete aufbrummen, dann
käme es sicherlich viermal so teuer und zusätzlich festangestellte
Fahrer plus zusätzlichem Wagen wären noch viel teurer. Es gibt auch
keine Nachteile, wie Konventionalstrafe bei Nichteinhaltung der
Lieferzeit, z.B. durch Verkehrsstau oder Beschaffung von
Ersatzfahrern bei Urlaub oder Krankheit, so was gibt es alles nicht.
Wenn man keine Lust mehr hat, dann kann man innerhalb von 2
Wochen aussteigen. Das wurde alles so schriftlich fixiert. Also habe
ich etwas überlegt und den Job angenommen! In der nächsten Woche
kann ich schon anfangen und zwar Dienstags geht die erste Fahrt nach
Tauber-Bischofsheim, natürlich am Abend zuvor erst nach Feuerbach,
um die Waren abzuholen. Die nächste Fahrt folgt dann exakt eine
Woche später zum gleichen Wochentag. 80 Euro Zubrot pro Woche,
gut minus Sprit werden noch 60 Euro über bleiben, das kann ich
gebrauchen und dafür kann man schon mal so was machen. Reich
wird man sicher nicht davon, jedoch 60 Euro Reinverdienst pro
Woche, das ist für mich schon ein nennenswerter Betrag, auch wenn
viele darüber heute die Nase rümpfen und behaupten, dass sie dafür
noch nicht einmal an ihrem Lenkrad drehen würden. Alles in allem,
vorausgesetzt dass sich diese Tätigkeit so darstellt, wie es jetzt
aussieht, ist das eine Arbeit ganz nach meinem Geschmack. Ähnliche
Dinge hatte ich zwischendurch schon öfters gemacht und so ein
Zubrot zu verdienen macht auch noch ein wenig Spaß. Man reist
durch die Landschaft, bekommt das noch bezahlt, hat wenig Stress
und weitgehend freie Zeiteinteilung. Der gleiche Job täglich wäre
schon nichts mehr für mich, aber so einmal die Woche, ist das etwas
Schönes, selbst zweimal die Woche bei entsprechend höherer
Bezahlung, das würde ich auch noch machen. Na sehen wir mal, wie
das anläuft. Ich kenne solche Jobs und mache mir da auch keine
Illusionen, das ist nichts für viele Jahre. Irgendwann entwickelt sich
beim Auftraggeber die Lage anders und diese Tätigkeit endet
plötzlich. Selten hält so etwas länger als ein halbes Jahr, auch wenn
wir jetzt erst einmal offiziell ein ganzes Jahr ins Auge gefasst haben.
Wissen Sie, dann im Hinblick auf die sicherlich bald sinkenden
Einnahmen von Kayla ist mir solch ein Zuverdienst sehr angenehm
und ich sage mir, es kommen damit pro Monat immerhin gut 240 Euro
zusätzlich zusammen, wenn man die Unkosten abzieht.

Auf der Straße wird man in letzter Zeit hier öfters angebettelt, für
Projekte gegen die Armut in Afrika zu spenden. Ich kann es nicht
mehr hören. Zunächst ist es sicherlich so, dass diese Geldsammler auf
der Straße für die eigene Tasche arbeiten. Ich spende generell nie Geld
auf der Straße und noch vehementer bin ich gegen Betteln an der
Wohnungstür. Für Afrika spende ich gleich doppelt gar nicht. Es
klingt zugegebenermaßen blöde, aber ich mag diesen Kontinent nicht
besonders leiden. Diese Geldsammler betrachte ich als lästige
Schnacken, die nutzen die jüngst häufiger in den Medien
auftauchenden Berichte über die schlechten Zustände in Afrika aus,
um für sich selbst Geld einzustreichen. Die werden immer penetranter
und schicken einem nun manchmal in der Innenstadt schon farbige
Kinder auf dem Gehweg bettelnd nach, die auch nicht aufgeben, wenn
man nein sagt. Die laufen einem weiter nach und betteln inständig.
Sagt man erneut nein, nützt das meist gar nichts. Ich habe mir
angewohnt, sie überhaupt nicht zu beachten, so zu tun als würde ich
durch sie hindurchblicken und sie wären gar nicht vorhanden, das
wirkt am besten. Oder wenn man nur das Wort Polizei sagt, schwirren
sie auseinander und suchen das Weite. Diese penetrante Art kann
einem schon manche Halsschwellung bereiten und man hätte
manchmal nicht übel Lust, denen einen Satz heißer Ohren zu
verpassen. Aber machen Sie das mal! Dann können Sie was erleben
und plötzlich kennen die alle Rechte ganz genau. Ich habe selbst nicht
viel und kenne es, wie es ist, wenn man arm ist. Aber genau deshalb
habe ich auch Respekt davor und missbillige es angebettelt zu werden.
Ich habe auch nie gebettelt, auch zu meinen ärmsten Zeiten nicht.
Zumindest kann man aber verlangen, dass die Entscheidung ohne
Diskussion respektiert wird, wenn man nichts gibt und noch
unverschämter ist es, dann ungehindert weiter zu betteln. Wissen Sie,
es klingt unschön, sogar sehr unschön, aber mein Autobekannter, von
dem ich Ihnen schon öfters erzählte, der hat wieder eine ganz andere
Methode, die loszuwerden. Er gibt auch nichts, beim ersten Anbetteln
lehnt er ab und wenn die dann weiterbetteln, dann spuckt der denen
vor die Füße oder zur Not auch aufs Hemd, das hilft. Das verstehen
die und hören tatsächlich sofort auf. Ich habe selbst nicht viel und
sehe es daher gar nicht ein, von dem wenigen auch noch an andere
abzugeben, wohlmöglich an solche, die damit nur ihre kriminellen
Machenschaften stärken oder das Erbettelte in Alkohol oder Drogen
umtauschen.

Kennen Sie Papenburg? Das liegt irgendwo hoch oben im Norden, ich
weiß nicht, ob es an der Nordsee oder sogar bei den Ostfriesen liegt.
Ich kenne Papenburg nicht, oder jedenfalls bislang nicht. Da schreibt
mir eine Marianne Heede aus Papenburg einen 6 Seiten langen Brief.
Ich kenne die Frau gar nicht, aber sie schreibt, dass ich ein ehemaliger
Freund von ihr sei. Nun sei sie endlich von ihrem ersten, ungeliebten
Mann geschieden und frei für mich. Solch ein Unsinn. Wir könnten
nun endlich zusammenziehen, sie sei sehr wohlhabend, da sie in
Papenburg 6 Häuser, ein kleines Hotel sowie eine Firma besitze und
ähnlichen Unfug schreibt sie und dass wir nun nach 15 Jahren des
nicht mehr Sehens doch wieder zusammenkommen könnten. Kayla
schaute schon misstrauisch, völlig ohne Grund, aber es wirkt natürlich
komisch. Zuerst hatte ich den Verdacht, dass man diesen Brief falsch
eingeworfen hatte und er gar nicht für mich bestimmt ist. Das kann es
aber nicht sein, denn die Adresse und selbst mein Name sind korrekt
angegeben. Würde ich Müller oder Meier heißen, dann hätte man
trotzdem noch an eine Verwechslung glauben können, aber Egbert
Lappenkeuler, da bin ich vermutlich in ganz Deutschland der Einzige.
Geschlagen mit diesem Namen hat es auch seine Vorteile so zu
heißen, wenngleich ich in meiner Jugend mir oft wünschte, lieber
einfach Fritz Müller oder Hans Meier zu heißen, da ich damals bei
jeder sich bietenden Gelegenheit mit dem Namen aufgezogen wurde.
Wenn man schon einen solchen Nachnamen hat, da habe ich es nie
verstehen können, weshalb sich meine Eltern dann auch noch
zusätzlich für diesen eckigen Vornamen Egbert entschieden haben.
Schüler, die des Englischen habhaft waren, zogen mich zudem gerne
damit auf, indem sie mich Eier-Bert, Ei-Bert, Lappen-Eier-Bert oder
später verkürzt nur Lappen-Ei nannten. Solche Hänseleien können
einen im Erwachsenenalter nicht mehr beeindrucken, sind einem
völlig schnuppe, aber wenn jemand an einen Egbert Lappenkeuler
schreibt und das noch in Stuttgart, dann meint er mich, das geht gar
nicht anders. Die besagte Marianne Heede fügt dann auch ein paar
Fotos von sich bei, sozusagen von ihrem heutigen Zustand. 41 Jahre
will sie alt sein, auf den Fotos wirkt sie eher wie eine 30jährige. Sie
sieht gar nicht einmal übel aus, gut, Kayla ist mir persönlich auch vom
Erscheinungsbild her lieber, aber übel schaut diese Marianne auch
nicht aus. Eine groß gewachsene, relativ schlanke Person, hellblond,
vielleicht auch gefärbt, man weiß das ja nie, hellblaue Augen, nicht zu
sehr geschminkt, was ich als Vorteil empfinde. Wie noch? Lange,
ansehnliche Beine, vom Gesicht her eine Mischung zwischen nett und
sachlich-nüchtern, das Gesicht also nicht gerade ein Brüller, aber doch
ganz adrett und vorzeigbar - welch eine blöde Formulierung, aber mir
fiel gerade keine bessere ein. Für die Busenfreunde: sie hat sichtlich
mehr Busen als Kayla, aber das ist keine Kunst und will nichts heißen,
da haben manche Männer mehr Busen als Kayla, aber ich mag Kayla
genau so, wie sie ist, ich will die gar nicht anders, keinesfalls, das ist
also für mich kein Negativfaktor. Jedenfalls ist diese Marianne keine
Frau, die man vom Äußeren her ablehnen würde. Ich denke, fast jeder
halbwegs normal funktionierende Mann fände diese Marianne auf den
ersten Blick recht sympathisch, allerdings ohne gleich ins große
Schwärmen zu verfallen. So lächerlich man das alles auch finden mag,
so bringt es einen doch dazu, dass man eine Weile an sich selbst
zweifelt und im Geiste bereits alle Frauen Revue passieren lässt, mit
denen man vor ungefähr 15 Jahren mal irgendwas hatte oder
zumindest hätte was haben können. Keine Angst, so viele gab es da
normalerweise nicht, dass ich die Übersicht verlieren könnte. Vor 15
Jahren, herje, ich glaube, da war ich noch mit meiner ersten Frau
verheiratet, ein grässlicher Gedanke. Oder war ich da schon
geschieden? So genau rechne ich das schon gar nicht mehr nach, da
müsste ich nachsehen. Da wäre mir jede Marianne recht gewesen, die
gekommen wäre, selbst wenn sie nicht so adrett gewesen wäre, wie
diese hier. Über meine erste Ehe brauche ich Ihnen hier nicht mehr
viel zu erzählen, daran hatte ich höchstens in den ersten beiden Jahren
Freude, später weniger. Da rollen sich mir die Fußnägel heute noch
auf, wenn ich an meine erste Frau denke. Da würde ich eher ins
Kloster gehen und mir den Zipfel abschneiden, bevor ich eine
derartige Frau nochmals heiraten würde. Aber das ist längst passé und
heute keine weiteren Worte mehr wert. Ansonsten fallen mir aus
dieser Zeit bestenfalls 2 Frauen ein, wovon aber keine Marianne hieß
und an deren Aussehen ich mich eigentlich auch noch gut erinnere.
Die sahen ziemlich anders aus. Nun weiß man natürlich nicht, wie
sich ein Mensch in 15 Jahren verändert. Jedoch gaben meine grauen
Zellen keine her, die für diese Marianne in Frage käme. Schwach
entsinne ich mich noch an eine, ich glaube Claudia hieß die. Damals
eine Zufallsbekanntschaft, die ziemlich heftig ran ging und gleich am
ersten Abend auf Heirat, Kinder und das ganze Programm drängte.
Nun, Heirat wäre damals ohnehin nicht denkbar gewesen. Trotzdem
habe ich mich dieser Claudia gleich am Abend des Kennenlernens ein
einziges Mal hingegeben, weil die Gelegenheit dermaßen günstig war
und auch weil diese Claudia mich durchaus gekonnt überredet und
eingewickelt hatte. Das ging automatisch, könnte ich aus heutiger
Distanz nur noch sagen. Das war damals alles ganz schön, aber so
richtig war sie gar nicht mein Typ und außer diesem einen
Ausrutscher spielte sich dann nichts ernsthaftes mehr ab. Sie meldete
sich noch ein paar mal und wollte mich dabei jedes Mal überreden,
mit ihr eine neue Familie zu gründen. Als die dann gemerkt hatte, dass
mein Interesse an solch einer Vollnummer gering war, habe ich nie
wieder was von der gehört. Nein, sie kann nicht mit der Marianne
identisch sein, die sah anders aus. Die war nicht so schlank, wie die
Marianne auf den Fotos, gut man kann abnehmen und die Größe käme
ungefähr hin, aber alleine schon vom Gesicht her. Die Claudia hatte
ein relativ volles Ovalgesicht mit Stupsnase und normalbreitem Mund,
während diese Marianne hier mehr ein feinzügiges Flachgesicht mit
leicht spitzer Nase und schmalem Mund hat. Diese Claudia wohnte
damals in Stuttgart - Büsnau. Dass ausgerechnet die nach Papenburg
gezogen sein soll, ich kann es mir nicht vorstellen. Also, die Claudia
ist's nicht, die jetzt als Marianne auftaucht. Dann war damals um
diese Zeit noch eine seltsame Frau, die bei einer Sylvesterfeier
auftauchte. Ich kannte die gar nicht und weiß bis heute nicht, wie die
hieß. Eigentlich ging ich auch nie zu solchen Sylvesterfeiern, aber in
einem Jahr hatte ich mal aus irgendwelchen Gründen eine Ausnahme
gemacht. Das war aber noch im letzten Jahr meiner damaligen Ehe.
Nach einem deftigen Streit mit meiner ersten Frau, verließ letztere
zickig und wütend diese Feier, nur weil ich kritisiert hatte, dass sie
dunkelviolette Fingernägel hatte. Ich finde dunkelviolette Fingernägel
absolut hässlich, das wirkt, als hätte sich die Frau mit einem
Vorschlaghammer auf die Finger gehauen. Was bitte soll an
dunkelvioletten Fingernägeln schön sein? Aber meine damalige erste
Frau, die ständig Unmengen von Geld für sinnlose Kosmetika zum
Fenster rauswarf, konnte sich über solche Kritik binnen Sekunden in
einen Wahn von Wut steigern, obwohl ich diese Kritik nur freundlich
und sachlich zu ihr persönlich gesagt hatte, nicht etwa vor anderen
Leuten oder in einem barschen Ton. Als meine Frau damals diese
Sylvesterveranstaltung schon lange verlassen hatte, tauchte dort eine
eigenartige Frau auf, mit sehr schönem Körper aber eher hässlichem
Gesicht, ja, man muss das so sagen. Ich weiß gar nicht mehr wie es
genau geschah, aber die hatte mich um den Finger gewickelt und ich
fand's gut. Wir sind dann irgendwo für Stunden in einem
Dachbodenzimmer der Gaststätte verschwunden, in der diese
Sylvesterfeier stattfand. Ich sage Ihnen, da ging auf dem Dachboden
vielleicht die Post ab, wie man so sagt und diese Frau war absolut
unersättlich. Na ja, solche Geschichten, darüber rede ich eigentlich
überhaupt nicht, aber die könnte vom Körper her durchaus mit dieser
Marianne identisch sein, aber keinesfalls mit dem Gesicht. Ach was,
Sie sehen wie das geht, da bekommt man solch einen Brief und das
Gehirn hängt sich daran auf, umkreist nur noch diese eine Frage: wer
ist Marianne? Wahrscheinlich ist es eine Frau, die so nur Interesse
wecken will oder die Leute auf diese Weise auf den Arm nimmt und
die ihre Freude hat, wenn andere dann stundenlang ins Grübeln
kommen. Selbst wenn diese Marianne hier aufkreuzen sollte, würde
von meiner Seite aus da nichts laufen, ich würde sie wegschicken. Ich
bleibe bei Kayla. Ehe da etwas besseres nachkommt, ha, das ist fast
schon unmöglich. Da bleibe ich lieber bei Kayla, da weiß ich, was ich
habe.

