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Teil 1 von:

Lappenkeuler - Brief / Email „Granada" vom 09.04.2005

Weit gereiste Grüße!

Nun da bin ich wieder, Granada liegt hinter uns, leider, muss ich
sagen oder ziemlich leider. Mir hat es dort gut gefallen. Dabei fand ich
besonders die ländliche Umgebung im nördlichen Vorland einige
hundert Kilometer vor Granada und noch mehr eine andere Gegend,
die ich weiter unten erwähnen werde, noch wesentlich reizvoller, als
Granada selbst. Ich hatte mir den Ort und die Landschaft dort völlig
anders vorgestellt. Granada liegt sehr bergig und hoch, rundum gibt es
sehr hohe Berge, damit hätte ich nicht gerechnet. Diese Berge
brauchen sich bezüglich ihrer Höhe nicht vor den Alpen zu
verstecken, denn unweit von Granada findet man einen, der fast 3.500
Meter hoch ist. Und Sie werden es nicht glauben, auf diesen höheren
Bergen gibt es sogar alpinen Wintersport mit Liftanlagen und
ähnlichem Zeug, genau wie in den Alpen. Allerdings enden die
schneefähigen Gebiete viel früher, als in den Alpen. Oben sind dann
die Schneegebiete und vielleicht schon in einer Höhe von 1.500
Metern ist dann Schluss mit Schnee und die karge Heißbergwelt
beginnt. Das wirkt recht gegensätzlich und seltsam. Als wir dort
waren, war anfänglich in den ganz hohen Regionen sogar noch
begrenzt Wintersport möglich und Sie können sich vorstellen, wir
dachten, wir wären im falschen Film. Wir selbst sind aber nicht in
diese Wintersportgipfellagen gefahren, wozu auch, solches Wetter
hatten wir hier genug. In den Normallagen bis etwa knapp unter 2.000
Metern, immerhin, war es wohlig warm und in der Stadt selbst war es
an manchen Tagen schon zu warm für Hemden mit langen Ärmeln.
Granada ist teils eine schöne Stadt und ganz anders, als das, was man
hier so unter Stadt versteht, auch völlig anders, als ich mir diese Stadt
vorgestellt hatte. Vor allem ist Granada eine Stadt der Gegensätze.
Spitzenklasse ist dort, dass man mit einer natürlichen Gelassenheit an
die hektischen Probleme unserer Zeit geht. Verstehen Sie mich bitte
nicht falsch, es herrscht keine vernachlässigte Atmosphäre dort, wie
man es vielleicht von manch südlicher Stadt erwartet, eher im
Gegenteil, alles piksauber und auf eine angenehme Art geordnet. Ein
wohliges Klima, aber auch in diesem Punkt relativ anders, als ich
erwartet hatte. Das gilt nicht nur in wettermäßiger Hinsicht. Die von
mir sehr befürchteten Verständigungsprobleme traten kaum auf. Kayla
hatte da überhaupt keine Probleme und selbst ich kam durch meine
fehlenden Sprachkenntnisse eigentlich nie wirklich in Not. Verwirrt
war ich anfangs über den Hotel-Namen, derweil das Viena heißt, wo
ich glaubte, ein Hotel, welches sich nach Wien benennt, gehört wohl
kaum nach Granada. Kayla fragte sofort, wieso ich denn da auf Wien
komme? Der englische Ausdruck für Wien sei wohl Vienna, also mit
2 N und nicht wie hier mit nur einem. Na was weiß denn ich? Es klang
nach Wien und so wurde das von mir angenommen, natürlich hatte
Kayla recht, mit Wien hat das wirklich nichts zu tun. Das Hotel war
nach unserer Meinung als sehr gut zu bezeichnen, einige andere
Mitreisenden sahen das allerdings anders und nörgelten laufend an
etlichen Dingen herum, was wir aber für deutlich übertrieben hielten.
Besonders das ältere Ehepaar, welches wie wir die Lückenplätze für
billiges Geld auffüllte sparte nicht an gehobenem Anspruchsdenken
und gab sich weltgewandt, als wäre man von überall her besseres
gewohnt, als das hier Gebotene. Die waren überhaupt nur ständig am
meckern, hier nicht zufrieden, dort nicht zufrieden. Zum Glück war
man, außer im Bus, nicht gezwungen mit diesen Meckerfritzen
zusammen zu bleiben. Leider waren die Plätze im Bus fest vergeben
und so hatten wir zwar einerseits das Glück, gleich vorne einen
Logenplatz rechts neben dem Fahrer zu haben, von wo man schön die
Straße beobachten konnte, aber leider war uns die Nörgelfamilie fest
in den Rücken auf die Plätze hinter uns gepflanzt worden, wodurch
wir deren ständiges Gemaule mitbekamen. Ansonsten begegnete man
sich ab und zu im Hotel und dabei standen die fast immer an der
Rezeption und beschwerten sich über etwas. Die Beschäftigten im
Hotel, die fast alle erstaunlich gut deutsch sprachen, waren uns
gegenüber sehr nett, wir konnten es mit denen sehr gut, während
dieses Ehepaar durch seine ständige Grunzerei und das anhaltende
Genörgel über irgendwelche angeblich unhaltbaren Zustände beim
Personal unten durch war. Also ich weiß es nicht, um nur ein Beispiel
anzuführen. Wenn man für solch billiges Geld dorthin fährt und im
Hotelbad aus dem Heißwasserhahn vielleicht nur 40 Grad warmes
Wasser kommt, würden Sie sich dann ständig darüber beschweren,
dass dieses Wasser zu kalt wäre? Wozu benötigt man Wasser über 40
Grad in einem Bad? Selbst diese 40 Grad sind zum Zähneputzen und
zum Duschen noch zu heiß und man muss Kaltwasser beilaufen
lassen, aber nein, diese Flaschenköpfe haben wohl ein Thermometer
in den Warmwasserstrahl gehalten und weil es nicht über 40 Grad
hinaus kam, wurde sich beschwert und das nicht knapp. Dann waren
ihnen die Zimmermädchen angeblich zu frivol gekleidet. Da mag
jeder eine eigene Einstellung zu haben, aber ich fand die sauber, adrett
und keineswegs frivol. Was ist eine frivole Kleidung? Also dort lief
kein Zimmermädchen barbusig herum, auch nicht im Slip oder in
sonstiger Unterwäsche. Die Röcke waren zugegebenermaßen nicht
überlang, man sah die ausnahmslos hübschen Beine recht gut, aber
auch wieder nicht so, dass man daran hätte Anstoß nehmen können.
