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Teil 1 von:
Lappenkeuler - Brief / Email „Granada" vom 09.04.2005
Weit gereiste Grüße!
Nun da bin ich wieder, Granada liegt hinter uns, leider, muss ich sagen oder ziemlich leider. Mir hat es dort gut gefallen. Dabei fand ich besonders die ländliche Umgebung im nördlichen Vorland einige hundert Kilometer vor Granada und noch mehr eine andere Gegend, die ich weiter unten erwähnen werde, noch wesentlich reizvoller, als Granada selbst. Ich hatte mir den Ort und die Landschaft dort völlig anders vorgestellt. Granada liegt sehr bergig und hoch, rundum gibt es sehr hohe Berge, damit hätte ich nicht gerechnet. Diese Berge brauchen sich bezüglich ihrer Höhe nicht vor den Alpen zu verstecken, denn unweit von Granada findet man einen, der fast 3.500 Meter hoch ist. Und Sie werden es nicht glauben, auf diesen höheren Bergen gibt es sogar alpinen Wintersport mit Liftanlagen und ähnlichem Zeug, genau wie in den Alpen. Allerdings enden die schneefähigen Gebiete viel früher, als in den Alpen. Oben sind dann die Schneegebiete und vielleicht schon in einer Höhe von 1.500 Metern ist dann Schluss mit Schnee und die karge Heißbergwelt beginnt. Das wirkt recht gegensätzlich und seltsam. Als wir dort waren, war anfänglich in den ganz hohen Regionen sogar noch begrenzt Wintersport möglich und Sie können sich vorstellen, wir dachten, wir wären im falschen Film. Wir selbst sind aber nicht in diese Wintersportgipfellagen gefahren, wozu auch, solches Wetter hatten wir hier genug. In den Normallagen bis etwa knapp unter 2.000 Metern, immerhin, war es wohlig warm und in der Stadt selbst war es an manchen Tagen schon zu warm für Hemden mit langen Ärmeln. Granada ist teils eine schöne Stadt und ganz anders, als das, was man hier so unter Stadt versteht, auch völlig anders, als ich mir diese Stadt vorgestellt hatte. Vor allem ist Granada eine Stadt der Gegensätze. Spitzenklasse ist dort, dass man mit einer natürlichen Gelassenheit an die hektischen Probleme unserer Zeit geht. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, es herrscht keine vernachlässigte Atmosphäre dort, wie man es vielleicht von manch südlicher Stadt erwartet, eher im Gegenteil, alles piksauber und auf eine angenehme Art geordnet. Ein wohliges Klima, aber auch in diesem Punkt relativ anders, als ich erwartet hatte. Das gilt nicht nur in wettermäßiger Hinsicht. Die von mir sehr befürchteten Verständigungsprobleme traten kaum auf. Kayla hatte da überhaupt keine Probleme und selbst ich kam durch meine fehlenden Sprachkenntnisse eigentlich nie wirklich in Not. Verwirrt war ich anfangs über den Hotel-Namen, derweil das Viena heißt, wo ich glaubte, ein Hotel, welches sich nach Wien benennt, gehört wohl kaum nach Granada. Kayla fragte sofort, wieso ich denn da auf Wien komme? Der englische Ausdruck für Wien sei wohl Vienna, also mit 2 N und nicht wie hier mit nur einem. Na was weiß denn ich? Es klang nach Wien und so wurde das von mir angenommen, natürlich hatte Kayla recht, mit Wien hat das wirklich nichts zu tun. Das Hotel war nach unserer Meinung als sehr gut zu bezeichnen, einige andere Mitreisenden sahen das allerdings anders und nörgelten laufend an etlichen Dingen herum, was wir aber für deutlich übertrieben hielten. Besonders das ältere Ehepaar, welches wie wir die Lückenplätze für billiges Geld auffüllte sparte nicht an gehobenem Anspruchsdenken und gab sich weltgewandt, als wäre man von überall her besseres gewohnt, als das hier Gebotene. Die waren überhaupt nur ständig am meckern, hier nicht zufrieden, dort nicht zufrieden. Zum Glück war man, außer im Bus, nicht gezwungen mit diesen Meckerfritzen zusammen zu bleiben. Leider waren die Plätze im Bus fest vergeben und so hatten wir zwar einerseits das Glück, gleich vorne einen Logenplatz rechts neben dem Fahrer zu haben, von wo man schön die Straße beobachten konnte, aber leider war uns die Nörgelfamilie fest in den Rücken auf die Plätze hinter uns gepflanzt worden, wodurch wir deren ständiges Gemaule mitbekamen. Ansonsten begegnete man sich ab und zu im Hotel und dabei standen die fast immer an der Rezeption und beschwerten sich über etwas. Die Beschäftigten im Hotel, die fast alle erstaunlich gut deutsch sprachen, waren uns gegenüber sehr nett, wir konnten es mit denen sehr gut, während dieses Ehepaar durch seine ständige Grunzerei und das anhaltende Genörgel über irgendwelche angeblich unhaltbaren Zustände beim Personal unten durch war. Also ich weiß es nicht, um nur ein Beispiel anzuführen. Wenn man für solch billiges Geld dorthin fährt und im Hotelbad aus dem Heißwasserhahn vielleicht nur 40 Grad warmes Wasser kommt, würden Sie sich dann ständig darüber beschweren, dass dieses Wasser zu kalt wäre? Wozu benötigt man Wasser über 40 Grad in einem Bad? Selbst diese 40 Grad sind zum Zähneputzen und zum Duschen noch zu heiß und man muss Kaltwasser beilaufen lassen, aber nein, diese Flaschenköpfe haben wohl ein Thermometer in den Warmwasserstrahl gehalten und weil es nicht über 40 Grad hinaus kam, wurde sich beschwert und das nicht knapp. Dann waren ihnen die Zimmermädchen angeblich zu frivol