Noch im Hinblick auf obige Betrachtungen zu damaligen Zeiten und
überhaupt zu solchen Geschichten von früher. Verstrichenen
Lebensabschnitten soll man ruhig ein wenig nachtrauern, heißt es,
denn wenn man ihnen überhaupt nicht nachtrauert, würde es soviel
heißen, als wäre dieser Abschnitt völlig sinnlos oder zumindest
wirkungslos ohne Reiz und ohne Spuren gewesen. Was man jedoch
nicht soll, ist sein künftiges Gedankengut nur noch an dieser
Rückbetrachtung oder einem Vergleich mit dem Gewesenen fest zu
machen. Das blockiert einen total. Aus zurückliegenden Dingen soll
man ja bekanntlich lernen, was auch bedeutet, dass man Gutes wieder
tun soll und die fehlerhaften oder schlechten Sachen aber dann
auslässt. So kann ich nicht müde werden, auch heute noch die
Loslösung von meiner ersten Frau als den genialsten Schritt in
meinem Leben zu betrachten. Ich will damit nicht sagen, dass die
ganzen Jahre mit dieser Frau völlig wertlos und verloren waren, aber
es war schon herb und das Gros dieser Zeit war für die Katz.

Das Busunternehmen, mit dem wir in Granada waren, hat uns neue
Restverwertungsplätze angeboten. Gleich zahlreiche verschiedene
Reiseziele in Nah und Fern zu eigentlich recht günstigen Preisen.
Jedoch bevor wir nun Geld dafür ausgeben, auch wenn es günstig ist,
stecken wir das lieber in Diesel für den VW-Golf und fahren damit
hier im Umkreis von 100 km in Eigenregie herum.

Kennen Sie sich mit dem Wert von Sammel-Briefmarken aus? Ich
nicht, überhaupt nicht, um genauer zu sein. Mein Bekannter mit der
Umzugsfirma, dem ich öfters helfe, der hat mir jetzt einen Stapel von
Briefmarken-Sammelalben geschenkt, die er seinerseits bei einer
Entrümpelung über behalten hat. Er hat selbst weder Ahnung noch
Lust, sich damit zu beschäftigten und so hat er mir die immerhin 11
Sammelalben geschenkt. Davon sind 10 randvoll und das Elfte etwa
zu 30 % befüllt. In einem vollständig befüllten Album sind gewiss 500
Marken, eher mehr. Ich kenne mich mit dem Thema nicht aus und es
sind optisch viele sehr schöne Marken dabei, aber auch einige völlig
unscheinbare. Viele japanische Marken aus den sechziger Jahren,
wenn ich das richtig deute. Ein ganzer Satz zu olympischen Spielen
1964 in Tokio. Unzählige Marken aus der Südsee, Hawaii und da
unten, auch uralte deutsche Marken und sehr viele aus Österreich und
der Schweiz. Überhaupt Europa von etwa 1920 bis 1980. Ich konnte
noch nicht alle durchsehen, einige wenige scheinen aber auch noch
erheblich älter zu sein, also weit vor 1920 zu liegen. Nun will ich mir
aber auch nicht die notwendigen Fachkenntnisse aneignen, dafür
interessiert mich diese Sache viel zu wenig. Wenn ich einen Sammler
wüsste, der einen interessanten Preis dafür hergibt, dann würde ich das
Zeug verkaufen. Verschenken würde ich es nicht, dazu ist es mir dann
doch wieder zu schade. Kayla hat auch keine Ahnung davon und
findet es schon fast witzig, wie man überhaupt auf die Idee kommen
kann, Briefmarken zu sammeln. Sie sagt, in Thailand würde es dieses,
hier weit verbreitete Hobby gar nicht geben. Frau Gneisenau, das ist
eine relativ kluge Frau, die hier im Haus wohnt, die war früher
Lehrerin an einem Gymnasium, wurde aber vor einigen Jahren
verfrüht pensioniert, weil sie dem Stress, den die Jugendlichen heute
verbreiten, nicht mehr gewachsen war, die meinte, ich solle die
Marken doch in einem Fachgeschäft für Philatelie einfach einmal
schätzen lassen. Schön und gut, aber erstens kostet das Geld, was ich
also nicht ausgeben will, und zweitens, wer sagt mir denn, dass deren
Wertgutachten fair ist? Vielleicht untertreiben die, um dann günstig
die Marken abkaufen zu können. Dann müsste man schon wieder 2
voneinander unabhängige Spezialgeschäfte die Sachen bewerten
lassen und so würde es auch noch das Doppelte kosten. Vielleicht
erkundige ich mich doch einmal, wenigstens danach, was eine solche
Bewertung im Fachgeschäft kostet. Wenn das eine Sache für ein paar
Euro ist, kann man es ja mal machen, ansonsten nicht. Vielleicht hat
das ganze Zeug auch gar keinen Wert, weil diese Marken noch
millionenfach existieren oder aus sonstigen Gründen, die ich nicht
kenne. Sie können sich vorstellen, dass ich trotzdem neugierig bin,
wie die Wertverhältnisse da sind.

Alle klagen, dass die Verkaufszahlen der Autoindustrie stark
rückläufig sind. Jeder Hersteller jammert, als habe man ihn in den
Schraubstock gespannt, trotzdem sehe ich diese Tage, dass in einem
südlichen Stadtteil ein riesengroßes neues Autohaus errichtet wird.
Für die Marke BMW, sozusagen den ewigen Todfeind der Stuttgarter
Autobauer von Mercedes, stampft man dort einen doppelten
Glaspalast in schierer Größe aus dem Boden. Mir wäre das gar nicht
aufgefallen, was das genau wird, wenn nicht große blau-weiße Tafeln
am Eingang ein ganze Liste von Stellenangeboten verkünden würden,
für Hilfsarbeiten beim Weiterbau dieser Bauwerke. Ich dachte mir
schon, man könne dort vielleicht einige muntere Euro hinzuverdienen.
Aber die meisten Jobs dort sind nichts für mich. Man soll
beispielsweise große Blechwände nach Anleitung
zusammenschrauben oder aufstellen. Ich habe mir das von außen
angesehen. Diese Blechwände sind so scharfkantig, dass die Arbeiter
sie nur mit Spezialhandschuhen anfassen und trotzdem haben die
meisten von denen blutige Hände. Andere Arbeiten gibt es dort auch
als Hilfsjob. So sollen jeweils 4 Hilfskräfte nach der Anleitung von
einem Vorarbeiter Stahlträger mit einer Spezialfarbe tünchen. Wenn
Sie das Zeug nur 3 Meilen gegen den Wind riechen, wird Ihnen schon
speiübel. Aber dafür sollen dann die billig bezahlten Doofköppe
herhalten, ohne mich! Dann fragte einer, bei dem ich mich nach
weiteren dieser Jobs erkundigte, ob ich mit einem Kleinbagger
umgehen könne. Woher denn? Dann winkte der ab und meinte, man
habe keine Zeit, mir das auch noch beizubringen, dann nehme man
lieber gleich einen Helfer, der das schon kann. Trotzdem wird das ein
riesiges Autohaus und man kann sich nur wundern, dass heutzutage so
etwas noch gebaut wird. Einer dieser Macker dort sagte noch, dass es
am Schluss eine Ausstellungsfläche von über 7.000 Quadratmetern
haben wird, hinzu kämen dann aber noch 2.000 Quadratmeter
Verkaufsfläche, die hier also nicht mit der Ausstellungsfläche
identisch ist, 500 Quadratmeter Bürofläche und eine 2.800
Quadratmeter große Werkstatt für Inspektionen und Reparaturen.
Naja, die haben's ja und brauchen nicht mit dem Geld vorsichtig
umzugehen, wie unsereins.