Also einen Durchblick bis in tiefere Regionen gab es bei weitem nicht
und man muss nach meiner Meinung schon ziemlich prüde
angehaucht sein, um sich darüber zu beschweren. So fanden diese
Leute ständig neue Dinge, über die es sich zu beschweren galt. Die
erwachsenen Kinder von denen, die auch mitreisten, sahen das alles
nicht so eng wie ihre Eltern. Auch daraus entstand im Bus ein
ständiger Anlass für Nörgeleien, weil die Kinder Plätze ganz hinten
zugewiesen bekamen, während deren Meckereltern uns vorne im
Nacken saßen. Die Eltern hätten es gerne gehabt, wenn die Kinder
vorne bei ihnen gesessen wären, der Busfahrer und vor allem die
Chartergruppe, die ja eigentlich den ganzen Bus gebucht hatte, lehnten
das aber ab. Die Kinder, das war ein 21jähriger Sohn und eine
18jährige Tochter. Die Tochter war ziemlich dick und pummelig,
hatte aber einen schmalen Kopf, das wirkte wie künstlich aufgesetzt,
als würde der Kopf zu einem ganz anderen Körper gehören. Die
Tochter machte sich im Speisesaal ständig über alle Kuchensorten her,
deshalb wohl auch ihre enorme Leibesfülle, aus der hätte man locker 4
Kaylas machen können. Eigentlich war die pausenlos am Essen. Auch
im Bus, zuerst mitgebrachten Kuchen, dann einen Mars-Riegel nach
dem anderen, ein paar BiFi-Würstchen, dann wieder Schokoladenzeug
und Gebäckwaffeln. Die Tochter hatte eine eigenartige Art zu gehen,
nahezu geräuschlos federte sie fast schwebend durch den Flur im
Hotel und das bei dieser Masse, es wirkte schon recht komisch.
Stellen Sie sich ein hochkant-quer laufendes Wasserbett mit Beinen
vor. Der Sohn von denen indes war ein langer, schmaler Lulatsch mit
langen schmalen Salzstangenbeinen, etwas unbeholfen wie ein Storch
im Salat und sagte gar nichts, deshalb hatte er bei uns bald den
Spitznamen „Der Stumme" weg. Mit den anderen Reisenden, die ja
eigentlich den Kern dieser Reisegesellschaft ausmachten, hatten wir,
außer im Bus, gar nichts zu tun. Einer von denen wollte immer
unterwegs in Frankreich schon aussteigen, sowohl bei der Hinfahrt,
als wie auch bei der Rückreise. Weshalb, das weiß ich nicht. Diese
ganzen Leute wohnten sogar in einem anderen Hotel, welches
allerdings von unserem nur 200 m entfernt lag. Das waren Mitglieder
einer Firmengruppe, die hier eine Art Fortbildungsmaßnahme hatten.
Aber solche Begebenheiten spielen sich auf einer derartigen Reise ja
nur am Rande ab, sind Beiwerk. Was mir persönlich an Granada nicht
gefallen hat, das ist die ständige Präsenz von einer Art muslimischen
Parallelkultur an etlichen Orten innerhalb der Stadt. Die Hauptkultur
dort ist zwar fest christlich-katholisch, sogar noch mehr als bei uns,
trotzdem stößt man an zig Stellen auf diese muslimischen Dinge. Das
hat dort teils auch historische Bezüge, es gibt eine Alhambra genannte
Muslimenfestung, also von ganz früher ist die, rein geschichtlich, oder
so was, ich habe da nicht so richtig durchgeblickt und das Gemäuer,
entgegen allen Anratens von Fremdenführern, nicht besucht, weil mir
andere Dinge in dieser kurzen Zeit wichtiger erschienen. Eine Art
orientalischer Burg ist das. Also mich nervte in den bestimmten
Vierteln dieses muslimische Gehabe dort schon ziemlich, weil es in
manchen Stadtteilen überhand nahm. Glauben ist die eine Sache, die
für mich keineswegs negativ vorbelastet ist, aber wenn man den
Glauben so in jeder Alltagsminute draußen auf der Straße jedem um
die Ohren haut, dass es kein Entrinnen gibt, auch dem, der gar nichts
damit zu tun hat, z.B. weil er einen anderen Glauben hat und weil er
beispielsweise nur als Verkehrsteilnehmer dort durch muss, das stört
mich. Auch haben diese Leute ein völlig anderes Verständnis von
Lebenskultur, die sie aber jedem mit aufdrängen wollen und, ich muss
es so sagen, die mir völlig zuwider ist. Also insgesamt muss die
Mehrzahl der Bewohner von Granada, die ja christlich ist, schon recht
tolerant sein, um das auf Dauer zu ertragen. Ich glaube, dort könnte
ich mich nie wohl fühlen, wenn man ständig so lautstark und präsent
von den Moslemleuten belästigt würde. Ebenso gibt es dort
Einkaufsstraßen wo nur Muslime oder solche Leute ihre Stände haben.