gekleidet. Da mag jeder eine eigene Einstellung zu haben, aber ich fand die sauber, adrett und keineswegs frivol. Was ist eine frivole Kleidung? Also dort lief kein Zimmermädchen barbusig herum, auch nicht im Slip oder in sonstiger Unterwäsche. Die Röcke waren zugegebenermaßen nicht überlang, man sah die ausnahmslos hübschen Beine recht gut, aber auch wieder nicht so, dass man daran hätte Anstoß nehmen können. Also einen Durchblick bis in tiefere Regionen gab es bei weitem nicht und man muss nach meiner Meinung schon ziemlich prüde angehaucht sein, um sich darüber zu beschweren. So fanden diese Leute ständig neue Dinge, über die es sich zu beschweren galt. Die erwachsenen Kinder von denen, die auch mitreisten, sahen das alles nicht so eng wie ihre Eltern. Auch daraus entstand im Bus ein ständiger Anlass für Nörgeleien, weil die Kinder Plätze ganz hinten zugewiesen bekamen, während deren Meckereltern uns vorne im Nacken saßen. Die Eltern hätten es gerne gehabt, wenn die Kinder vorne bei ihnen gesessen wären, der Busfahrer und vor allem die Chartergruppe, die ja eigentlich den ganzen Bus gebucht hatte, lehnten das aber ab. Die Kinder, das war ein 21jähriger Sohn und eine 18jährige Tochter. Die Tochter war ziemlich dick und pummelig, hatte aber einen schmalen Kopf, das wirkte wie künstlich aufgesetzt, als würde der Kopf zu einem ganz anderen Körper gehören. Die Tochter machte sich im Speisesaal ständig über alle Kuchensorten her, deshalb wohl auch ihre enorme Leibesfülle, aus der hätte man locker 4 Kaylas machen können. Eigentlich war die pausenlos am Essen. Auch im Bus, zuerst mitgebrachten Kuchen, dann einen Mars-Riegel nach dem anderen, ein paar BiFi-Würstchen, dann wieder Schokoladenzeug und Gebäckwaffeln. Die Tochter hatte eine eigenartige Art zu gehen, nahezu geräuschlos federte sie fast schwebend durch den Flur im Hotel und das bei dieser Masse, es wirkte schon recht komisch. Stellen Sie sich ein hochkant-quer laufendes Wasserbett mit Beinen vor. Der Sohn von denen indes war ein langer, schmaler Lulatsch mit langen schmalen Salzstangenbeinen, etwas unbeholfen wie ein Storch im Salat und sagte gar nichts, deshalb hatte er bei uns bald den Spitznamen „Der Stumme" weg. Mit den anderen Reisenden, die ja eigentlich den Kern dieser Reisegesellschaft ausmachten, hatten wir, außer im Bus, gar nichts zu tun. Einer von denen wollte immer unterwegs in Frankreich schon aussteigen, sowohl bei der Hinfahrt, als wie auch bei der Rückreise. Weshalb, das weiß ich nicht. Diese ganzen Leute wohnten sogar in einem anderen Hotel, welches allerdings von unserem nur 200 m entfernt lag. Das waren Mitglieder einer Firmengruppe, die hier eine Art Fortbildungsmaßnahme hatten. Aber solche Begebenheiten spielen sich auf einer derartigen Reise ja nur am Rande ab, sind Beiwerk. Was mir persönlich an Granada nicht gefallen hat, das ist die ständige Präsenz von einer Art muslimischen Parallelkultur an etlichen Orten innerhalb der Stadt. Die Hauptkultur dort ist zwar fest christlich-katholisch, sogar noch mehr als bei uns, trotzdem stößt man an zig Stellen auf diese muslimischen Dinge. Das hat dort teils auch historische Bezüge, es gibt eine Alhambra genannte Muslimenfestung, also von ganz früher ist die, rein geschichtlich, oder so was, ich habe da nicht so richtig durchgeblickt und das Gemäuer, entgegen allen Anratens von Fremdenführern, nicht besucht, weil mir andere Dinge in dieser kurzen Zeit wichtiger erschienen. Eine Art orientalischer Burg ist das. Also mich nervte in den bestimmten Vierteln dieses muslimische Gehabe dort schon ziemlich, weil es in manchen Stadtteilen überhand nahm. Glauben ist die eine Sache, die für mich keineswegs negativ vorbelastet ist, aber wenn man den Glauben so in jeder Alltagsminute draußen auf der Straße jedem um die Ohren haut, dass es kein Entrinnen gibt, auch dem, der gar nichts damit zu tun hat, z.B. weil er einen anderen Glauben hat und weil er beispielsweise nur als Verkehrsteilnehmer dort durch muss, das stört mich. Auch haben diese Leute ein völlig anderes Verständnis von Lebenskultur, die sie aber jedem mit aufdrängen wollen und, ich muss es so sagen, die mir völlig zuwider ist. Also insgesamt muss die Mehrzahl der Bewohner von Granada, die ja christlich ist, schon recht tolerant sein, um das auf Dauer zu ertragen. Ich glaube, dort könnte ich mich nie wohl fühlen, wenn man ständig so lautstark und präsent von den Moslemleuten belästigt würde. Ebenso gibt es dort Einkaufsstraßen wo nur Muslime oder solche Leute ihre Stände haben. Ich sage es ehrlich, ich würde dort nichts kaufen, weil mein Eindruck war nicht recht geheuer, wie das dort alles ablief und die Preise für den angebotenen Tinnef zu hoch. Nur um ein stellvertretendes Beispiel für viele zu nennen: würden Sie sich eine Kamera - Attrappe kaufen? Wozu soll so etwas gut sein? Es sah aus wie eine normale Foto - Kamera, von weitem jedenfalls, je näher man kam, um so augenfälliger wurde es, dass es nur ein billigstes Plastikimitat ohne jede Funktion war. Dieses sinnfreie Ding sollte dann 12 Euro kosten. Da muss sich doch jeder halbwegs normale Mensch, der noch einen Teil