Gaukler, Zirkusleute und solches entbieten ja zuweilen fragwürdige
Kunststücke, wo man wirklich nur noch staunen kann. Am
vergangenen Samstag traten auf einem Platz unweit von hier etliche
solcher Akrobaten kostenlos auf und gaben kleine Ausschnitte ihres
Könnens preis. Das war aber mehr als Werbung für eine größere
Veranstaltung gedacht, die es hier bald gibt. Da war ein Mann, der
gleichweg eine ganze Limonadenflasche aus Glas komplett
verschluckte.  Klar, es ist ein Trick dabei, aber obwohl ich fast neben
dem stand, habe ich keinen Trick erkennen können. Der sperrte weit
sein Maul auf, schob die Flasche unter Trommelwirbel in den Rachen,
verrenkte sich ein paar mal, schluckte und weg war sie. Nicht dass sie
jetzt meinen, das wäre ein kleines Fläschchen gewesen, nein, eine
ganz normale 0,7-Liter Limonadenflasche war das, zumindest sah es
so aus. Eine neben mir stehende Schülerin meinte, die Flasche sei nur
aus dünnem Zucker und er habe die regelrecht verspeist. Das kam mir
jedoch nicht so vor, denn Zucker ist nicht glasklar und es sah wirklich
nach völlig normaler Limonadenflasche aus. Auch hätte das
Verspeisen dann irgendwie knirschen und länger dauern müssen, es
wäre dann mehrfaches Schlucken notwendig. Nichts knirschte, Maul
auf, Flasche rein, etwas den Körper verwinden und dabei schlucken,
Flasche weg, fertig. Auf Wunsch einer älteren Dame wiederholte er
diese Sache nach 5 Minuten gleich noch einmal und ich habe mich
dabei besonders bemüht, einen Trick, eine Abnormität oder
wenigstens eine erklärbare Spur für die Vorgehensweise zu finden,
aber nichts da.

Haben Sie gehört, wer wieder in der EU den Zahlmeister spielen soll?
Die Spanier, Engländer, Franzosen, Italiener und Holländer wehren
sich dagegen, höhere Beiträge in die EU-Kassen zu zahlen, aber die
doofen Deutschen sollen da wieder die Löcher ausgleichen, die die
neuen EU-Staaten reinreißen. Dass so was kommen musste, das war
doch jedem schon vor dem Beitritt dieser Staaten klar und da hätte
man sagen müssen, ihr kommt nur dann in die EU, wenn ihr
zumindest in den ersten 25 Jahren nichts aus den EU-Kassen fordert,
da ihr selbst ja auch bislang nichts eingezahlt habt in diese Kassen.
Eine Gemeinschaft, die nur den Zweck verfolgt, die wirtschaftlichen
Fehler finanziell auszugleichen, die die dortige Politik 50 Jahre lang
gemacht hat, ist keine Gemeinschaft, darauf sollte man lieber gleich
ganz verzichten! Aber ausgerechnet diese Länder reißen jetzt mit
endlosen Forderungen das Maul auf, das hier die alten EU - Länder
für die Fehler aufkommen sollen, die diese Länder selbst zu
verantworten haben. So stehlen die sich auf Kosten anderer aus der
Verantwortung. Das ist ein wenig ähnlich, wie mit der
Wiedervereinigung 1989, die ja auch wirtschaftlich nur auf unsere
Kosten ging und das bis heute. Die hatten 40 Jahre lang Mist gebaut
und verlangen dann noch mit einem Unterton der
Selbstverständlichkeit, dass wir diese Fehler bezahlen. Es ist immer
leicht, selbst die Hände in den Schoß zu legen und Forderungen an
andere zu stellen und denen vorschreiben zu wollen, welche
Rechnungen die zu begleichen haben. Aber zu einem solchen Akt der
Dummheit gehören immer Zwei. Einer der fordert und einer, der sich
darauf einlässt. Deshalb verstehe ich es nicht, wieso sich unsere
Regierung das gefallen lässt und solch einen wirtschaftlichen
Selbstmord mitmacht. Selbstmord ist das in mehrfacher Hinsicht.
Zuerst päppeln die diese Länder mit unserem Geld hoch, wenn die
dann auf eigene Beine kommen, machen die von diesem Geld, was sie
von uns haben, uns hier die Arbeitsplätze kaputt in dem sie dafür
sorgen, dass dort neue Billigfirmen entstehen, wohin dann von hier die
Produktion verlagert wird. Manchmal sage ich, die EU hätte gut daran
getan, die altbewährte Größe unantastbar weiter zu behalten und erst
gar nicht diese ganzen Erweiterungsdinge ins Rollen gebracht. Denn
jetzt kommen alle, die kassieren wollen und melden sich auch noch,
wollen ebenfalls Mitglied werden, siehe Türkei. Das fehlt noch!
Übermorgen kommt noch China und den Ländern Lateinamerikas und
Afrikas geht es ja noch viel schlechter, also wollen die sicher auch
noch Mitglied in der EU werden, so abstrus es auch klingen mag, weil
sie weitab vom Gebiet Europas liegen. Die Türkei gehört doch gar
nicht mehr richtig zu Europa, ich meine geographisch, also haben die
auch nichts dort verloren. Es ist schon schlimm genug, dass viele
bankrotte Oststaaten nun die EU-Kassen plündern, ohne selbst je
einen Beitrag geleistet zu haben, aber wenn jetzt noch weitere extrem
finanzschwache Staaten hinzustoßen, dann gute Nacht. Man sollte sich
wirklich langsam überlegen nach Amerika oder Kanada zu ziehen.

Jedoch genug der Schwarzmalerei, das Wetter war ja gestern sehr
schön, wenn auch eher etwas kühl und windig für die Jahreszeit;
jedoch heute kommt es nicht so richtig in Fahrt. Ich hatte heute früh
schon zeitig einen ausgedehnten Spaziergang im Kräherwald gemacht,
als es plötzlich und unerwartet in Strömen zu regnen begann. Warmer
Regen, muss man sagen, aber trotzdem unangenehm, denn ich hatte
vergessen einen Schirm mitzunehmen. Bevor ich zurück am Auto war,
war ich völlig durchnässt. Nun hatte ich mich gerade erst einmal
geduscht und frische, trockene Kleidung angezogen. Also viele Grüße
bis zum nächsten Mal,

Ihr

Egbert Lappenkeuler


Beitrag 2

Lappenkeuler - Brief / Email „Briefmarken" vom 17.06.2005

Frische Grüße.