Ich sage es ehrlich, ich würde dort nichts kaufen, weil mein Eindruck
war nicht recht geheuer, wie das dort alles ablief und die Preise für
den angebotenen Tinnef zu hoch. Nur um ein stellvertretendes
Beispiel für viele zu nennen: würden Sie sich eine Kamera - Attrappe
kaufen? Wozu soll so etwas gut sein? Es sah aus wie eine normale
Foto - Kamera, von weitem jedenfalls, je näher man kam, um so
augenfälliger wurde es, dass es nur ein billigstes Plastikimitat ohne
jede Funktion war. Dieses sinnfreie Ding sollte dann 12 Euro kosten.
Da muss sich doch jeder halbwegs normale Mensch, der noch einen
Teil seiner Sinne beisammen hat, verarscht vorkommen und vom Kauf
fern bleiben. Unverständlich ist, wieso sich solche Händler dann
trotzdem dort halten können und ihr Einkommen finden. Anscheinend 
gibt es doch noch genug dumme Touristen, die sich von denen
ausnehmen lassen, denn die Einheimischen, kaufen generell nichts bei
denen. Ich weiß, das klingt alles nach bösen, primitiven Vorurteilen,
aus der aller untersten Schublade, aber es sind keine und selbst wenn
es welche wären, so träfen sie hier absolut ins Schwarze und wären zu
100 % gerechtfertigt. Wie gesagt, das trifft nicht auf ganz Granada zu,
keinesfalls, sondern nur auf diese bestimmten Viertel. Was mir, im
Gegensatz zu vielen Touristen, an Granada überhaupt nicht gefallen
hat, sind im alten Stadtkern die äußerst engen Gassen und Strassen.
Die sind zum Teil so eng, dass sich dort kaum jemals wirklich
richtiges Tageslicht ausbreitet und dann gibt es dort einen Kitschladen
neben dem anderen. Darunter sind Gassen, die kaum 1,50 m breit
sind. Klar, alles ist eine Geschmacksfrage, aber solche alten engen
Gassen finde ich fürchterlich, ja geradezu als extreme frühere
Fehlplanung und kann Leute nicht verstehen, die das ständig als
besondere Attraktion hervorheben wollen.
Wissen Sie, viele Leute bewundern an solchen Reisezielen die
historische Bausubstanz, die in und um Granada zweifellos auch
bewundernswert ist, weil es da sehr viel gibt, aber mich hat vielmehr
die hier darüber hinaus recht häufig anzutreffende moderne
Architektur fasziniert. Die scheint dort viel offener und freier zu sein,
als bei uns in Deutschland.
In Deutschland trickst man damit mehr im Verborgenen herum, mal
hier ein modernes Bauwerk, mal dort eins, meist in irgendwelchen
Stadtrandgebieten und dann noch halb versteckt hinter Bäumen, in
einem Privatpark oder so ähnlich. Hier traut man sich mehr, diese
Bauten auch dort zu platzieren, wo das Alltagsleben stattfindet. Das
halte ich auch für wichtig. Stellen Sie sich bitte einmal vor, wir
würden die Kalenderblöcke einfach einmal ein paar hundert Jahre
weiter blättern. Da werden wir die Generation ohne eigenes
architektonisches Gesicht sein, zumindest in Deutschland, weil in der
Mehrzahl entweder alte Bausubstanz gepflegt wird, wie nie zuvor oder
weil die Neubauten sich sehr stark an bewährten Mustern orientieren,
also auch nichts neues bringen. Zeitgemäße Formensprache,
Fehlanzeige; das Gleiche gilt für die Gestaltung von Wänden, Decken
u.s.w. Auch die Integration moderner Baustoffe findet kaum statt.
Kurzum, es herrscht nahezu Stillstand in der architektonischen
Weiterentwicklung unserer Städte. Wir leben in einer Zeit ohne
eigenes architektonisches Gesicht. Ich finde es zum Kotzen, dass man
überall auf Fachwerkhäuser und ähnliche alte Buden stößt, die
zugegeben schön restauriert sind, aber das Zeitgemäße existiert fast
gar nicht. Ich plädiere keineswegs für generellen Abriss, aber die
Ausgewogenheit fehlt völlig, es existiert fast nur das alte Zeug oder
ähnlich gestaltetes. Wäre das in früheren Generationen auch so
geschehen, gäbe es genau diese Fachwerkhäuser heute gar nicht, man
würde noch in Lehmhütten wohnen. Aber ich drifte zu sehr von der
Granadareise ab.