seiner Sinne beisammen hat, verarscht vorkommen und vom Kauf fern bleiben. Unverständlich ist, wieso sich solche Händler dann trotzdem dort halten können und ihr Einkommen finden. Anscheinend gibt es doch noch genug dumme Touristen, die sich von denen ausnehmen lassen, denn die Einheimischen, kaufen generell nichts bei denen. Ich weiß, das klingt alles nach bösen, primitiven Vorurteilen, aus der aller untersten Schublade, aber es sind keine und selbst wenn es welche wären, so träfen sie hier absolut ins Schwarze und wären zu 100 % gerechtfertigt. Wie gesagt, das trifft nicht auf ganz Granada zu, keinesfalls, sondern nur auf diese bestimmten Viertel. Was mir, im Gegensatz zu vielen Touristen, an Granada überhaupt nicht gefallen hat, sind im alten Stadtkern die äußerst engen Gassen und Strassen. Die sind zum Teil so eng, dass sich dort kaum jemals wirklich richtiges Tageslicht ausbreitet und dann gibt es dort einen Kitschladen neben dem anderen. Darunter sind Gassen, die kaum 1,50 m breit sind. Klar, alles ist eine Geschmacksfrage, aber solche alten engen Gassen finde ich fürchterlich, ja geradezu als extreme frühere Fehlplanung und kann Leute nicht verstehen, die das ständig als besondere Attraktion hervorheben wollen. Wissen Sie, viele Leute bewundern an solchen Reisezielen die historische Bausubstanz, die in und um Granada zweifellos auch bewundernswert ist, weil es da sehr viel gibt, aber mich hat vielmehr die hier darüber hinaus recht häufig anzutreffende moderne Architektur fasziniert. Die scheint dort viel offener und freier zu sein, als bei uns in Deutschland. In Deutschland trickst man damit mehr im Verborgenen herum, mal hier ein modernes Bauwerk, mal dort eins, meist in irgendwelchen Stadtrandgebieten und dann noch halb versteckt hinter Bäumen, in einem Privatpark oder so ähnlich. Hier traut man sich mehr, diese Bauten auch dort zu platzieren, wo das Alltagsleben stattfindet. Das halte ich auch für wichtig. Stellen Sie sich bitte einmal vor, wir würden die Kalenderblöcke einfach einmal ein paar hundert Jahre weiter blättern. Da werden wir die Generation ohne eigenes architektonisches Gesicht sein, zumindest in Deutschland, weil in der Mehrzahl entweder alte Bausubstanz gepflegt wird, wie nie zuvor oder weil die Neubauten sich sehr stark an bewährten Mustern orientieren, also auch nichts neues bringen. Zeitgemäße Formensprache, Fehlanzeige; das Gleiche gilt für die Gestaltung von Wänden, Decken u.s.w. Auch die Integration moderner Baustoffe findet kaum statt. Kurzum, es herrscht nahezu Stillstand in der architektonischen Weiterentwicklung unserer Städte. Wir leben in einer Zeit ohne eigenes architektonisches Gesicht. Ich finde es zum Kotzen, dass man überall auf Fachwerkhäuser und ähnliche alte Buden stößt, die zugegeben schön restauriert sind, aber das Zeitgemäße existiert fast gar nicht. Ich plädiere keineswegs für generellen Abriss, aber die Ausgewogenheit fehlt völlig, es existiert fast nur das alte Zeug oder ähnlich gestaltetes. Wäre das in früheren Generationen auch so geschehen, gäbe es genau diese Fachwerkhäuser heute gar nicht, man würde noch in Lehmhütten wohnen. Aber ich drifte zu sehr von der Granadareise ab. Ich habe dort erst so richtig mein Herz für diese modernen Bauten entdeckt. Also wirklich sehenswert. Alte Gemäuer findet man überall, aber moderne Architekturkunst eben nicht und die ist meines Erachtens wesentlich interessanter und wichtiger. Was soll die ständige Beschäftigung mit dem Gehabten? Was die Welt braucht ist eine Weiterentwicklung. Weiterentwicklung ist aber Arbeiten an der Gegenwart für die Zukunft und nicht ständiges Lobpreisen der Vergangenheit. Auch überhaupt die freie und flächige Gestaltung von Plätzen, die trotz aller Bebauung immer noch soviel Luft ringsum übrig lässt, dass man mit wenig erhobenem Haupt immer noch den Himmel am Ende seiner Blicke ins Auge bekommt, das gibt es so bei uns gar nicht. Natürlich immer ausgeklammert die oben erwähnten abscheulichen engen Gassen und Strassen. Bei allem Schönen dort kann man aber sicherlich nicht behaupten, dass ich mich in Granada verliebt hätte, da ist mir, ganz ehrlich gesagt, im direkten Vergleich Stuttgart mindestens 100 mal lieber. Etliche hundert Kilometer vor Granada, dort hat der Bus mal kurz gehalten, da waren Landschaften, dort hätte ich gesagt, da müsste man wohnen. Herrlich weite Flächen, leichte, frische Vegetation, wenig karge Berge, eher leichte, sanfte Anhöhen mit freigestellter, frischer Vegetation, nicht zu dicht, das wäre meine Gegend gewesen, dort hätte der Bus schon Ziel machen sollen und dafür lieber auf Granada verzichten. Kayla und ich sind uns sicher, dass wir diese Landschaften einige hundert Kilometer vorher irgendwann einmal ausgiebig besuchen werden, einfach herrlich. In Granada selbst pilgern viele Reisende vor allem gleich zu allen kirchlichen Bauwerken und davon gibt es in Granada einiges, aber das ist nicht so sehr unser Ding. Es ist nicht so, dass uns das gar nicht interessiert, aber eben nur am Rande. Da schaue ich mir in dieser Zeit lieber Landschaften an, zumal wir eine einzige geführte Kathedralenbesichtigung