In meiner vorangegangener Email hatte ich Ihnen davon berichtet,
dass ich 11 Briefmarken-Sammelalben geschenkt bekommen habe,
über deren Wert oder Unwert völlige Unklarheit herrschte. Der
Bekannte, der mir die Dinger schenkte, ist selbst im Glauben, sie seien
wahrscheinlich nicht viel wert, da er entsprechende Äußerungen
machte. „Vielleicht hast du Glück und sie sind noch 150 Euro wert.
Wenn du Pech hast auch nicht, aber mehr als 50 Euro ist's bestimmt
wert.", sagte er. Der hat aber von so was noch weniger Ahnung als ich
und noch viel weniger Lust, als ich, sich darum zu kümmern. Getreu
dem Motto, dass Fragen ja nichts kostet, außer Zeit und in diesem Fall
etwas Lauferei, habe ich mich dann doch entsprechend dem Vorschlag
von Frau Gneisenau, dieser ehemaligen Gymnasial-Lehrerin, einmal
auf die Suche nach solchen Philatelisten-Fachgeschäften gemacht. Bei
dieser Suche stieß ich als erstes auf den Briefmarken-Sammelverein.
Das ist ein Dachverband und der ist selbst nicht gewerbsmäßig
organisiert. Dort sprach ich mit einem Herrn Kube und der wollte
mich zuerst gleich als neues Mitglied begrüßen, diesen Zahn habe ich
ihm aber sogleich wieder gezogen und ihm erklärt, worum es mir
geht. So ernüchtert blieb er aber trotzdem freundlich und erläuterte,
dass er oder sein Dachverband selbst keine Expertisen, wie die das
nennen, anfertigen dürften, obwohl man in Mitgliedskreisen über
genügend qualifizierte Leute dafür verfügen würde. Bewertungen
ohne Expertise gebe es zwar von diesen Fachleuten, aber nur unter
Mitgliedern, da dies dann nicht als Geschäftstätigkeit sondern
Befassung mit dem Fachgebiet gelte. Dafür extra Mitglied werden
lohnt sich für mich nicht, zumal die Mitgliedsgebühr bei stolzen 196
Euro pro Jahr liegt und mich dieses Gebiet eigentlich nicht wirklich
interessiert. Aber von dem gab es dann eine Liste mit Adressen von
Sachverständigen und eine weitere mit Handelsfirmen und
Fachgeschäften hier im Umkreis, die in der Regel auch Bewertungen
vornehmen. Zunächst meinte er, ich habe Glück, da der Raum
Stuttgart in dieser Hinsicht ein Paradies sei, mit sehr vielen Sammlern
und entsprechend vielen Fachleuten und Fachgeschäften. Er wies aber
auch darauf hin, dass die wahrscheinlich alle Bewertungen nur gegen
Gebühr machen, also nicht umsonst. So bin ich dann, bepackt mit
meinen möglichen Reichtümern, direkt zum ersten Haus auf dieser
Liste gefahren. Vorne ein alter, enger, düsterer Laden, der aber nur als
Durchgang, quasi wie ein Hohlweg, zu einem großen, hellen und
hohen modernen Geschäftsraum dient, der durch Überbauung eines
kompletten Innenhofs mit einem Glaskuppeldach entstanden ist. Ein
schöner, heller Raum, der fast ein wenig an ein Hallenbad oder eine
eingelaufene Hauptbahnhofs-Halle mit Glaskuppel erinnert. Ein alter,
krumm gehender Herr mit Krückstock nahm sich meiner an. Als er
meine 11 Alben sah, schlug er schon die Hände über dem Kopf
zusammen. Er meinte, es sei üblich, dass einzelne Marken oder Serien
von Marken zur Bewertung angeliefert werden, aber gleich solche
ganzen Alben, das würde sehr teuer, da er ja, um einen ehrlichen Wert
angeben zu können, sich jeder einzelnen Marke annehmen müsse. Das
wäre bei dieser Vielzahl eine Aufgabe von mehreren Wochen, wenn
nicht Monaten. Als er dann kostenmäßige Zahlen unterbreitete, war
ich schneller wieder aus dem Laden, als man die Türklinke
niederdrücken konnte. Er nannte einen Pauschalpreis für alle Alben
zusammen von sage und schreibe 3.500 Euro, wohlgemerkt nur für die
Bewertung und die sei dann noch ohne Gewähr und ohne schriftliche
Expertisen, da für eine intensiv-genaue Bewertung noch mehr
Zeitaufwand erforderlich sei, der die Kosten sogar auf mehr als das
Doppelte hochtreiben würde. Stellen Sie sich einmal vor, über 7.000
Euro und Sie haben im Prinzip keinen Gegenwert dafür, nur jemanden
der sagt, Ihre Marken sind Schrott oder dies und das wert.
So bin ich dann zum nächsten Briefmarkenfachmann auf der Liste
gefahren. Renate und Karl Schwarz, Briefmarken-Consortier, was
immer Consortier heißen mag, ich habe das zuvor noch nie gehört.
Auch hier ein kleiner Laden, der aber innen klein blieb und nicht nach
hinten in überproportionalen Protz - Geschäftsräumen mündete, der
mehr den Charme eines alten Büros verströmte. Es roch nach alten
Akten. Ich weiß, man kann den Geruch nicht beschreiben, aber waren
Sie schon mal früher, vor 30, 40 Jahren  in Behörden? Dort roch es
damals genauso, nach altem Aktenpapier. Ich stand da, wie ein
dummer Junge, der auf Bonbons wartet, denn der Laden war leer,
keine Bedienung, kein Chef, kein gar nichts. So wartete ich vielleicht
5 Minuten, dann kam ein vielleicht knapp 50jähriger, großer schlanker
Mann, mit großer Brille. Er entschuldigte sich für die Wartezeit, er
habe gerade zu Mittag gegessen, deshalb habe es etwas gedauert. Es
wunderte mich, dass er in dieser Zeit den Laden einfach offen stehen
lässt. Man hätte ja alles raus schleppen können. So erklärte ich ihm
mein Ansinnen. Mit kritischem Blick, der langsam über den oberen
Rand seiner riesigen Brille schweifte, betrachtete er die 11 Alben.
Zuerst nur äußerlich. „Ich erwarte nichts Gutes.", sagte er. „Leute, die
in solchen Alben sammeln, sind meist nur Gelegenheitssammler ohne
nennenswerte Kenntnisse von der Materie und meist leider auch ohne
entsprechende Stücke in ihrer Sammlung.", fügte er fast schon
stöhnend hinzu. Er bemerkte sofort, dass ich überhaupt keine Ahnung
von dieser Sache hatte und teilte mir das aber auch zurückhaltend
freundlich gleich mit. Er ließ mich also nicht erst einmal auflaufen,
wie man so sagt, um sich dann an meiner fachlichen Niederlage zu
ergötzen, wie das manche tun. Dann blätterte er von Album Nr. 1 die
erste Doppelseite auf. Mit gelangweiltem Blick tastete er Reihe für
Reihe die dort eingepferchten Marken ab. Dann zeigte er auf eine
hellrote englische Marke von 1957 und sagte, dass die mehr wert
wäre, als alle anderen Marken dieser Doppelseite zusammen. Im
vorliegenden Zustand könne man die jederzeit für immerhin 25 Euro,
mit viel Glück auch für 30 Euro an Sammler weiterverkaufen. Der
Rest dieser Doppelseite brächte zusammen wenn überhaupt etwas,
dann bestenfalls 15 Euro, eher nur 10 Euro, da es zwar schöne Marken
wären, die aber noch reichlich am Markt herumschwirren würden.
Zudem wären einige beschädigt und daher überhaupt nichts wert.
Dann blätterte er weiter zur nächsten Doppelseite. Mit einem Schlag
sprangen seine Gesichtszüge nach oben. Zuerst dachte ich, gleich
wirft er das Album in die Ecke, weil im diese Marken zu
minderwertig für weitere Beurteilungen sind, aber das Gegenteil war
der Fall. Er deutete gleich auf 6 nebeneinander angeordnete Marken,
wieder aus England, die alle das völlig gleiche Motiv zeigten, einen
Damen-Kopf, nur die Hintergrundfarbe war bei jedem Motiv eine
andere. Mal war es dunkelblau, mal rot, mal grün, mal braun, mal
dunkelviolett und die Wertbezeichnungen waren unterschiedlich.
„Vorzüglich!", brumme er, dann weiter: „Diese Marken als komplette
Einheitsserie, das ist selten und dann noch dieser Zustand. Die müssen
sie unbedingt aus diesem blöden Album entfernen, sonst nehmen die
Schaden. Einzelverwahrung! Die sind als Serie so unbedingt 300 Euro
wert und wenn sie einen finden, der die so komplett schon lange sucht,
kriegen sie mit etwas Glück sogar 400 Euro und mit viel Glück 500
Euro dafür." Na sagen Sie, was soll man da sagen? Mir blieb die
Sprache weg. Dann überflog er die restlichen dieser Doppelseite,
zeigte dabei auf einige Marken, die zusammen auch noch etwa 50
Euro wert wären, der Rest dann wieder eher nichts. Dann klappte er
den ersten Sammelband zu, obwohl da noch viele Seiten folgten, warf
einen Blick in den zweiten Band. Gleich auf der ersten Seite fand er
dort auch noch einige halbwegs interessante Stücke, die nach seiner
Meinung zusammengerechnet einen Wert von fast 100 Euro ergaben.
Dann legte er aber dieses Album zur Seite und erklärte mir, dass er
weitere Bewertungen nur, wie in Fachkreisen üblich, gegen eine
Gebühr durchführen würde. Gebührenfrei würde er das nur dann
machen, wenn ich die Stücke über ihn verkaufen würde. So erkundigte
ich mich nach den Gebühren. Er kritzelte dann etwas auf einem
Kassenblock herum, nahm einen Tischrechner zur Hilfe und sagte,
dass er alle zusammen für rund 750 Euro bewerten würde, wenn man
die vereinfachte Form wählen würde. Das bedeutet, dass er nur Stücke
gesondert herausstellt und erwähnt, die mindestens einen Einzelwert
von 10 Euro oder mehr verkörpern. Oder für 1.200 Euro, wenn alle
Stücke herausgestellt würden, die mindestens 5 Euro wert wären. Er
sagte, dass man das bei solchen Mengen in Alben nur so machen
könne, denn wenn er wirklich jede einzelne Marke näher untersucht,
von der man im Anfang schon weiß, dass sie mit Sicherheit unter 5
oder 10 Euro wert ist, dann wäre das soviel Arbeit bei diesen Fluten
von Marken, dass er sich die ja bezahlen lassen müsse. Kann ich
irgendwie verstehen und das alles schien mir deutlich besser und
seriöser, als der unverschämte erste Laden. Da ich nicht die geringste
Absicht hatte, viel Geld für eine Bewertung auszugeben, sagte ich
ihm, dass ich mir das überlegen werde und gegebenenfalls auf sein
Angebot zurück komme. Freundlich wünschte er mir noch einen guten
Tag und reichte mir noch eine Visitenkarte, damit ich ihn bei einem
möglichen Verkauf der Alben nicht vergesse. So packte ich den
Krempel zusammen, nun schon sichtlich besser gelaunt, da immerhin
klar schien, dass ich da doch einen Wert von einigen hundert Euro
geangelt habe. Wenn das mein Bekannter wüsste, von dem ich sie
habe, Sie wissen, den mit dem Umzugsservice und dem
Entrümpelungsdienst, der würde sich doch glatt in den Bauch beißen,
dass er mir die so einfach geschenkt hat. Der war ganz gewiss im
Glauben, die Marken wären alle zusammen etwa 50 Euro wert, denn
sonst hätte der die nicht so einfach verschenkt, dafür kenne ich den zu
gut. Trotzdem hatte ich mir vorgenommen, wenigstens noch 2 weitere
Fachleute von dieser Liste aufzusuchen, um mir deren Fachurteil
anzuhören. So führte mich mein Weg zu einer Firma die sich
Auktionshaus Kluge nannte und wohl ein Spezialist im Versteigern
seltener Marken ist. Na ich kam in deren Geschäftsräume, die weder
so altmodisch noch so verstaubt oder überpompös im Hintergrund wie
die letzten Adressen waren. Ein sachlich-nüchterner Laden mit einigen
angrenzenden Büros, alles zeitlos modern. Mehrere Beschäftigte
lungerten vor ihren Computern an sehr eckigen Schreibtischen. Gut,
Tische sind meist eckig, aber die hier waren besonders eckig, so dass
man schon Angst haben musste, sich daran zu verletzen. Vorne gab es
eine Art Theke für die Kundschaft. Dort wurde ich von einer Frau mit
hoch toupierten blonden Haaren empfangen. Die stark geschminkte
Frau duftete kräftig nach Fliederparfüm und fragte nach meinen
Wünschen. Ich legte die Alben auf die Theke und erklärte ihr, um was
es mir ginge. Dann fragte sie noch mit dem Hauch der
Selbstverständlichkeit: „Aber Sammler sind sie nicht?!" Als ich das
bestätigte, wollte sie wissen, ob ich die Marken zum Versteigern dort
lassen wolle. Ich erklärte ihr, dass ich zuerst einmal etwas über den
Wert erfahren wolle, bevor ich mich dann zu weiteren Schritten
entschließe. Sie ging dann zum Telefon und rief einen Herrn Sacher
an, wie dieses berühmte Hotel in Wien hieß der. Der kam dann. Es
war ein vielleicht 40 Jahre alter Mann mit einem eigenartigen
hellgrauen Anzug gekleidet. Solche Anzüge sah man in den 70iger
Jahren oft bei nüchternen, wenig modebewussten Geschäftsleuten,
seither habe ich keinen mehr gesehen, Buchhalter-Design in heller
Ausführung, würde ich sagen. Ich erklärte dem Sacher also, dass ich
zunächst etwas zum Wert der Marken wissen wolle. Er griff sich dann
wahllos eines der Alben heraus, ich glaube, es war das sechste, die
sind alle durchnummeriert, blätterte darin hin und her. Anfangs lässig
und mit dem Blick einer gewissen Missbilligung. Man konnte seine
Antwort schon aus seinen Gesichtszügen ablesen: völlig wertlos. Er
sagte dann auch so etwas: „Ja Herr Lappenkeuler, wenn das in den
anderen Alben ebenso aussieht, ist das eigentlich alles nicht viel wert.
Hmm..." Dann stockte er, blätterte immer wieder zu einer bestimmen
Doppelseite in diesem Album Nr. 6 zurück, dort muss ihm wohl ein
Stück aufgefallen sein, was aus dieser Menge hervorstach. Dann setzte
er seine Ausführungen fort: „... hmm, wenn ich mir sicher wäre, aber