Ich habe dort erst so richtig mein Herz für diese modernen Bauten
entdeckt. Also wirklich sehenswert. Alte Gemäuer findet man überall,
aber moderne Architekturkunst eben nicht und die ist meines
Erachtens wesentlich interessanter und wichtiger. Was soll die
ständige Beschäftigung mit dem Gehabten? Was die Welt braucht ist
eine Weiterentwicklung. Weiterentwicklung ist aber Arbeiten an der
Gegenwart für die Zukunft und nicht ständiges Lobpreisen der
Vergangenheit. Auch überhaupt die freie und flächige Gestaltung von
Plätzen, die trotz aller Bebauung immer noch soviel Luft ringsum
übrig lässt, dass man mit wenig erhobenem Haupt immer noch den
Himmel am Ende seiner Blicke ins Auge bekommt, das gibt es so bei
uns gar nicht. Natürlich immer ausgeklammert die oben erwähnten
abscheulichen engen Gassen und Strassen. Bei allem Schönen dort
kann man aber sicherlich nicht behaupten, dass ich mich in Granada
verliebt hätte, da ist mir, ganz ehrlich gesagt, im direkten Vergleich
Stuttgart mindestens 100 mal lieber. Etliche hundert Kilometer vor
Granada, dort hat der Bus mal kurz gehalten, da waren Landschaften,
dort hätte ich gesagt, da müsste man wohnen. Herrlich weite Flächen,
leichte, frische Vegetation, wenig karge Berge, eher leichte, sanfte
Anhöhen mit freigestellter, frischer Vegetation, nicht zu dicht, das
wäre meine Gegend gewesen, dort hätte der Bus schon Ziel machen
sollen und dafür lieber auf Granada verzichten. Kayla und ich sind uns
sicher, dass wir diese Landschaften einige hundert Kilometer vorher
irgendwann einmal ausgiebig besuchen werden, einfach herrlich. In
Granada selbst pilgern viele Reisende vor allem gleich zu allen
kirchlichen Bauwerken und davon gibt es in Granada einiges, aber das
ist nicht so sehr unser Ding. Es ist nicht so, dass uns das gar nicht
interessiert, aber eben nur am Rande. Da schaue ich mir in dieser Zeit
lieber Landschaften an, zumal wir eine einzige geführte
Kathedralenbesichtigung einer San Jose-Kathedrale mitmachten, die
einfach kein Ende nehmen wollte und uns dauerhaft abschreckte. Der
Führer erläuterte jeden Simsvorsprung und warum der so ausgebildet
wurde und nicht anders, dann wurde die Geschichte jeder einzelnen
Glocke vorgetragen, wer die durchaus schönen, aber teils trotzdem
schlichten Fenster gestaltet hatte und warum er sie so gestaltet hatte,
dann wer im 17. Jahrhundert die Sitz- und Kniebänke gebaut hat, die
heute noch dort benutzt werden und weshalb die so enorm stabil
wären und auch aus heutiger Sicht noch mal 400 Jahre ohne Schäden
überdauern würden, u.s.w.. Also nein, das sind für sich genommen
sicher alles bewundernswerte Aspekte, aber mich interessiert so etwas
in einem fremden Land, welches ich zum ersten Mal besuche, wirklich
überhaupt nicht. Es hätte nur noch gefehlt, dass der Führer erläutert
hätte, welchen Brotbelag die Pflasterer des Kirchenschiffs bei ihrer
Vesper hatten und warum sie ausgerechnet diesen Belag drauf hatten.
Kurzum, diese Führung hing uns nach knapp 2 Stunden dermaßen
zum Halse heraus, dass wir sie einfach verlassen haben. Die war noch
lange nicht zuende. Wie wir später erfuhren, dauerte sie insgesamt fast
5 Stunden. Der Führer, übrigens ein pensionierter deutscher Lehrer,
sah das gar nicht gerne und schüttelte widerspenstig den Kopf, als
Kayla und ich den Abmarsch machten. Er versuchte noch uns eine
Frage aufzudrängen, ob wir vielleicht nur eine Pause benötigen oder
austreten müssten, ich habe dem aber dann klipp und klar gesagt, dass
wir gehen und nicht weiter an der Führung teilhaben würden, da uns
diese Details nicht näher interessieren. Grimmig schaute er drein und
setzte dann mit den anderen seine Erläuterungen fort.