einer San Jose-Kathedrale mitmachten, die einfach kein Ende nehmen wollte und uns dauerhaft abschreckte. Der Führer erläuterte jeden Simsvorsprung und warum der so ausgebildet wurde und nicht anders, dann wurde die Geschichte jeder einzelnen Glocke vorgetragen, wer die durchaus schönen, aber teils trotzdem schlichten Fenster gestaltet hatte und warum er sie so gestaltet hatte, dann wer im 17. Jahrhundert die Sitz- und Kniebänke gebaut hat, die heute noch dort benutzt werden und weshalb die so enorm stabil wären und auch aus heutiger Sicht noch mal 400 Jahre ohne Schäden überdauern würden, u.s.w.. Also nein, das sind für sich genommen sicher alles bewundernswerte Aspekte, aber mich interessiert so etwas in einem fremden Land, welches ich zum ersten Mal besuche, wirklich überhaupt nicht. Es hätte nur noch gefehlt, dass der Führer erläutert hätte, welchen Brotbelag die Pflasterer des Kirchenschiffs bei ihrer Vesper hatten und warum sie ausgerechnet diesen Belag drauf hatten. Kurzum, diese Führung hing uns nach knapp 2 Stunden dermaßen zum Halse heraus, dass wir sie einfach verlassen haben. Die war noch lange nicht zuende. Wie wir später erfuhren, dauerte sie insgesamt fast 5 Stunden. Der Führer, übrigens ein pensionierter deutscher Lehrer, sah das gar nicht gerne und schüttelte widerspenstig den Kopf, als Kayla und ich den Abmarsch machten. Er versuchte noch uns eine Frage aufzudrängen, ob wir vielleicht nur eine Pause benötigen oder austreten müssten, ich habe dem aber dann klipp und klar gesagt, dass wir gehen und nicht weiter an der Führung teilhaben würden, da uns diese Details nicht näher interessieren. Grimmig schaute er drein und setzte dann mit den anderen seine Erläuterungen fort. Die Westernfreunde wären aufgeblüht, denn gleich südlich von Granada gibt es eine skurrile Landschaft, die sich Sierra Nevada nennt, ein Name, der in Western gerne fällt. Dort in Amerika gibt's wohl auch eine Gegend, die so heißt. Das sind teils relativ trocken wirkende Gebiete, mit kargen Bergrücken, die aber dann doch nicht so trocken sind, wie man befürchten möchte. Besonders um das Städtchen Mulhacén wo es diese erstaunlich hohe Berge gibt, rund 3.500 Meter hoch, die aber zugleich stellenweise seitlich ungewöhnliche Wälder aufweisen. Ungewöhnlich für unseren Geschmack, weil es seltsame Baumsorten gibt und weil, wenn wir von Wald reden, meinen wir Baum an Baum, hier in diesen Wäldern ist aber an manchen Stellen zwischen den Bäumen oft ein Abstand von über 50 m, das wirkt dann sehr eigenwillig. Natürlich haben wir auch zwei Abstecher zur Mittelmeerküste gemacht. Zuerst sollte es mit einem klimatisierten Luxusbus nach Motril gehen, das sind ungefähr 70 km südlich, unweit von dort ist ein nicht so überlaufener Langstrand. Als wir im Bus schon gute 30 km zurückgelegt hatten, bekam der Busfahrer über Funk die Nachricht, dass im benachbarten Hafen von Castell de Ferro ein Schiff in Brand geraten wäre, weshalb man es für sinnvoller hielt, ein Ausweichziel anzusteuern, damit die Leute den Strand unbeschwerter genießen können. Den Ausblick auf ein brennendes Schiff hielt man wohl nicht unbedingt für sehenswert. So hielt der Busfahrer auf einem einsamen Rastplatz fern jeder Örtlichkeit und diskutierte über Funk mit seinem Chef, welcher Ort denn nun als Ersatzziel angesteuert werden soll. Der Busfahrer bevorzugte Almeria als Ziel, was aber ungefähr weitere 100 km Fahrt bedeutet hätte. Das wollte sein Chef keinesfalls hinnehmen und er schimpfte über Funk ziemlich derb mit dem Fahrer. Da diese ganze Funkdiskussion in spanisch ablief, konnten wir nur bruchstückhaft folgen, das heißt Kayla bekam da schon mehr mit als ich. Sie sagte, der Chef habe den Fahrer einen kastrierten Hering genannt, als dieser den Vorschlag unterbreitete, nach Almeria zu fahren. Am Schluss setzte sich der Chef durch und befahl dem Fahrer seine Route sozusagen nach Nerja zu ändern. Das war ungefähr 20 km weiter, als der zuerst anvisierte Ort und zweigt an der Küstenstraße nach rechts in Richtung Malaga ab, Almeria wäre nach links gewesen, hätte aber den Vorteil geboten, dass von der einsamen Straße auf der wir uns befanden, ein direkter Abzweig in diese Richtung gekommen wäre. Der Busfahrer kannte aber einen Schleichweg, der auch schneller nach Nerja führen sollte. So befuhr er den. Der war für einen solch großen Bus stellenweise schon recht eng und er endete plötzlich an einer gelbroten Tafel, auf der in übergroßen grünen Lettern Cuevas de Nerja stand. Wir waren so nah an Nerja und hier sollte trotzdem Ende sein? Das hätte bedeutet, dass er den ganzen Schleichweg hätte zurückfahren müssen, sicherlich über 30 km, man macht sich keine Vorstellung davon, und dann ab dort wieder den offiziellen Weg. So bemühte der Busfahrer eine Straßenkarte und entdeckte darauf noch einen anderen Schleichweg. Den ist er dann gefahren, jedoch befanden wir uns dann anstatt in Nerja plötzlich in einem Küstenort, der sich Almunécar nannte. Dort war es angenehm ruhig und so blieben wir halt dort. Das Meer ist ja immer wieder eine tolle Sache, aber die Beschaulichkeit der nördlich von Granada gelegenen Gebiete im