das muss ich erst noch genau klären, es passt eigentlich nicht zum
Rest, aber es könnte..... Also eine Marke ähnelt einer recht seltenen
aus Uruguay von 1971, aber ich kann es mir nicht recht vorstellen,
weil diese Marke nicht ins Umfeld der restlichen Marken in diesem
Sammelsurium passt. Vielleicht ein Falsifikat, wahrscheinlich sogar."
Dann erfuhr ich, dass diese besagte Marke, sofern es sich um das
seltene Sammelstück handeln sollte, nur deshalb soviel wert wäre,
weil aufgrund einer Fehlbedienung in der Druckerei ein falsches
Konterfei dort abgebildet sei. Irgendwie wären dann aber von diesem
Fehldruck doch ungefähr 500 Marken in Umlauf geraten, die heute bei
Südamerika-Sammlern sehr begehrt wären. Es wurde per Telefon ein
Herr Eppinger hinzugerufen. Ein Wichtigtuer, fand ich. Jedenfalls
dieser Eppinger steckte sich eine Tubus-Lupe ins rechte Auge und
begutachtete die besagte Marke. Dann flüsterte er mit dem Sacher
herum, wandte sich schließlich zu mir: „Für mich ist die echt, mit 99
% Sicherheit. Wo haben Sie die her?" Ich wollte die wahre
Begebenheit nicht gleich erzählen und sagte: „Von einem Bekannten
geerbt." Er machte es spannend und rückte schließlich mit der
Wertangabe um die 450 Euro heraus, wohlgemerkt, nur für diese eine
Marke. Also ich wusste nicht, wie mir geschah und dachte, jeden
Moment klingelt der Wecker und reißt mich aus diesem Traum. Ein
Leben lang habe ich eigentlich nie Glück gehabt, wissen Sie, ich
meine jetzt mit Gewinnen oder so, wenn man einmal vom Gewinn des
Notebooks und der Bekanntschaft mit Kayla absieht, letzteres ist aber
eine andere Sache, die man nicht mit sachlichen Dingen in einen Topf
werfen kann. Jetzt auf einmal prasseln die Euros auf mich nieder,
wenn auch als alte Briefmarken verkleidet, also ich kann das selbst
nicht so recht glauben. Jedoch weiter. Der Herr Eppinger plusterte
sich dann auf und meinte, dass er die gesamten Marken jedoch nicht
überprüfen werde, das sei in dieser Menge nur gegen eine
Bearbeitungsgebühr möglich. Andererseits bot auch er an, die
Bewertung kostenlos zu machen, falls ich die Absicht hege, die
Marken zu verkaufen und diesen Verkauf über die Firma seines
Arbeitgebers abzuwickeln. Auch ihm sagte ich dann, dass ich Zeit
zum Überlegen brauche und mich dann gerne in einigen Tagen wieder
melden würde. Ihm gefiel diese Entscheidung weniger und er sagte
dann ziemlich barsch, dass ich doch kein Briefmarkensammel-Typ sei
und er bei einer kurzfristigen Abwicklung über ihr Institut einen
maximalen Gewinn garantieren könne. Zudem stellte er in Form eines
mächtigen Eigenlobs heraus, dass ihre Firma bei einer Verwertung
auch die Marken mit verwerten und preislich anrechnen würde, die
eigentlich derzeit so gut wie nicht absetzbar wären. Dann versuchte
ich ihm noch speziell aus dem ersten Album die englischen Marken
unterzujubeln, also für eine Bewertung, nicht zum kaufen, damit ich
einen Vergleich bekam, ob die hier mehr zahlen oder ob der Karl
Schwarz großzügiger ist. Das lief aber nicht mehr. Der Eppinger hatte
sich entschlossen, weitere Bewertungen entweder nur gegen Cash
vorzunehmen oder die Masche mit der Verkaufsabwicklung zu
akzeptieren. Eigentlich wollte ich da schon gehen, als der Sacher mich
noch einmal zu sich rüber rief. Er sagte, dass der Eppinger kein
Fachmann für England sei, da könne er mir vielleicht ausnahmsweise
noch 10 Minuten Zeit opfern, mehr aber keinesfalls. Aha, hatte dort
also jeder Fachmann nur sein spezielles geographisch geordnetes
Gebiet, oder so ähnlich. Nun, ich wusste ja exakt, welche
Vergleichsmarken ich dem zeigen konnte. Der Sacher untersuchte die
englische Markenserie, die vom Schwarz vor wenigen Stunden noch
zwischen 300 und 500 Euro taxiert worden war. „Na ich weiß nicht,"
sagte er mit halbinteressiertem Blick, „es ist schön, dass die Serie
komplett ist, aber wir haben genau diese Serie noch einmal auf Lager
in besserem Zustand." Nach meiner Meinung waren die hier aber
völlig einwandfrei, besser geht nicht, das sagte ich dem dann auch.
Dann lachte er leicht und meinte: "Ja, sie sind Laie, aber die Marken
sind auch sehr gut, kein Zweifel, aber man kann vom Stempel kaum
etwas erkennen, zu verwaschen, vielleicht auch weil damals die
Stempeltinte zu trocken war, aber das beeinflusst den Preis leider nach
unten."  Dann wollte ich wissen, was das in Zahlen bedeutet. Mit in
die Hand aufgestützter Kinnlade murmelte er halbleise, dass ich mit
120 Euro für diese ganze Serie mehr als gut bedient wäre, aber dafür
würde er sie sofort annehmen und das Geld in bar auszahlen. Ich
könne aber auch auf einen gesonderten Aufruf bei einer der vielen
Auktionen warten, die von ihnen organisiert werden, dann könne ich
mit viel Glück auch bis zu 200 Euro dafür erzielen, mehr aber
keinesfalls. Hätte ich dabei Pech und es fände sich bei der Auktion gar
kein Käufer, dann würden die später, vielleicht in einem halben Jahr,
noch mal aufgerufen und ich müsse auch solange auf mein Geld
warten, bis sie dann endlich einen Käufer gefunden hätten. Mit diesen
Zahlen als Orientierungshilfe bedankte ich mich und beschloss, es
zuerst noch, wie auch schon geplant, bei weiteren Fachleuten zu
versuchen. Man sieht also, wie groß schon die Unterschiede zwischen
den bisher aufgesuchten Läden sind. Mit diesen Informationen ging es
dann zum nächsten Fachladen auf der Liste. Krause & Wagner stand
dort, ich also dorthin. Außergewöhnlich war dort schon mal, dass am
Eingang zwar ein Schild „geöffnet" hing, aber trotzdem die Tür
versperrt war. So klingelte ich. Als ich schon wieder abdrehen und
gehen wollte, kam aus einer seitlichen Hinterhoftür nebenan ein
Mädchen mit einem rosafarbenen Teddybären im Arm gerannt,
vielleicht 7 oder 8 Jahre alt, und rief mir zu, dass ich durch diese
Hinterhoftür kommen möchte. So machte ich das dann. Dort empfing
mich eine nette Frau, die wohl die Mutter von dem Kind war, sie
fragte dann danach, was ich für ein Anliegen hätte. Ich erläuterte ihr
kurz die Geschichte. Ich fand diese Frau zwar sehr nett, hielt sie aber
auf Anhieb für fachlich völlig inkompetent. Ich dachte mir noch, ich
habe schon kaum Ahnung von Briefmarken, aber die scheint
überhaupt keine Ahnung davon zu haben. Sie erläuterte dann, dass ihr
Bruder, der Herr Wagner, zusammen mit seinem Kompagnon diesen
Betrieb leite. Derzeit sei ihr Bruder aber bei einem Kundenbesuch, der
Herr Krause, was der Kompagnon war, wäre beim Arzt und deren
Angestellte, die Frau Lorch, wäre kurz in die Stadt gefahren und käme
gleich wieder. Also der ganze Laden unterwegs und trotzdem über die
Hintertür geöffnet, sehr seltsame Zustände! Die Frau, also diese
Schwester vom Wagner, bot mir an, in einem Nebenraum zu warten
und mir einen Kaffee zu machen. Eigentlich wollte ich das gar nicht,
aber weil die Frau so nett war, wollte ich das nicht abschlagen. Also
wartete ich, bekam einen vorzüglichen schwarzen Kaffee, nicht zu
stark, nicht zu lasch, wohlschmeckend mit viel Aroma, genau so, wie
ich ihn am liebsten mag. Während ich dort wartete, tänzelte die Frau
öfters mit überfreundlich lächelndem Blick an mir vorbei und im
Stillen dachte ich noch, die wäre noch ein Abenteuer wert. Aber keine
Angst, ich bin ja gut versorgt und denken kann man vieles, was man
nachher wirklich tut, das ist etwas anderes. Nach nur 10 Minuten des
Wartens kam dann die Frau Lorsch. Eine Frau, die man im Bezug auf
Briefmarken gleich als zu jung einstufen würde, sie war vielleicht
gerade mal um die 20. Wissen Sie, Briefmarkensammeln das ist doch
ein Hobby, welches man eher mit älteren, gesetzten Herren und
vielleicht noch mit Schulbuben in Verbindung bringt, wobei die
ersteren die Marken mit Wert und die zweiten die schönen bunten
Bildchen-Marken sammeln. Aber die junge Frau Lorsch schien doch
ziemlichen Sachverstand zu haben. Man täuscht sich eben in nichts
mehr, als wie den Menschen. Nachdem ich ihr mein Anliegen erzählt
hatte, blätterte sie ziemlich schnell die ersten 3 Alben komplett durch,
wobei sie sich zwischendurch immer ein paar Handnotizen auf einem
grünen Block machte. Anhand dieser Notizen blätterte sie danach
noch einmal gezielt zu den einzelnen notierten Seiten und Marken
zurück, verbesserte die gemachten Notizen, überlegte, holte sich ein
dickes Buch, blätterte darin, schaltete dann ihr Notebook ein, stöberte
dort einige Abbildungen und Beschreibungen von Marken auf, die
auch in den Alben enthalten waren, verglich, kritzelte wieder in dem
grünen Block herum. Das klingt alles sehr umfangreich und
zeitraubend, aber für diese ganze Angelegenheit benötigte die Frau
Lorsch vielleicht knappe 30 Minuten, mehr nicht. Dann holte sie aus:
„Um es gleich vorweg zu sagen, die meisten Marken in diesen ersten
3 Alben, sind sogenannte Schichtware, wie sie von großen
Briefmarken-Zirkeln meist in Abonnements vertrieben wird. Die
beliefern vorwiegend wenig sachkundige Sammler, denen es vor
allem darum geht, möglichst viele optisch schöne Marken aus der
ganzen Welt in möglichst kurzer Zeit zu bekommen. Menge statt
Qualität, Masse statt Klasse. Das schließt nicht aus, dass gelegentlich
auch Marken von echtem Wert darunter sind. So ist das hier scheinbar
auch. Ich würde sagen, diese ersten 3 Alben sind komplett, so wie sie
hier liegen zusammengerechnet 400 Euro wert und die würde ich
Ihnen auch anstandslos dafür geben, wenn sie die vollständig hier
lassen." Die Frau Lorsch ging dabei auf keine einzelne Marke speziell
ein, sondern redete immer nur vom Gesamten. Falls ich mit einer
derartigen Abwicklung einverstanden wäre, würde sie dann auch die
restlichen Alben noch bis zum Abend unter die Lupe nehmen und mir
dafür spätestens morgen früh ein Pauschal-Angebot unterbreiten. Das
alles war mir im wahrsten Wortsinn zu pauschal. Ich wollte schon
mehr über die besonderen Stücke dieser Sammlung wissen und vor
allem, mich nicht mit einem zunächst schön wirkenden Gesamtpreis
übertölpeln lassen, wenn ich beim Einzelverkauf wesentlich mehr
erzielen könnte. So ähnlich, aber in schöneren Worten verpackt, sagte
ich ihr das dann auch. „Ach, sie glauben, es befänden sich einige
besonders wertvolle Stücke darunter?", fragte sie dann. Mit einem
kurzen, stichigen JA beantwortete ich ihr diese Frage. „Ich habe da
einige entdeckt, die vielleicht etwas mehr an Ertrag bringen könnten",
fügte sie an, „ aber ich will ihnen nichts vormachen, die Zeiten sind
schlecht und der Markt ist mit diesen Typen von Marken zur Zeit
reichlich befüllt. Daher glaube ich kaum, dass sie wesentlich mehr
erzielen können, höchstens wenn sie sich sehr viel Zeit lassen und jede
einzelne der etwas wertvolleren Marken versteigern lassen. Dann
kommen sie vielleicht innerhalb von 5 Jahren auf insgesamt 800 bis
1.000 Euro für den Inhalt der ersten 3 Alben, die ich nun gesehen
habe. Aber wie gesagt, sie müssten sich dann mindestens 5 Jahre Zeit
lassen, bis dass wirklich für jede einzelne der etwas wertvolleren
Marken ein adäquater Käufer gefunden ist. So für 400 Euro, ach sagen
wir für 450 Euro, wären sie sofort alle Alben 1-3 los, hätten das
schöne Geld gleich zur Verfügung, ich würde die restlichen Alben
auch begutachten und sie brauchten sich mit dem Rest der
Abwicklung überhaupt nicht mehr herumschlagen, wären diese Sorge
los." Einerseits hatte sie sicherlich recht, teilweise jedenfalls, aber für
nur 450 Euro fand ich das Verhältnis doch etwas schräge, wenn ich
mich an die Preise einiger Einzelmarken erinnere, die mir unterbreitet
worden waren. Hätte sie 1.000 Euro für die ersten 3 Alben geboten,
hätte ich das gemacht, vielleicht auch für 900 Euro, aber nicht für 450
Euro. Auch nun folgte mein Spruch, dass ich mir das noch überlegen
werde und dann gegebenenfalls wieder auf sie zurück käme. Dann
kam ein struppig und verwirrt aussehender Mann, schätzungsweise
um die 50 Jahre hereingestolpert. „Tachle, Krause, Krause mein
Name.", sagte er. Ich grüßte zurück, die Frau Lorsch erklärte dem
kurz, um was es hier ging und wie der Stand der Dinge sei. „Ach
bleiben sie doch noch kurz, wenn sie vielleicht noch 15 Minuten Zeit
haben.", meinte der Krause dann. So setzte ich mich wieder. Dann
flog der Krause auch noch mal in Windeseile über die ersten 3 Alben,
nahm Rücksprache mit der Frau Lorsch. „Würden Sie uns diese Alben
in Kommission dalassen?", fragte er. Ich erklärte ihm kurz, dass es
mir zunächst um eine Wertermittlung gehe und ich mich dann nach
einer genaueren Überlegung näher entscheiden werde, wenn ich etwas