Die Westernfreunde wären aufgeblüht, denn gleich südlich von
Granada gibt es eine skurrile Landschaft, die sich Sierra Nevada
nennt, ein Name, der in Western gerne fällt. Dort in Amerika gibt's
wohl auch eine Gegend, die so heißt. Das sind teils relativ trocken
wirkende Gebiete, mit kargen Bergrücken, die aber dann doch nicht so
trocken sind, wie man befürchten möchte. Besonders um das
Städtchen Mulhacén wo es diese erstaunlich hohe Berge gibt, rund
3.500 Meter hoch, die aber zugleich stellenweise seitlich
ungewöhnliche Wälder aufweisen. Ungewöhnlich für unseren
Geschmack, weil es seltsame Baumsorten gibt und weil, wenn wir von
Wald reden, meinen wir Baum an Baum, hier in diesen Wäldern ist
aber an manchen Stellen zwischen den Bäumen oft ein Abstand von
über 50 m, das wirkt dann sehr eigenwillig. Natürlich haben wir auch
zwei Abstecher zur Mittelmeerküste gemacht. Zuerst sollte es mit
einem klimatisierten Luxusbus nach Motril gehen, das sind ungefähr
70 km südlich, unweit von dort ist ein nicht so überlaufener
Langstrand. Als wir im Bus schon gute 30 km zurückgelegt hatten,
bekam der Busfahrer über Funk die Nachricht, dass im benachbarten
Hafen von Castell de Ferro ein Schiff in Brand geraten wäre, weshalb
man es für sinnvoller hielt, ein Ausweichziel anzusteuern, damit die
Leute den Strand unbeschwerter genießen können. Den Ausblick auf
ein brennendes Schiff hielt man wohl nicht unbedingt für sehenswert.
So hielt der Busfahrer auf einem einsamen Rastplatz fern jeder
Örtlichkeit und diskutierte über Funk mit seinem Chef, welcher Ort
denn nun als Ersatzziel angesteuert werden soll. Der Busfahrer
bevorzugte Almeria als Ziel, was aber ungefähr weitere 100 km Fahrt
bedeutet hätte. Das wollte sein Chef keinesfalls hinnehmen und er
schimpfte über Funk ziemlich derb mit dem Fahrer. Da diese ganze
Funkdiskussion in spanisch ablief, konnten wir nur bruchstückhaft
folgen, das heißt Kayla bekam da schon mehr mit als ich. Sie sagte,
der Chef habe den Fahrer einen kastrierten Hering genannt, als dieser
den Vorschlag unterbreitete, nach Almeria zu fahren. Am Schluss
setzte sich der Chef durch und befahl dem Fahrer seine Route
sozusagen nach Nerja zu ändern. Das war ungefähr 20 km weiter, als
der zuerst anvisierte Ort und zweigt an der Küstenstraße nach rechts in
Richtung Malaga ab, Almeria wäre nach links gewesen, hätte aber den
Vorteil geboten, dass von der einsamen Straße auf der wir uns
befanden, ein direkter Abzweig in diese Richtung gekommen wäre.
Der Busfahrer kannte aber einen Schleichweg, der auch schneller nach
Nerja führen sollte. So befuhr er den. Der war für einen solch großen
Bus stellenweise schon recht eng und er endete plötzlich an einer
gelbroten Tafel, auf der in übergroßen grünen Lettern Cuevas de Nerja
stand. Wir waren so nah an Nerja und hier sollte trotzdem Ende sein?
Das hätte bedeutet, dass er den ganzen Schleichweg hätte
zurückfahren müssen, sicherlich über 30 km, man macht sich keine
Vorstellung davon, und dann ab dort wieder den offiziellen Weg. So
bemühte der Busfahrer eine Straßenkarte und entdeckte darauf noch
einen anderen Schleichweg. Den ist er dann gefahren, jedoch befanden
wir uns dann anstatt in Nerja plötzlich in einem Küstenort, der sich
Almunécar nannte. Dort war es angenehm ruhig und so blieben wir
halt dort. Das Meer ist ja immer wieder eine tolle Sache, aber die
Beschaulichkeit der nördlich von Granada gelegenen Gebiete im
Vegatal oder wie die das nannten, fand ich persönlich noch viel
schöner. Jedenfalls haben wir dort in Almunécar gut entspannt, die
Ruhe sehr genossen. Das hatte eine ganz andere Qualität, als das rege,
teils schon nervige Treiben in Granada. Auf der Rückreise hat der
Busfahrer dann eine andere Route gewählt, dabei kamen wir aber
durch einige Orte, dort möchte ich wirklich nicht mein Dasein fristen.
Halbverfallen, staubig, verdörrt, man hatte dort den Eindruck, jeden
Moment von herabfallenden Steinen erschlagen zu werden. Hinter
einem solchen Nest machte der Busfahrer halt, weil er dort tanken
musste. Die ganze Tankstelle wirkte etwas baufällig. Im Stil der
frühen 70iger erbaut, mit breiten Beton-Flächen, die schon
zerbröselten und T-förmigem Überdach, eine großflächige Tankstelle
mit nur wenigen recht alten Zapfsäulen, die alle um einen modernen
Aufsatzkasten mit Euro-Anzeige ergänzt worden waren, wohl als der
Euro die Pesetas ersetzte. An der Tankstelle gab's erst ein Riesenhallo
zwischen dem Tankstellenbesitzer und dem Busfahrer, die
lamentierten bestimmt 20 Minuten lang wie Verwandte oder alte
Schulfreunde es tun, bevor mit der Betankung begonnen wurde. Wir
dachten schon, der Busfahrer habe seine Fahrgäste und den Bus völlig
vergessen. Dann ging die Zapfsäule entzwei, da sie solchen
Litermengen wohl nicht mehr gewachsen war. Sie stank nach
verbranntem Gummi und brummte nur noch, aber es kam kein Diesel
mehr. Das war aber nicht so tragisch, denn zu diesem Zeitpunkt waren
schon über 100 Liter rübergeflossen und für die weitere Rückfahrt
nach Granada reichte das aus. Ich weiß nicht, an dem Abend waren
wir so müde, dass wir schon gegen 21 Uhr wie tot ins Bett fielen und
am anderen morgen fast bis 11 Uhr geschlafen haben, was uns sonst
hier nicht passierte. Wir beschlossen ab diesem Tag alle möglichen
vom Veranstalter geplanten Ausflüge und Besichtigungen nicht mehr
mitzumachen, sondern alles auf eigene Faust zu erkunden. Das war
dann auch goldrichtig, da die weiteren angebotenen
Besichtigungsprogramme teils saftige Zusatzpreise beanspruchten,
aber auch nicht so recht unseren Interessen gerecht wurden. Wissen
Sie, es gibt so schöne Landschaften dort, ein Wechsel zwischen karg
und sanfter Vegetation und dazwischen punktuell üppige Vegetation,
das kann man sehr gut genießen. Ich finde das toll, einfach mal dort
raus zu fahren, sich dann für ein paar Stunden in eine einsame
Landschaft zu setzen und nur diese zu genießen. Das geht dort sehr
gut. Nur diese ganzen Reiseveranstalter bieten genau das nicht an. Die
treiben einen von Kirche zu Kirche, von einem vermeintlich
historischem Gebäude zum nächsten u.s.w., das ist ja auch vielleicht
alles schön, aber uns ging es vornehmlich um die Landschaft. Wie
gesagt, dieser ganze Kirchentourismus ist ohnehin nicht unser Ding.