Vegatal oder wie die das nannten, fand ich persönlich noch viel schöner. Jedenfalls haben wir dort in Almunécar gut entspannt, die Ruhe sehr genossen. Das hatte eine ganz andere Qualität, als das rege, teils schon nervige Treiben in Granada. Auf der Rückreise hat der Busfahrer dann eine andere Route gewählt, dabei kamen wir aber durch einige Orte, dort möchte ich wirklich nicht mein Dasein fristen. Halbverfallen, staubig, verdörrt, man hatte dort den Eindruck, jeden Moment von herabfallenden Steinen erschlagen zu werden. Hinter einem solchen Nest machte der Busfahrer halt, weil er dort tanken musste. Die ganze Tankstelle wirkte etwas baufällig. Im Stil der frühen 70iger erbaut, mit breiten Beton-Flächen, die schon zerbröselten und T-förmigem Überdach, eine großflächige Tankstelle mit nur wenigen recht alten Zapfsäulen, die alle um einen modernen Aufsatzkasten mit Euro-Anzeige ergänzt worden waren, wohl als der Euro die Pesetas ersetzte. An der Tankstelle gab's erst ein Riesenhallo zwischen dem Tankstellenbesitzer und dem Busfahrer, die lamentierten bestimmt 20 Minuten lang wie Verwandte oder alte Schulfreunde es tun, bevor mit der Betankung begonnen wurde. Wir dachten schon, der Busfahrer habe seine Fahrgäste und den Bus völlig vergessen. Dann ging die Zapfsäule entzwei, da sie solchen Litermengen wohl nicht mehr gewachsen war. Sie stank nach verbranntem Gummi und brummte nur noch, aber es kam kein Diesel mehr. Das war aber nicht so tragisch, denn zu diesem Zeitpunkt waren schon über 100 Liter rübergeflossen und für die weitere Rückfahrt nach Granada reichte das aus. Ich weiß nicht, an dem Abend waren wir so müde, dass wir schon gegen 21 Uhr wie tot ins Bett fielen und am anderen morgen fast bis 11 Uhr geschlafen haben, was uns sonst hier nicht passierte. Wir beschlossen ab diesem Tag alle möglichen vom Veranstalter geplanten Ausflüge und Besichtigungen nicht mehr mitzumachen, sondern alles auf eigene Faust zu erkunden. Das war dann auch goldrichtig, da die weiteren angebotenen Besichtigungsprogramme teils saftige Zusatzpreise beanspruchten, aber auch nicht so recht unseren Interessen gerecht wurden. Wissen Sie, es gibt so schöne Landschaften dort, ein Wechsel zwischen karg und sanfter Vegetation und dazwischen punktuell üppige Vegetation, das kann man sehr gut genießen. Ich finde das toll, einfach mal dort raus zu fahren, sich dann für ein paar Stunden in eine einsame Landschaft zu setzen und nur diese zu genießen. Das geht dort sehr gut. Nur diese ganzen Reiseveranstalter bieten genau das nicht an. Die treiben einen von Kirche zu Kirche, von einem vermeintlich historischem Gebäude zum nächsten u.s.w., das ist ja auch vielleicht alles schön, aber uns ging es vornehmlich um die Landschaft. Wie gesagt, dieser ganze Kirchentourismus ist ohnehin nicht unser Ding. Museen gibt es reichlich, sehr schöne, aber auch stinklangweilige. An einem Museum, welches wir zufällig an einem Tag besuchten, wo der Eintritt völlig kostenlos war, war das Gebäude selbst viel interessanter, als die dort ausgestellten Skulpturen. Verrenkte Standfiguren, antike Steinfiguren, dazu fehlt mir irgendwie der Draht, finde ich ehrlich gesagt wenig sehenswert. Gewiss kunstfertig gemacht, mit hohem Können, trotzdem gähnend langweilig, aber das Gebäude in dem die untergebracht sind, entschädigt doppelt dafür und das war wirklich sehenswert. Skulpturen, Figuren und ähnliche Darstellungen waren das Hauptgebiet dieses Museums, aber auch andere Dinge. Ehrlich gesagt kamen wir uns leicht verhohnepiepelt vor, als wir dort auf eine mehrfach gesicherte Alarmvitrine stießen, in der sich das angeblich wertvollste Stück des Hauses befand. Zu sehen war darin eine leicht verbeulte Blechtaube, die in etwa die Größe einer echten Taube hatte und teils in taubengrau bemalt und teils mit Blattgold oder irgendwie mit Gold besetzt war. Was daran so künstlerisch wertvoll sein sollte, konnte sich uns nicht erschließen. Hätte ich das Ding auf einem Flohmarkt entdeckt, so hätte ich es bestenfalls bei sehr guter Laune mit einem Wert von 2 Euro eingestuft und selbst das nur bei schönem Wetter. An der Vitrine stand aber, dass diese unscheinbare Blechtaube unter Kunstkennern angeblich 1,7 Millionen Euro wert sei. Die Menschen sind verrückt und das scheint sich besonders auf Kunstliebhaber zu beziehen. Nun bin ich keineswegs der Kunst abgetan, aber zu so etwas, wie dieser Blechtaube, fehlt mir dann doch jeder Funke der Erleuchtung. Es gab in dem Museum auch ein Gemälde vom berühmten Salvatore Dali, welches da wertmäßig mit nur rund 900.000 Euro als deutlich geringer eingestuft war. Da meckerten auch manche Betrachter drüber, weil es einige Köpfe zeigte, die an einem Haus, wie Neugierige aus den Fenstern guckten, allerdings das mit überlangen Hälsen, die fast bis zur Straße vor dem dargestellten Haus reichten, natürlich alles in dem typischen Dali-Stil, aber das fand ich persönlich wirklich künstlerisch wertvoll. Kayla fands hingegen erschreckend, das wiederum konnte ich nicht nachvollziehen, was daran erschreckend sein soll. Aber so ist das halt mit der Kunst, es hängt vor allem davon ab, was sich der