verlässliches über den Wert wisse, dass ich aber zumindest
mittelfristig beabsichtigen würde, alle 11 Alben komplett zu
verkaufen. Der Krause bot dann an, die ersten 3 Alben in Kommission
für zusammengerechnet 800 Euro zu verkaufen, das würde aber
mindestens 3 Wochen dauern, bevor er sie zu diesem Preis
losgeschlagen hätte, aber diesen Preis könne er mir garantieren, wenn
ich diese 3 Wochen Zeit investiere. Er selbst würde sie ansonsten
bestenfalls für 500 Euro ankaufen, die wären mir dann aber absolut
sicher und das ohne jedes Restrisiko und sofort bar auf die Hand. Falls
die noch ungeprüften anderen 8 Alben ähnlich bestückt wären, würde
er für das Gesamtpaket, also für alle 11 zusammen, 2.000 Euro geben
oder versuchen, sie in Kommission für 3.000 Euro loszuschlagen.
Natürlich könne er das erst genauer beurteilen, wenn er die Inhalte der
restlichen Alben durchgesehen habe. Das kam mir alles komisch vor
und ich fiel auf meinen Entschluss zurück, zu gehen und
gegebenenfalls später nach reiflicher Überlegung wieder zu kommen.
Wir verabschiedeten uns durchaus freundlich und von seiner Seite mit
der ausdrücklichen Hoffnung, dass wir vielleicht doch bald ins
Geschäft kämen. Als ich rausging rief er noch heiser nach, dass man
über den genauen Barpreis auch noch reden könne, es wären vielleicht
noch 15 % mehr drin. Auf meiner Liste standen noch weitere
Fachgeschäfte und Fachleute, ich beschloss, davon aber nur noch
einen zu besuchen, da ich inzwischen genervt und schlapp war von
dieser ganzen Aktion. So fuhr ich zur Firma Briefmarken - Liebig. Ein
modernes, breites Firmengebäude. Das passte äußerlich gar nicht zum
Thema Briefmarken, man hätte hinter dieser Fassade eher die Büros
einer Fabrik oder so was vermutet. Ein eckiger Zweckbau, 3 Etagen
hoch, vielleicht 40 m breit, in der Moderne der siebziger Jahre,
Klinker mit abgesetzten Beton-Zwischenteilen. Unten am
Haupteingang saß sogar ein Pförtner, der wissen wollte, wohin es
mich trieb. Ich erklärte ihm kurz, dann rief er über eine
Gegensprechanlage einen Herrn Stock herbei, der mich persönlich
dort abholte. Wir durcheilten einen endlos langen Büroflur,
wechselten in einem knallgrün ausgekleideten Aufzug einige Etagen
höher und landeten in einem großzügigen Büro mit Edelholztäfelung
an den Wänden und exakt dazu passenden Büromöbeln aus dem
gleichen Holz. Herr Stock erläuterte mir dann, dass ihr Haus auch
zugleich vereidigter Sachverständiger für Philateliefragen vor Gericht
sei und dass man von ihnen nur sachlich fundierte Beratung und
Wertermittlung erwarten könne. Da dies eine Dienstleistung mit
einem gewissen Arbeitsaufwand sei, könne man das nicht kostenlos
tun. Dann wollte er, soweit noch kostenlos, wissen, worum es mir
genau gehe. Ich zeigte ihm die 11 Alben, inzwischen hatte ich schon
lange Arme, vom ewigen Nachschleppen dieser ganzen Dinger. Er
blätterte etwas stocherhaft darin und meinte, dass wäre so eine Sache.
Er habe darin jetzt schon auf die Schnelle vereinzelt ein paar schöne
Exemplare entdeckt, aber das Gros sei mehr oder weniger Altpapier,
aber gerade dieses Durch- und Miteinander von Wertigem und
Wertlosem mache die Sache schwieriger und teurer, weil man
mühsam Marke für Marke durchkämmen müsse, um nicht einige
unscheinbare Schätze zu übersehen und versehentlich ebenso als
wertloses Zeug zu werten. Als er dann auf die Gebühren zu sprechen
kam, die man dort für diese Bewertung haben möchte, muss ich wohl
meine Gesichtsfarbe verändert haben, denn sogleich beschwichtigte
er, dass es auch eine billigere Lösung gebe. Übrigens betrug die
genannte Gebühr für die komplette Bewertung aller 11 Alben hier
2.400 Euro, bei einer Zeitdauer von 2 Wochen und ohne Anfertigung
von Einzel-Expertisen für die besonders wertvollen Stücke darin! Die
billigere Möglichkeit, die er dann nachschob, war ähnlich dem, was
ich schon anderswo gehört hatte, dass man die Alben zwar durchsieht,
dabei aber nur gezielt die wertvolleren Stücke ab einer bestimmten
Wertigkeitsgrenze herauspickt und ausschließlich nur diese bewertet
und all die anderen ganz außen vor lässt. Das wäre dann sicherlich für
750 Euro möglich, sagte er. Diese Bewertungsgebühr könne auch
dadurch abgegolten werden, dass ihr Institut nach Absprache mit mir
sich dann in diesem Wert entsprechend Marken aus dieser Sammlung
entnimmt, natürlich alles hochoffiziell gegen Quittung und mit
Bescheinigung. So würde mich dann die Bewertung insgesamt am
Schluss geldlich nichts kosten und ich wüsste genau, was der
verbleibende Rest wert ist. Darüber gäbe es dann auch eine
schriftliche Bestätigung, die z.B. in einem Versicherungsfall Bestand
hätte, auch wenn keine besonderen Einzelstücke eigenständig
aufgeführt wären. Sie mögen es ahnen, ich beabsichtige nicht, diese
Alben oder Teile davon zu behalten, wenn ich dafür mehrere hundert
oder gar tausend Euro einstreichen kann. Das Geld ist mir da lieber,
denn die Marken nützen mir nichts, wenn sie bei mir herumliegen, da
ich selbst kein nennenswertes Interesse daran habe. Ähnlich, wie bei
den anderen, bin ich dann auch hier abgezogen mit der Bitte um
Bedenkzeit. Dafür hatte Herr Stock auch vollstes Verständnis und
meinte selbst, dass man in meiner Lage keinesfalls die Sache
übereilen sollte. Er sagte noch: „Sie haben im Prinzip alle Zeit der
Welt, da die wertvollen Marken darunter garantiert nicht weniger wert
werden, eher mehr. Bei den relativ wertlosen, die unter einem
Einzelwert von 5 Euro oder teils sogar nahe 0 liegen, da ändert sich
der Wert in aller Regel selbst über 20 Jahre nicht oder nur kaum.
Somit gibt es keinen Grund zur Eile und sie haben Zeit genug, sich
sachkundig zu machen, es sei denn, sie benötigen dringend Geld oder
haben Angst mit teils wertvollen Marken zu Hause, dass Diebe die
holen kommen." Nun, Angst vor Dieben habe ich ganz gewiss nicht,
denn wer wird schon in meiner spartanischen Wohnung in unserem
einfachen Domizil nach solchen Dingen suchen? Keiner! Zudem ist
unser Wohnviertel zwar keine Nobelgegend, aber trotzdem haben wir
eine recht geringe Kriminalitätsrate, wo Einbrüche und dergleichen
seltener sind, als im Durchschnitt von Stuttgart. So bin ich dann echt
geschafft nach Hause gefahren. Vor lauter Nachschlepperei der Alben
habe ich heute noch Sehnenschmerzen in den Armen.
Zuhause habe ich zusammen mit Kayla dann lange überlegt, wie wir
weiter vorgehen sollten. Trotz der fehlenden Eile hatte ich keine Lust
ohne tieferen Grund länger als nötig auf das schöne Geld zu warten,
was sich mit den Marken einstreichen lässt. Zumal wir durch den
Autokauf das Geld jetzt gut gebrauchen könnten, obwohl es dank
Kaylas Einkommen auch ohne das keine wirklichen Probleme
ernsthafter Natur geben würde. Ein Verkauf ohne solche Fachleute ist
absolut unmöglich und von denen, die ich besucht hatte, schien mir
der Herr Schwarz und die zuletzt besuchte Firma Liebig mit dem
Herrn Stock am kompetentesten und auch am ehesten imstande, für
den höchstmöglichen Erlös zu sorgen, den ich bei einem Verkauf ja
haben will. Auf ideelle Werte kann und will ich dabei keine Rücksicht
nehmen. Und wenn ein kamelreitender Ölbaron sich die Marken
kaufen würde, um sich damit die Zigarre anzuzünden, so wäre mir das
auch egal, wenn er derjenige ist, der am meisten dafür gibt.
Kayla und ich spielten viele mögliche Varianten durch. Wir hätten die
Alben ja auch aufteilen können und einige zur Firma Renate und Karl
Schwarz, die restlichen zur Firma Liebig oder sonst wie. Nach 2
Tagen hatte ich die Unschlüssigkeit satt und entschloss mich, alle 11
Alben zu Renate und Karl Schwarz zu bringen, was ich dann noch am
gleichen Tag machte. Und zwar mit der Bitte um Wertermittlung und
gleichzeitigem, bzw. anschließendem Verkauf. Dankend haben die
den Auftrag angenommen und den Empfang der Alben quittiert.
Zugleich haben die sich ein leichtes Sicherheitssystem ausgedacht,
damit auch der Einlieferer, also ich, eine kleine Kontrolle über das hat,
was er dort abgegeben hat. Herr Schwarz hat alle Seiten aller Alben
durch einen Farbkopierer gezogen und mir diese Kopien von sich und
mir unterschrieben gegeben. Das dient dann zumindest als Kontrolle,
dass keine Marke unterschlagen werden kann. Ich muss ehrlich sagen,
ich war inzwischen so konfus, auf eine Kontrollidee wäre ich gar nicht
gekommen und hätte die Alben auch so dagelassen, was natürlich
wirklich dumm und gefährlich gewesen wäre, denn wer kann als Laie
schon einzelne von einigen tausend Marken im Gedächtnis behalten?
Wie schon erwähnt, sagte Herr Schwarz, dass die Bewertung aller
Marken mindestens 2-3 Wochen in Anspruch nehmen wird, wenn man
die zweifelsfrei ganz billigen weg lässt. Trotzdem rief mich die Frau
von Herrn Schwarz, die Renate Schwarz, schon einen Tag später
abends gegen 19 Uhr an, um mitzuteilen, dass ihr Mann das erste
Album bereits komplett durchgearbeitet hätte und alleine dieses sei
insgesamt über 1.200 Euro wert! Dieser Gesamtwert wird zu 1.100
Euro von rund 15 Marken erzeugt, die sich in der großen Menge von
über 500 Marken in diesem Album Nr. 1 befinden. Sie können sich
vorstellen, wie begeistert wir waren und dass wir vor Freude quer
unter der Decke gehangen haben. Alle restlichen Marken aus dem
Album Nr. 1 zusammengenommen belaufen sich auf einen
Gesamtwert von 100 Euro. Das ist natürlich auch Geld. Wir haben das
dann so vereinbart, dass Herr Schwarz uns diese Sachen zunächst für
den Wert abkauft, den er ermittelt hat, er versucht sie dann aber für
einen höheren Wert zu verkaufen. Falls dies innerhalb von einem Jahr
gelingt, teilen wir uns später die Summe, die sein Verkaufserlös höher
liegt wie folgt auf: er behält 70 % des höheren Erlöses, der über dem
uns bereits gezahlten Betrag liegt und wir bekommen 30 % von dem
Betrag, die der Verkaufserlös höher liegt. Das klingt zunächst
ungerecht, ist es aber nicht, denn er hat ja die ganze Arbeit damit und
genaugenommen brauchte der uns ja gar nichts mehr zahlen, wenn er
sie einmal von mir abgekauft hat. Und bekommt er binnen eines
Jahres keine davon weiterverkauft, dann haben wir immerhin gleich
das Geld in der vereinbarten Bewertungshöhe und er hat im Prinzip
dann noch nichts daran verdient, es geht also eigentlich auf sein
wirtschaftliches Risiko. Verkauft er sie erst nach über einem Jahr
teurer, so bleibt es komplett sein Gewinn. Es wird aber ausdrücklich
ausgeschlossen, dass er die absichtlich herumliegen lässt, nur um über
diese Einjahresgrenze zu kommen, damit er vom Zusatzgewinn nichts
mehr abgeben braucht. Er ist jedoch Fachmann und wird nicht so
dumm sein, uns für Marken viel Geld zu geben, von denen er sich im
Unklaren ist, ob er sie überhaupt selbst wieder jemals zu diesem Preis
verkaufen kann.
Also ganz im Klaren, solch eine plötzliche Wendung meiner
Finanzlage hätte ich im schönsten Traum niemals erwartet. Ich habe
schon zu Kayla gesagt, dass sie davon bloß nichts meinem Bekannten
erzählen soll, von dem ich diese Alben geschenkt bekommen habe,
der sie sogar schon fast wegwerfen wollte, bevor ich ihm als
möglicher Abnehmer eingefallen bin. Ich kenne den schon seit 20
Jahren oder so, und von sich aus wird der nie wieder nach den
Dingern fragen und denken, ist gut, dass ich die bei dem los geworden
bin. In dem Glauben wollen wir ihn auch lassen. Würde er jetzt aber
erfahren, dass ich damit noch über 1.000 Euro, wahrscheinlich ja noch
viel mehr, je nach dem, was in den Alben 2 bis 11 zu Tage tritt,
verdiene, dann wäre er eingeschnappt, beleidigt, vor Neid grün und
blau anlaufen, würde wochenlang nicht mehr mit mir sprechen,
vielleicht sogar die Sache zurück verlangen, wie auch immer, aber so
in diese Richtung würde er reagieren. Geschenkt ist geschenkt und da
sehe ich es nicht ein mir das wieder entreißen zu lassen, nur weil man
zu spät bemerkt, dass das Geschenk doch tatsächlich einen Wert hat.
Andererseits will ich auch unnötigen Zank mit ihm vermeiden, weil
wir uns immer gut verstehen, also sage ich lieber gar nichts und alles
läuft weiter seinen gewohnten Gang. So richtig verstehe ich das ja
selbst alles noch nicht und glaube schon ständig, im falschen Film zu
sein. Ich werde Ihnen in jedem Fall berichten, wie die Sache mit den
restlichen Alben weiter geht, sobald ich näheres darüber weiß.
Vielleicht ist deren Inhalt ja wertlos. Allerdings im Album Nr. 6
schlummert ja noch diese seltene Uruguay - Marke und da bin ich
gespannt, wie diese von den Schwarzs bewertet wird.