Museen gibt es reichlich, sehr schöne, aber auch stinklangweilige. An
einem Museum, welches wir zufällig an einem Tag besuchten, wo der
Eintritt völlig kostenlos war, war das Gebäude selbst viel
interessanter, als die dort ausgestellten Skulpturen. Verrenkte
Standfiguren, antike Steinfiguren, dazu fehlt mir irgendwie der Draht,
finde ich ehrlich gesagt wenig sehenswert. Gewiss kunstfertig
gemacht, mit hohem Können, trotzdem gähnend langweilig, aber das
Gebäude in dem die untergebracht sind, entschädigt doppelt dafür und
das war wirklich sehenswert. Skulpturen, Figuren und ähnliche
Darstellungen waren das Hauptgebiet dieses Museums, aber auch
andere Dinge. Ehrlich gesagt kamen wir uns leicht verhohnepiepelt
vor, als wir dort auf eine mehrfach gesicherte Alarmvitrine stießen, in
der sich das angeblich wertvollste Stück des Hauses befand. Zu sehen
war darin eine leicht verbeulte Blechtaube, die in etwa die Größe einer
echten Taube hatte und teils in taubengrau bemalt und teils mit
Blattgold oder irgendwie mit Gold besetzt war. Was daran so
künstlerisch wertvoll sein sollte, konnte sich uns nicht erschließen.
Hätte ich das Ding auf einem Flohmarkt entdeckt, so hätte ich es
bestenfalls bei sehr guter Laune mit einem Wert von 2 Euro eingestuft
und selbst das nur bei schönem Wetter. An der Vitrine stand aber, dass
diese unscheinbare Blechtaube unter Kunstkennern angeblich 1,7
Millionen Euro wert sei. Die Menschen sind verrückt und das scheint
sich besonders auf Kunstliebhaber zu beziehen. Nun bin ich
keineswegs der Kunst abgetan, aber zu so etwas, wie dieser
Blechtaube, fehlt mir dann doch jeder Funke der Erleuchtung. Es gab
in dem Museum auch ein Gemälde vom berühmten Salvatore Dali,
welches da wertmäßig mit nur rund 900.000 Euro als deutlich geringer
eingestuft war. Da meckerten auch manche Betrachter drüber, weil es
einige Köpfe zeigte, die an einem Haus, wie Neugierige aus den
Fenstern guckten, allerdings das mit überlangen Hälsen, die fast bis
zur Straße vor dem dargestellten Haus reichten, natürlich alles in dem
typischen Dali-Stil, aber das fand ich persönlich wirklich künstlerisch
wertvoll. Kayla fands hingegen erschreckend, das wiederum konnte
ich nicht nachvollziehen, was daran erschreckend sein soll. Aber so ist
das halt mit der Kunst, es hängt vor allem davon ab, was sich der
Betrachter dabei denkt. Dieser Dali soll auch mal ein halbes Jahr oder
so in Granada oder der Gegend gewohnt haben und dieses Gemälde
muss wohl hier entstanden sein. Ich glaube, sonst hat er aber meist
irgendwo in Nordspanien gelebt.
Ungewöhnlich fand ich dann eine abgetrennte Ecke in einem großen
Saal, die ein eigenes Eingangsportal aufwies, über welchem in
englisch Life-Art in leuchtend neonrosa und neongrün stand. Wir
traten dort ein und drinnen stand ein alter Küchentisch, an dem zwei
junge Männer saßen. Auch die restliche Dekoration des Raumes war
wie ein alte Küche getrimmt, wie man sie vielleicht vor 40 Jahren
kannte. Mit altem Herd, alter Spüle und ähnlichem Zeugs. Der eine
Mann, der ziemlich kräftig und durchtrainiert wirkte, war ungefähr 30
Jahre alt und trug einen kurzgeschorenen Kahlkopfhaarschnitt, stützte
seinen Kopf mit dem wiederum auf den Tisch gestützten Arm ab, so
ähnlich, wie wenn jemand gelangweilt einer Fernsehsendung zusieht.