Betrachter dabei denkt. Dieser Dali soll auch mal ein halbes Jahr oder so in Granada oder der Gegend gewohnt haben und dieses Gemälde muss wohl hier entstanden sein. Ich glaube, sonst hat er aber meist irgendwo in Nordspanien gelebt. Ungewöhnlich fand ich dann eine abgetrennte Ecke in einem großen Saal, die ein eigenes Eingangsportal aufwies, über welchem in englisch Life-Art in leuchtend neonrosa und neongrün stand. Wir traten dort ein und drinnen stand ein alter Küchentisch, an dem zwei junge Männer saßen. Auch die restliche Dekoration des Raumes war wie ein alte Küche getrimmt, wie man sie vielleicht vor 40 Jahren kannte. Mit altem Herd, alter Spüle und ähnlichem Zeugs. Der eine Mann, der ziemlich kräftig und durchtrainiert wirkte, war ungefähr 30 Jahre alt und trug einen kurzgeschorenen Kahlkopfhaarschnitt, stützte seinen Kopf mit dem wiederum auf den Tisch gestützten Arm ab, so ähnlich, wie wenn jemand gelangweilt einer Fernsehsendung zusieht. Der andere Mann, eher schmal und vielleicht 20 Jahre alt, lange Haare und insgesamt etwas käsig-schmächtig wirkend, hatte einen riesigen Teller mit Spaghetti vor sich stehen. Ab und zu pickte er mit einer Gabel einige einzelne Spaghetti heraus und verzehrte die, dann ergriff er etliche Nudeln mit der Hand und streute diese dem anderen auf den Kopf oder aufs Hemd. Meistens verteilte er sie aber auf seinem Kopf. Jeder Zuseher hätte sicher nun erwartet, dass dem Kräftigen bald der Kragen platzt und er dem anderen eine Tracht Prügel verpasst oder ihn wenigstens ermahnt, das bleiben zu lassen. Aber nichts, der blieb starr in seiner gestützten Kopfhaltung sitzen, während der andere weitere Spaghetti auf seinem Haupt verteilte, solange, bis die älteren Spaghetti schon vorne wieder runter fielen. Es war keine Soße auf den Spaghetti, die waren wohl nur gekocht, also nicht dass Sie jetzt meinen, der andere wäre damit stark bekleckert worden. Trotzdem eine eigenwillige Situation und das Gesamte sollte eben ein Kunstwerk sein. Von den Zuschauern ließen sich die beiden auch nicht aus dem Tritt bringen oder beeinflussen, obwohl einige darunter waren, die sichtlich schimpften, in spanisch, aber das es geschimpft war, war eindeutig. Nur irgendwann musste Kayla ziemlich laut lachen ob dieser abstrusen Situation, im ersten Moment führte das dazu, dass der ältere von beiden für einen kurzen Moment grinste, sich aber gleich wieder einfing und seine starre Langeweilehaltung wieder einnahm. Wenn man eine derartige Reise unternimmt, stößt man nicht nur auf Dinge, die einem gefallen, das habe ich auch an anderen Stellen hier kund getan. Das hatte ich auch nicht anders erwartet. Wer so etwas erwarten würde, der müsste sich schon entweder selbst belügen oder irgendwo hin fahren, wo er schon öfters war und deshalb genau weiß, was ihn dort erwartet. Was mir sehr eigenartig vorkam, war der Hang der Spanier zu Prozessionen im Zusammenhang mit Heiligenverehrungen und dergleichem, ähnlich wie man es aus Deutschland an Fronleichnam kennt, nur viel pompöser. Man sagte uns schon, dass wir doch Glück hätten. Glück, weil wir erstens nach Ostern dort waren, dann gibt es im Vergleich zu vor Ostern und Ostern selbst wesentlich weniger solcher Prozessionen, und weil wir zweitens im Raum Granada waren und nicht im Raum Cordoba oder Sevilla. Dort gäbe es in jeder dieser Städte alleine kurz vor Ostern sage und schreibe über 60 Prozessionen. Trotzdem ist es eine Zumutung. Der Verkehr ist dann dicht, an Durchkommen ist selbst zu Fuß nicht zu denken. Das stört die gar nicht, wenn selbst der überregionale Verkehr deshalb zusammenbricht. Wir haben in Granada selbst ein paar solcher Prozessionen miterleben müssen und ich kann nur sagen, die erste war noch sehenswert, aber ab der zweiten ging es einem nur noch auf den Wecker. Diese Art der Prozessionen ist so, als würde man in Deutschland eine Fronleichnamsprozession mit einem der großen Rosenmontagszüge mischen. Das klingt vielleicht leicht blasphemisch, ist aber überhaupt nicht so gemeint, sondern eine rein sachliche Beschreibung, damit sich ein Außenstehender halbwegs eine Vorstellung machen kann, wie das abläuft. Dort werden Sänften und verzierte Plattformen gebaut, die dann von bis zu 40 starken Männern getragen werden. In oder auf diesen Tragaltären befinden sich dann Ausschmückungen, Heiligenfiguren und manchmal sogar lebendige Menschen, oft Kinder, die bestimmte Figuren oder Szenen aus der Bibel darstellen. Man könnte sagen, es ist ähnlich wie bei den Rosenmontagszügen solche Faschingswagen, nur ohne Räder, sondern anstatt dessen getragen von diesen kräftigen Männern. Wissen Sie, ich habe gewiss nichts gegen Heiligenverehrung oder dergleichen, aber das hier artet mehr in ein Live-Volksspektakel und übertriebene Selbstdarstellung aus, vor allem aber jedes Mal in ein grenzenloses Verkehrschaos. Einfach grässlich, kann ich da nur sagen. Ich weiß auch noch nicht einmal genau, ob es dort im Jahr einmal längere Phasen gibt, in denen solch ein nervendes Gehabe und Theater nicht veranstaltet wird. Wenn es die gibt, sollte man generell dem Reisenden empfehlen, zu dieser Zeit dorthin zu fahren.