Sie sehen, alleine diese Briefmarkenangelegenheit erwächst zu einem
wahren Roman. Aber wann hat man schon mal das Glück, einen
solchen Fang zu machen? Ich lasse mich schon seither täglich von
Kayla zwicken, um zu prüfen, ob ich nicht doch träume.

Ansonsten verbringe ich nun viel Zeit damit, den als Garage genutzten
Geräteschuppen umzubauen, wie vor einigen Wochen schon
angedeutet. Das kostet viel mehr Zeit, als ich dachte, weil der
Schuppen vom Material her doch nicht mehr so gut ist, wie ich
geglaubt hatte. Es war geplant, die rechte, seitliche Außenwand
komplett rauszureißen, die Dachteile abzustützen und mit dem
Restholz vom Bauhof zu verlängern und ebenso mit Restholz die
Seitenwand neu zu errichten, alles gegründet auf hier und da
eingebrachten kleinen Betonfüßen, die ich in gegrabene Löcher gießen
wollte. Schon beim Abbau der Außenwand zeigte sich, dass besonders
von den Hölzern der Dachkonstruktion über die Hälfte faul sind und
nicht weiter verwendet werden können. Also mit einfach verlängern
ist dort nichts machbar. So habe ich mir vom Bauhof in der
Zamenhofstraße wesentlich mehr Holz geholt, als ursprünglich
geplant. Aber das ist ja kein Problem, weil es mich außer der Arbeit
und dem Transport nichts kostet und den erledige ich mit dem Ford-
Transit von meinem Bekannten. Ich muss ihm dafür nur 15 Euro zum
Nachtanken geben. Die in der Zamenhofstraße sind froh, so das Zeug
nicht selbst entsorgen zu müssen. Die Hölzer sind alle gebraucht, teils
auch schon 10 Jahre alt, aber noch sehr gut erhalten. Lediglich sind sie
mit einem Holzschutzmittel getränkt, welches heute nicht mehr
zugelassen ist und sie durften deshalb bei der Stadt nicht
wiederverwendet werden. Mich stört das nicht, eher im Gegenteil. Die
alten Holzschutzmittel schützen noch besser vor Schimmel und
Schädlingen im Holz, als heute diese ganzen biologischen
Ersatzmittelchen und ich habe nicht vor, mich später lange in dem
Garagenschuppen aufzuhalten. Es soll ja nicht mein zweites
Wohnzimmer werden. Ich glaube auch nicht, dass Ausdünstungen
davon dem Inneren des Autos ernsthaft etwas anhaben können, so
dass man dann diese Dünste später immer beim Fahren im Auto hat,
weil man ja im Auto doch stets kräftig lüftet und diese Dünste so nach
wenigen Kilometern Fahrt weg sind. So habe ich mir mehr lange
Balken mitgebracht, als geplant und inzwischen schon das ganze Dach
komplett neu gebaut. Das war eine Heidenarbeit, zeitweise hat Kayla
mir sehr gut geholfen. Man glaubt gar nicht, wie stark so ein filigranes
Fräulein sein kann. Alle alten Dachhölzer habe ich entfernt und auf
einem Scheiterhaufen verbrannt. Das gab schon einigen Ärger, aber
ich hatte keine Lust, dieses faule Zeug auch noch weg zu fahren. Es
hatte keinen Zweck, beim Dach noch zu sortieren, welche Hölzer
durch Verlängern noch brauchbar wären und welche nicht, da die
meisten ohnehin zu schlecht waren. So habe ich nach dem Vorbild der
alten Konstruktion, die ja sehr einfach war, das Dach ganz komplett
neu angefertigt, nur eben entsprechend größer. Dieses Dach musste
ich dann an der fehlenden Wandseite zunächst mit provisorischen
Stützbalken abstützen und unterfangen, bis dass die neue Seitenwand
fertig ist. Anstelle von kleinen Dachpappeschindeln und
Dachpappestücken habe ich die obere Schicht der Deckhölzer vom
Dach mit solchen langen Bitumenbahnen überlappend bezogen. Das
ging viel schneller und ist dichter, weil es weniger Übergänge gibt,
zwischen die sich später Wasser drängen kann. Der einzige Nachteil
war, dass ich dieses Zeug auf eigene Rechnung im Baumarkt kaufen
musste. Zum Glück war es in einem Baumarkt gerade für nur 6,49
Euro die große Rolle im Sonderangebot. Mit nur 2 Rollen bin ich
ausgekommen und habe sogar noch eine viertel Rolle über. Derzeit
werkele ich an der neuen Seitenwand, nachdem ich die schon
erwähnten Fundament-Füße aus Beton am letzen Freitag gemacht
hatte. Ein Herr Jarczinzki, aus dem Nachbarhaus, ein arbeitsloser
Maurer, meinte schon, als Fundament wären diese Betonfüße zu klein
und vor allem nicht tief genug im Boden. Aber der soll sich um seinen
Kram kümmern. Für dieses einfache Ding von Garagenschuppen
reicht das und der Wind wird's schon nicht wegblasen. Die alten Teile
waren ganz ohne Beton im Boden fest, einfach mit verlängerten
Latten, an denen teils Eisenspitzen befestigt waren, in den Boden
gerammt und sie sind so 35 oder 40 Jahre stehen geblieben. Die Wand
hält relativ lange auf, weil ich zuerst eine Art kompletten Holzrahmen
dafür neu errichten muss und zwischen dessen Rahmenbalken dann in
mühevoller Kleinarbeit die Holzlatten nageln muss, die ich ebenfalls
vom Bauhof als Gebrauchtholz kostenlos organisiert habe. Das ist
nicht kompliziert, aber sehr zeitraubend. Wenn die drauf sind,
bekommen diese Latten einen Überzug aus langen Bahnen von
Teichfolienresten, die ich ebenfalls beim Bauhof kostenlos abstauben
konnte. Dadurch wird diese Wand dann auch wasserdicht. Ich weiß
nur noch nicht, wie ich diese Teichfolienbahnen auf dem Holz ans
Halten kriege, ob ich sie einfach dran nagle oder mit einem Tacker
draufschieße oder ob man darauf auch kleben kann. Dafür wird sich
eine Lösung finden. Wenn das dann fertig ist, muss ich noch ein neues
Einfahrts-Tor für den Schuppen basteln und es einpassen, dann ist die
Kiste fertig. Durch die Briefmarkenrennerei und meinen neuen
Nebenjob mit der Auslieferung der Fußarznei bin ich in den letzten
Tagen leider nicht mehr richtig weiter gekommen, aber noch heute
will ich an der besagten Seitenwand weitermachen. Ich hoffe, dass ich
den Schuppen in knapp 3 Wochen fertig habe, sofern das Wetter mir
keinen Strich durch die Rechnung macht. Im Regen arbeite ich daran
nicht weiter.