Der andere Mann, eher schmal und vielleicht 20 Jahre alt, lange Haare
und insgesamt etwas käsig-schmächtig wirkend, hatte einen riesigen
Teller mit Spaghetti vor sich stehen. Ab und zu pickte er mit einer
Gabel einige einzelne Spaghetti heraus und verzehrte die, dann ergriff
er etliche Nudeln mit der Hand und streute diese dem anderen auf den
Kopf oder aufs Hemd. Meistens verteilte er sie aber auf seinem Kopf.
Jeder Zuseher hätte sicher nun erwartet, dass dem Kräftigen bald der
Kragen platzt und er dem anderen eine Tracht Prügel verpasst oder ihn
wenigstens ermahnt, das bleiben zu lassen. Aber nichts, der blieb starr
in seiner gestützten Kopfhaltung sitzen, während der andere weitere
Spaghetti auf seinem Haupt verteilte, solange, bis die älteren Spaghetti
schon vorne wieder runter fielen. Es war keine Soße auf den
Spaghetti, die waren wohl nur gekocht, also nicht dass Sie jetzt
meinen, der andere wäre damit stark bekleckert worden. Trotzdem
eine eigenwillige Situation und das Gesamte sollte eben ein
Kunstwerk sein. Von den Zuschauern ließen sich die beiden auch
nicht aus dem Tritt bringen oder beeinflussen, obwohl einige darunter
waren, die sichtlich schimpften, in spanisch, aber das es geschimpft
war, war eindeutig. Nur irgendwann musste Kayla ziemlich laut
lachen ob dieser abstrusen Situation, im ersten Moment führte das
dazu, dass der ältere von beiden für einen kurzen Moment grinste, sich
aber gleich wieder einfing und seine starre Langeweilehaltung wieder
einnahm.
Wenn man eine derartige Reise unternimmt, stößt man nicht nur auf
Dinge, die einem gefallen, das habe ich auch an anderen Stellen hier
kund getan. Das hatte ich auch nicht anders erwartet. Wer so etwas
erwarten würde, der müsste sich schon entweder selbst belügen oder
irgendwo hin fahren, wo er schon öfters war und deshalb genau weiß,
was ihn dort erwartet. Was mir sehr eigenartig vorkam, war der Hang
der Spanier zu Prozessionen im Zusammenhang mit
Heiligenverehrungen und dergleichem, ähnlich wie man es aus
Deutschland an Fronleichnam kennt, nur viel pompöser. Man sagte
uns schon, dass wir doch Glück hätten. Glück, weil wir erstens nach
Ostern dort waren, dann gibt es im Vergleich zu vor Ostern und
Ostern selbst wesentlich weniger solcher Prozessionen, und weil wir
zweitens im Raum Granada waren und nicht im Raum Cordoba oder
Sevilla. Dort gäbe es in jeder dieser Städte alleine kurz vor Ostern
sage und schreibe über 60 Prozessionen. Trotzdem ist es eine
Zumutung. Der Verkehr ist dann dicht, an Durchkommen ist selbst zu
Fuß nicht zu denken. Das stört die gar nicht, wenn selbst der
überregionale Verkehr deshalb zusammenbricht. Wir haben in
Granada selbst ein paar solcher Prozessionen miterleben müssen und
ich kann nur sagen, die erste war noch sehenswert, aber ab der zweiten
ging es einem nur noch auf den Wecker. Diese Art der Prozessionen
ist so, als würde man in Deutschland eine Fronleichnamsprozession
mit einem der großen Rosenmontagszüge mischen. Das klingt
vielleicht leicht blasphemisch, ist aber überhaupt nicht so gemeint,
sondern eine rein sachliche Beschreibung, damit sich ein
Außenstehender halbwegs eine Vorstellung machen kann, wie das
abläuft. Dort werden Sänften und verzierte Plattformen gebaut, die
dann von bis zu 40 starken Männern getragen werden. In oder auf
diesen Tragaltären befinden sich dann Ausschmückungen,
Heiligenfiguren und manchmal sogar lebendige Menschen, oft Kinder,
die bestimmte Figuren oder Szenen aus der Bibel darstellen. Man
könnte sagen, es ist ähnlich wie bei den Rosenmontagszügen solche
Faschingswagen, nur ohne Räder, sondern anstatt dessen getragen von
diesen kräftigen Männern. Wissen Sie, ich habe gewiss nichts gegen
Heiligenverehrung oder dergleichen, aber das hier artet mehr in ein
Live-Volksspektakel und übertriebene Selbstdarstellung aus, vor
allem aber jedes Mal in ein grenzenloses Verkehrschaos. Einfach
grässlich, kann ich da nur sagen. Ich weiß auch noch nicht einmal
genau, ob es dort im Jahr einmal längere Phasen gibt, in denen solch
ein nervendes Gehabe und Theater nicht veranstaltet wird. Wenn es
die gibt, sollte man generell dem Reisenden empfehlen, zu dieser Zeit
dorthin zu fahren.