In Granada ist man übrigens nicht nur auf die breite historische Geschichte der Stadt stolz, sondern man schreibt sich auch seinen Beitrag zur modernen Computergeschichte auf die Fahnen. So wurde man allenthalben mit der Information versorgt, dass dieses Email- Zeichen oder wie man das nennen mag, manche nennen es auch at, Klammer-A oder Klammeraffe, also folgendes Zeichen meine ich: @ was heute jede Tastatur ziert, in Granada erfunden wurde. Oder man muss wohl eher sagen entworfen, kreiert wurde. Das geschah aber nicht erst vor wenigen Jahren, sondern wohl schon Anfang der siebziger Jahre, wobei das Zeichen damals noch nicht die heute übliche Verwendung fand, sondern nur von professionellen Programmieren für irgendwelche Spezialzwecke benutzt wurde. Normal denkt man immer, so etwas kommt aus Amerika. Überhaupt irritiert einen vielleicht fast schon ein wenig, dass man in Granada und Umgebung sehr computerbeflissen zu sein scheint. In fast jedem einfachen kleinen Geschäft stehen hochmoderne Computerkassen, an allen Ecken gibt es Computerläden mit allen erdenklichen Sachen. Ohne jede Übertreibung kann ich sagen, dass alleine im Umkreis von etwa 6 Straßen um unser Hotel mindestens 10 Computerläden existierten. Sogar in vielen Restaurants kommt die Bedienung mit einem Taschencomputer an den Tisch, gibt die bestellten Menüs und Getränke ein und schrumms wird das automatisch in der Küche angezeigt, zubereitet und die Getränke an der Theke bereit gestellt, während die Bedienung schon zum nächsten Tisch hastet, um die Bestellung aufzunehmen. Hat sie dann auf diese Weise vielleicht 4 Bestellungen aufgenommen, geht sie zur Theke und holt schon einmal die vom Thekenpersonal vorbereiteten Getränke ab und bringt sie den Gästen. Die Übertragung der Bestellungen zur Theke und in die Küche erfolgt vermutlich per Funk. Was ich selbst sehen konnte war, dass an der Theke ein Flachbildschirm in rot jeweils die aktuellen, offenen Bestellungen anzeigte, in grün die schon erfolgten, also die, die schon beim Gast auf dem Tisch stehen, in blau wenn einer bezahlen will und in schwarz wenn einer bezahlt hat und gehen will. Jedenfalls hat die Bedienung das Kayla auf anfragen so erklärt. Ähnlich wird dann wohl in der Küche angezeigt, was aktuell an Menüs bestellt ist, damit die das dort fertig machen. Dadurch geht das alles selbst bei vollem Haus viel schneller als in Deutschland, wo die noch langweilig mit dem Zettelchen herumlaufen oder gar gleich auswendig sich die Sachen merken und dann per Mund weitergeben. Diese Sache finde ich gut, so hat man die angenehmere Atmosphäre eines normalen Gasthauses mit einer fixen Schnelligkeit verbunden. Andererseits hätten wir nicht viel davon, wenn es das in Stuttgart auch gäbe, weil wir keine großartigen Restaurantbesucher sind. Vielleicht 2 mal pro Jahr kehren wir in einem Restaurant ein, eher noch seltener. Ich weiß, früher sagte man diesen südlichen Ländern immer eine gewisse Rückständigkeit in punkto technischer Entwicklung und Nutzung nach, aber ganz ehrlich kommt mir das heute genau umgekehrt vor, zumindest wenn ich mich an meinen Beobachtungen dort orientiere und das mit der Situation in Stuttgart vergleiche. Zu dieser ganzen Sache passt nach meiner Meinung auch folgendes. Schon am zweiten Tag dort wunderte ich mich darüber, dass neben sehr vielen Fenstern an sehr vielen Häusern ein Eisenwinkel mit einer vielleicht 30 x 40 cm großen Blechtafel angebracht war. Zunächst glaubte ich, das sei ein besonderes Zeichen beziehungsweise eine Halterung für ein Zeichen, eine Fahne, vielleicht ein Heiligenbild oder so was, was man möglicherweise dann bei einer der unzähligen Prozessionen hier benutzt, also als Befestigungshilfe. So prozessionsfreudig die hier auch sind, aber damit hatte es nun rein gar nichts zu tun, wie sich später herausstellte. Das ist ein bestimmter Typ billiger Solarzellen, den man dort in fast jedem Elektroladen zu kaufen kriegt. In wenigen Minuten an jedem Fenster montiert lädt das Ding über Tag einen Akkumulator auf, der seinerseits nach der Dämmerung einen Kasten antreibt, der sich Wandler nennt und wo dann hinten normale 230 Volt rauskommen. Diese betreiben dann die Lampen in der Wohnung, solange diese Ladung reicht, erst wenn es dann nicht mehr reicht, wird der Strom aus dem normalen Stromnetz herangezogen. Das soll unheimlich viel sparen und bei den vielen Sonnenstunden dort, wird der Akkumulator sicherlich auch schnell voll. Ein älterer Spanier, der relativ gut deutsch sprach, weil er von 1965 bis 1998 in Deutschland als Gastarbeiter war, mit dem habe ich mich ab und zu etwas unterhalten. Der hat mir das alles erklärt und sagte, dass eine solche einfache Anlage heute schon für nur 130 Euro zu haben sei, komplett mit allem Drum und Dran, man muss sie nur dann selbst montieren, wozu man aber eigentlich nur 2 Dübel in die Innenbacken der Fensterleibungen zum Halten dieser Solartafel bohren muss, das kann nun eigentlich heute jeder. Dann muss man noch mit ein paar Steckern die einzelnen Dinge wie Solartafel, Wandlerkasten und Akku miteinander verbinden. Da sagte der alte Spanier grinsend, dass sie Deutschland doch schon längst als Technik- und Industriestandort überholt hätten. Ich musste ihm recht geben, wenn man das alles dort sah. Er glaubte, das läge in Deutschland an der immer mehr um sich greifenden Zukunftsangst und Technikfeindlichkeit. Er meinte die früher führende Nation Deutschland leide heute unter einer flächendeckenden Lähmungserscheinung in Sachen Fortschrittsdenken. Jedem Bedenkenträger wird mehr Gewicht zugemessen, als allen zukunftsweisenden Dingen zusammen. Na da sagt er uns im Prinzip nichts neues, aber er hat völlig recht.