Soll man im Leben etwas überstürzen? Meine Lebenserfahrungen
sagen nein! Trotzdem hat mich nun mein Autobekannter, von dem ich
Ihnen schon öfters erzählte, eingeladen zu seiner Hochzeit. Ich höre
Hochzeit und denke mir, das kann doch gar nicht sein, aber es ist wohl
so. Der war schon seit ich den kenne eigentlich mehr solo und hat vor
knapp 2 Monaten eine Griechin kennen gelernt, die eigentlich eine
deutsche Griechin ist. Das heißt es ist eine Deutsche, die sogar in
Deutschland geboren wurde, aber deren Eltern sind Griechen und sie
hat auch einige Jahre ihres Lebens in Griechenland verbracht.
Manchmal habe ich den Eindruck, die ganze Welt verwächst immer
mehr miteinander und was noch vor 50 Jahren alleine schon wegen
der Entfernungen völlig undenkbar gewesen wäre, passiert heute im
Alltag. Aber 2 Monate sind nicht wirklich eine lange Zeit und ob man
da schon heiraten sollte, also ich würde abraten, auch wenn es mir
eine nette Frau zu sein scheint. Aber der Autobekannte ist da
überglücklich, obwohl die Umstände, unter denen die sich kennen
lernten, anfangs alles andere, als gute Voraussetzungen waren und
damals hätte kein Schwein auf dieser Welt geglaubt, dass das jetzt so
enden wird. Der Autobekannte hatte nämlich einen Kundenwagen aus
seinem Hinterhof rausgefahren, auf einen Parkstreifen vorne an der
Straße, damit ihn sein Kunde dort fertig repariert abholen konnte. Die
Griechin, also seine heutige Freundin, kam mit ihrem uralten Fiat-
Panda und wollte mit Schwung in der Parklücke hinter diesem
Kundenwagen einparken. Hat sie auch gemacht, aber dabei einigen
Blechschaden an diesem Kundenfahrzeug angerichtet. Sie können sich
vorstellen, in welcher Zwickmühle sich mein Bekannter da befand,
denn er hatte die Obhut über das Kundenfahrzeug und den Auftrag es
zu reparieren und dann wird es so demoliert. Peinliche Situation und
zunächst entbrannte wohl auch ein Streit zwischen der Griechin und
meinem Bekannten, weil die den Standpunkt vertrat, dass er wohl
schuld sei, weil er zu wenig Platz zur freien Parklücke gehalten hätte.
Nun hatte er ja gar nichts gemacht, der Wagen war bereits von ihm
verlassen dort abgestellt und ragte auch nicht in die andere, freie
Parklücke hinein. Wenn sie im Glauben war, die Lücke sei für ihren
Wagen zu klein, dann durfte sie eben nicht einparken. Aber Sie
kennen das ja, Frauen entwickeln da so ihre eigene Logik und notfalls
war die ungünstige Mondphase, eine eingelaufene Parklücke, die
gestern noch viel größer war, schlechtes Thai-Chi oder der Klöckner
von Notre Dame daran schuld, nur sie selbst nicht. So wurde etwas
heftig diskutiert, aber mein Bekannter, der sonst nicht auf den Mund
gefallen ist, bemerkte wohl irgendwie eine Sympathie für die Frau und
ihr ging es ähnlich und anstatt sich weiter zu streiten, beschloss man,
sich erst einmal zu einem Kaffee zusammenzusetzen und die Sache
sachlich ruhig auszudiskutieren. Dabei haben die dann irgendwann die
verbeulten Autos ganz vergessen und so weiter. Die griechischen
Frauen sind ja sehr bekannt für ihren versteckten Hang zur gekonnten
Erotik, ohne jetzt damit irgendwelche Klischees bedienen zu wollen.
Dabei, man muss es sagen, ist diese Frau auf den ersten Blick nicht
sonderlich hübsch und äußerlich nicht gerade der Typ, der einem so
leicht den Kopf verdreht. Hässlich ist sie allerdings auch nicht,
keinesfalls, aber eher der Typ graue Maus. Aber die grauen Mäuse
sind ohnehin meist die Besten, wie die Erfahrung zeigt. Sie ist
schlank, vielleicht 1,65 bis 1,67 m groß, schwarze lange Haare,
kleinbusig, es klingt komisch, ist aber so - sie verfügt über auffallend
dünne Arme und hat wohl größere Augenprobleme, da sie eine Brille
vom Typ Thermopaneglas trägt, also mit dicken, mehrschichtigen
Gläsern, wie bei Isolierfenstern. Sie trägt fast immer dunkelblaue
Kleider, was heute ja eher selten ist, meist haben die Frauen ja heute
auch Hosen an, wie beispielsweise meist auch Kayla. Optisch ist sie
auf den ersten Blick wirklich sehr unscheinbar, hat aber eine sehr
angenehme Art zu sprechen. Wissen Sie, manche Frauen kreischen
wie eine Säge wenn sie reden, andere versuchen sich einen
abzubrechen, um möglichst eine perfekte Betonung hinzukriegen, aber
diese Griechin, die übrigens perfekt Deutsch spricht, die umsäuselt
einen mit Worten, wie ein sanfter Sommerwind, sage ich immer.
Nicht dass Sie jetzt glauben, ich hätte mich auch in die verschossen,
neinnein, ich bleibe bei meiner Kayla, daran ist nicht zu rütteln. Den
Bekannten hat's also kräftig erwischt und seit diesem Tag kleben die
beiden wie die Kletten aneinander. Ich finde das schon übertrieben.
Ich mag Kayla auch sehr, aber dass ich sie, wie die Haare auf meinem
Kopf, immer und überall auf Schritt und Tritt dabei habe, das wäre
mir dann doch zu arg, das würde aber auch Kayla selbst nicht auf
diese extreme Weise wollen. Selbst in seiner Werkstatt weicht die
kaum von seiner Seite, fliegt immer um den herum, wie eine Biene um
den Honigtopf. Nun ja, und jetzt ist Hochzeit, nach nur 2 Monaten.
Das kann gut gehen, aber ich weiß nur zu gut, wie schnell sich
Menschen und wie schnell sich Beziehungen ändern können. Sie
wissen von meiner ersten Frau, also ich wäre da sehr vorsichtig und
würde den beiden lieber zu einer wenigstens ein- bis zweijährigen
Probezeit raten. Das ist zwar auch kein Garant, aber 2 Monate, was
weiß man nach 2 Monaten über einen anderen Menschen? Nichts, fast
nichts. Um es offen und vulgär zu sagen, die sind in den beiden
Monaten doch aus dem Bumsen nicht raus gekommen, in jeder freien
Minute wird genagelt, was das Zeug hält und dabei macht man zwar
so manch schöne Erfahrung, aber gewiss nicht die, die ich jetzt meine,
auf die es aber dann in ein paar Jahren ankommen würde. Ich vertrete
mehr den Standpunkt, dass man sich vor diesem sehr gewagten Schritt
mindestens 2 Jahre oder besser mehr genau kennen sollte, sofern man
ihn heute überhaupt noch machen will. Das ändert ja gar nichts daran,
dass man diese Bumsgeschichten trotzdem machen kann. Es gibt
immer noch Gründe, die dafür sprechen zu heiraten, aber es gibt
mindestens eben so viele, die dagegen sprechen. Anfangs geht man ja
immer davon aus, dass alles glatt geht und die gegenseitige Zuneigung
in voller Höhe erhalten bleibt, aber es ist besser, sich schon am
Anfang mal vorzustellen, ob man mit dieser Frau auch dann noch
zusammenleben möchte, wenn die gegenwärtige Zuneigung auf nur
die Hälfte abgesunken ist. Kann man dann immer noch ohne jeden
Zweifel ja sagen, kann man diesen Schritt zur Heirat wohl auch
machen, aber sonst lieber nicht. Ich habe natürlich gut schwätzen,
mich hat es ja so nicht erwischt, obwohl ich ja eigentlich mit Kayla in
einer ähnlichen Situation lebe. Gut, im Gegenzug kann man vielleicht
sagen, wenn Kayla mir sozusagen die Pistole auf die Brust setzen
würde, und verlangen würde, entweder Heirat oder sie geht, dann
würde ich sie wahrscheinlich sogar heiraten, obwohl ich dabei mit
Sicherheit nicht die treibende Kraft wäre. Jedoch nachdem wir das
Thema schon einige Male ausführlich besprochen haben, ist es derzeit
für uns eigentlich gar kein Thema mehr. Wäre es so, dass Kayla
schwanger würde, gut, dann wäre es für mich gar keine Frage, ich
würde sie dann sofort heiraten, auch wenn das heute altmodisch
klingt, aber wir legen es dank moderner Verhütungsmittel nicht darauf
an. Heiraten war mal besonders aktuell, als Kayla Gefahr lief
ausgewiesen zu werden, weil zu der Zeit die ganze Geschichte mit
ihrem Aufenthaltsrecht in Deutschland noch nicht geklärt war. Da
hätte ich sie alleine aus diesem Grund notfalls geheiratet, aber diese
Sache hat sich anderweitig zum Guten gewendet und sie darf
hochoffiziell in Deutschland bleiben, sogar mit der langfristigen
Aussicht Deutsche zu werden. Ich habe den Eindruck, dass die
Griechin meinen Bekannten sehr auf diese Hochzeit drängt, weil sie
sich schon ewig einen Mann fürs Leben gewünscht hat, aber ich weiß
es nicht sicher. Nun, wir werden heute abend auf diese Hochzeit
gehen, als Gast, zumindest für einige Stunden und insgeheim hoffe
ich, dass Kayla dort dadurch nicht auf den Geschmack gebracht wird,
auch unbedingt solch eine Hochzeit haben zu wollen, nur weil es alles
so schön feierlich aussieht. Manchmal wirkt so etwas auf Frauen ja
ansteckend, ich vertrete inzwischen bei allen schönen Seiten, die eine
Hochzeit vielleicht haben kann, die Ansicht, möglichst auf diesen oft
sehr folgenreichen Schritt zu verzichten.

Soweit soll es für heute genügen. Es gibt noch viel zu berichten, aber
ich muss noch zu einem entfernten Bekannten, dem ich versprochen
hatte, ihm zu helfen einen sehr großen Wohnzimmerschrank zu
demontieren. Aber das beweist wieder, was ich immer sage, die Leute
stellen sich unüberlegt einen riesengroßen Schrank ins Zimmer, dann
nach vielleicht nur 3 Jahren sind sie das Ding leid, weil es das ganze
Zimmer optisch erdrückt. Ich empfehle lieber kleine Möbel, die
wirken in einer kleinen Wohnung viel harmonischer und da hat man
auch nach 10 Jahren noch Freude dran, weil das Gesamtbild stimmig
ist. Aber jeder will protzen und stellt sich dann so ein Rieseneumel
von Schrank ins Zimmer, obwohl das ganze Wohnzimmer nur 10 m²
groß ist. So was ist doch lächerlich und der Missmut ist
vorprogrammiert. Vor dieser Abbauhilfe graust mir jetzt schon, aber
zugesagt ist zugesagt. Deshalb nun mit abgebrochenen Grüßen,

Ihr

Egbert Lappenkeuler