Rund 2.200 km pro Richtung im Bus das ist natürlich auch schon eine Strapaze für sich, wobei sich die Frage erhebt, ob die Bewältigung einer solchen Distanz im eigenen Auto angenehmer wäre. Wahrscheinlich auch nicht und schon gar nicht in solch einem kleinen Wagen, wie meinem Suzuki. Hier hätte ein dicker Mercedes sicher seine Vorteile ausspielen können, den ich ansonsten gewiss nicht vermisse. Dafür läge sein Verbrauch auch dementsprechend krass höher. Aber so, im Bus, stellte sich solch eine Frage erst gar nicht und von den Gesamtkosten ging es nicht günstiger. Vor Ort, ich sprach es an verschiedenen Stellen schon an, fehlt einem das eigene Auto aber noch wesentlich mehr, als zuhause. Man hängt wie ein Brett in der Landschaft und ist ständig auf irgendwelche Busse und ähnliches angewiesen. Einen Tag sind wir mit der Eisenbahn gefahren, ein sehr moderner Triebzug von Granada nach Loja, dort gab es einen immens langgezogenen See, unbeschreiblich schön gelegen, direkt zum Verlieben. Von Loja musste man dann aber noch mit einem Bus direkt ab Bahnhof etwa 17 km bis zu diesem See fahren. Überhaupt sind Busse das beherrschende öffentliche Verkehrsmittel in Spanien oder zumindest in dieser Region. An einem Tag waren wir die Abhängigkeit von Busangeboten aber leid und haben uns einen Leihwagen genommen. Das war auch so ein Abenteuer für sich. Wir wollten ins nördliche Hinter- oder besser gesagt aus unserer Sicht Vorland von Granada. In die Ecke, wo wir da hin wollten, gab es aber so gut wie gar keine Busverbindungen. So betrachteten wir unsere Finanzlage und fragten uns bei verschiedenen Autoverleihern durch. Am Stadtrand von Granada, schon mehr in Pulianas wurden wir auf einen Autoverleiher aufmerksam, der ein endlos langes Gelände fast in freier Feldlage mit zig Autos zum Vermieten da hatte. Mindestens 70 PKW und nochmals 20 LKW warteten auf Kundschaft. Am billigsten war ein kleiner Seat-Marbella zu haben, das ist im Prinzip wie ein alter Fiat-Panda, Tagespreis 26 Euro plus Volltanken beim Abgeben und für jeden Kilometer, der über 100 gefahrene Kilometer rausgeht 2 Cent dazu, die 100 Kilometer waren frei. Wir verhandelten mit dem und binnen weniger Minuten hatten wir den Preis auf 16 Euro gedrückt und wurden uns einig. Der Wagen war nicht schön, knall- neonviolett gespritzt, ekelhaft, aber zum Fahren war uns das egal. Wir bekamen die Zündschlüssel und einen Wisch als Vertrag, den Kayla unterschrieb, und ab sollte die Fahrt gehen, ging sie aber nicht. Ich setzte mich ans Steuer und versuchte zu starten, aber die Karre sprang nicht an. Dann kam der Vermieter und versuchte es selbst, ohne Erfolg. Er meinte dann in gebrochenem Deutsch, dass der Wagen zuletzt vor 4 Monaten gelaufen sei und ihm wohl die lange Stillstandszeit nicht bekommen ist. Er bot sogleich Ersatz an, in Form von einem Suzuki-Vitara-Geländewagen, was mir natürlich Freude bereitete, da ich an die Marke gewöhnt bin, wenngleich so ein großer Geländewagen, obwohl der Vitara ist innen so extrem groß dann auch wieder nicht. Naja, der Haken war wohl der, den wollte er nicht für 16 Euro rausrücken, obwohl er sichtlich bemüht war, uns Service zu bieten. Der würde normalerweise 45 Euro am Tag kosten, weil Allrad und geländetauglich, wegen des gepatzten Seats würde er uns den einen Tag lang für 25 Euro lassen. Wir verhandelten weiter und am Schluss haben wir ihn für 20 Euro bekommen. Der war auch schon 8 Jahre alt, lief aber relativ gut, wohl weniger gefallen hat uns sein Benzinverbrauch. Wissen Sie, ich bin von meinem Schrumpfsuzuki an Verbräuche um die 5-6 Liter gewöhnt, hier war es mehr als das Doppelte, eher in Richtung 15 Liter. Ich vermute auch, dass er nicht nur wegen des größeren Motors und des Mehrgewichts soviel brauchte, immerhin hatte er fast 100 PS, auch war er wahrscheinlich schlecht gewartet, denn der Motor lief etwas unrund und russelig, zugleich schossen öfters übelriechende blaue Qualmwolken sporadisch aus dem Auspuff. Die riecht man ja selbst nicht, außer wenn man auf einem Parkplatz mit laufendem Motor steht, also wen stört's? Ansonsten fuhr er aber sehr schön und trotzdem zuverlässig und auch noch ziemlich flott. Von weiteren Aktionen dieser Art hielten wir dann aber Abstand, weil durch die doch hohen Nachtankkosten am Schluss kamen wir auf über 70 Euro Gesamtkosten für dieses eintägige Fahrvergnügen. Weitere solcher Eskapaden hätte unser Portemonnaie nicht verkraftet. Wissen Sie, hätte ich meinen Suzuki dort gehabt, dann hätten mich solche Tagestouren vielleicht 10 bis 15 Euro zusätzlich gekostet und das wäre ok gewesen, aber so. Bin ich Onassis?
Autos scheinen in Spanien deutlich billiger zu haben zu sein, als hier. Ein Gebrauchtwagenhändler, direkt in der Nähe unseres Hotels, bei dem wir immer vorbei mussten, um ins Hotel zu kommen, hatte einen Ford-Fiesta-Diesel der erst 4 Jahre alt war, 42.000 km gelaufen war und noch sehr gut aussah schon für nur 2.800 Euro dastehen. Einen VW-Polo, 5 Jahre alt, Diesel, 47.000 km gelaufen, noch besser aussehend, wie neu sah der aus, für glatte 3.000 Euro. Einen Renault- Clio, 3 Jahre alt, Benziner, 28.000 km gelaufen für 2.600 Euro. Für kaum 1.000 Euro mehr gab es dann schon einen gleichaltrigen Mazda 6 oder so ähnlich, also eine große Limousine mit, ich glaube fetten 110 PS. Letzteres natürlich kein Auto für mich, weil im Unterhalt viel zu teuer. Aber die anderen 3 sind ja da schon eher meine Kragenweite. Alle diese Fahrzeuge hätte man in Stuttgart selbst für den doppelten Preis nicht bekommen. Nicht dass ich meinen Suzuki auswechseln möchte, solange der noch gut läuft, aber man staunt nicht übel, wenn man diese Preisunterschiede sieht. Und ich frage mich schon, ob man bei den heutigen EU-Richtlinien dort einfach einen Gebrauchtwagen so günstig kaufen und hier gleich zulassen könnte.
Teil 2 / Fortsetzung auf der nächsten Seite.
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