In Granada ist man übrigens nicht nur auf die breite historische
Geschichte der Stadt stolz, sondern man schreibt sich auch seinen
Beitrag zur modernen Computergeschichte auf die Fahnen. So wurde
man allenthalben mit der Information versorgt, dass dieses Email-
Zeichen oder wie man das nennen mag, manche nennen es auch at,
Klammer-A oder Klammeraffe, also folgendes Zeichen meine ich: @
was heute jede Tastatur ziert, in Granada erfunden wurde. Oder man
muss wohl eher sagen entworfen, kreiert wurde. Das geschah aber
nicht erst vor wenigen Jahren, sondern wohl schon Anfang der
siebziger Jahre, wobei das Zeichen damals noch nicht die heute
übliche Verwendung fand, sondern nur von professionellen
Programmieren für irgendwelche Spezialzwecke benutzt wurde.
Normal denkt man immer, so etwas kommt aus Amerika.
Überhaupt irritiert einen vielleicht fast schon ein wenig, dass man in
Granada und Umgebung sehr computerbeflissen zu sein scheint. In
fast jedem einfachen kleinen Geschäft stehen hochmoderne
Computerkassen, an allen Ecken gibt es Computerläden mit allen
erdenklichen Sachen. Ohne jede Übertreibung kann ich sagen, dass
alleine im Umkreis von etwa 6 Straßen um unser Hotel mindestens 10
Computerläden existierten. Sogar in vielen Restaurants kommt die
Bedienung mit einem Taschencomputer an den Tisch, gibt die
bestellten Menüs und Getränke ein und schrumms wird das
automatisch in der Küche angezeigt, zubereitet und die Getränke an
der Theke bereit gestellt, während die Bedienung schon zum nächsten
Tisch hastet, um die Bestellung aufzunehmen. Hat sie dann auf diese
Weise vielleicht 4 Bestellungen aufgenommen, geht sie zur Theke und
holt schon einmal die vom Thekenpersonal vorbereiteten Getränke ab
und bringt sie den Gästen. Die Übertragung der Bestellungen zur
Theke und in die Küche erfolgt vermutlich per Funk. Was ich selbst
sehen konnte war, dass an der Theke ein Flachbildschirm in rot
jeweils die aktuellen, offenen Bestellungen anzeigte, in grün die schon
erfolgten, also die, die schon beim Gast auf dem Tisch stehen, in blau
wenn einer bezahlen will und in schwarz wenn einer bezahlt hat und
gehen will. Jedenfalls hat die Bedienung das Kayla auf anfragen so
erklärt. Ähnlich wird dann wohl in der Küche angezeigt, was aktuell
an Menüs bestellt ist, damit die das dort fertig machen. Dadurch geht
das alles selbst bei vollem Haus viel schneller als in Deutschland, wo
die noch langweilig mit dem Zettelchen herumlaufen oder gar gleich
auswendig sich die Sachen merken und dann per Mund weitergeben.
Diese Sache finde ich gut, so hat man die angenehmere Atmosphäre
eines normalen Gasthauses mit einer fixen Schnelligkeit verbunden.
Andererseits hätten wir nicht viel davon, wenn es das in Stuttgart auch
gäbe, weil wir keine großartigen Restaurantbesucher sind. Vielleicht 2
mal pro Jahr kehren wir in einem Restaurant ein, eher noch seltener.
Ich weiß, früher sagte man diesen südlichen Ländern immer eine
gewisse Rückständigkeit in punkto technischer Entwicklung und
Nutzung nach, aber ganz ehrlich kommt mir das heute genau
umgekehrt vor, zumindest wenn ich mich an meinen Beobachtungen
dort orientiere und das mit der Situation in Stuttgart vergleiche.
Zu dieser ganzen Sache passt nach meiner Meinung auch folgendes.
Schon am zweiten Tag dort wunderte ich mich darüber, dass neben
sehr vielen Fenstern an sehr vielen Häusern ein Eisenwinkel mit einer
vielleicht 30 x 40 cm großen Blechtafel angebracht war. Zunächst
glaubte ich, das sei ein besonderes Zeichen beziehungsweise eine
Halterung für ein Zeichen, eine Fahne, vielleicht ein Heiligenbild oder
so was, was man möglicherweise dann bei einer der unzähligen
Prozessionen hier benutzt, also als Befestigungshilfe. So
prozessionsfreudig die hier auch sind, aber damit hatte es nun rein gar
nichts zu tun, wie sich später herausstellte. Das ist ein bestimmter Typ
billiger Solarzellen, den man dort in fast jedem Elektroladen zu
kaufen kriegt. In wenigen Minuten an jedem Fenster montiert lädt das
Ding über Tag einen Akkumulator auf, der seinerseits nach der
Dämmerung einen Kasten antreibt, der sich Wandler nennt und wo
dann hinten normale 230 Volt rauskommen. Diese betreiben dann die
Lampen in der Wohnung, solange diese Ladung reicht, erst wenn es
dann nicht mehr reicht, wird der Strom aus dem normalen Stromnetz
herangezogen. Das soll unheimlich viel sparen und bei den vielen
Sonnenstunden dort, wird der Akkumulator sicherlich auch schnell
voll. Ein älterer Spanier, der relativ gut deutsch sprach, weil er von
1965 bis 1998 in Deutschland als Gastarbeiter war, mit dem habe ich
mich ab und zu etwas unterhalten. Der hat mir das alles erklärt und
sagte, dass eine solche einfache Anlage heute schon für nur 130 Euro
zu haben sei, komplett mit allem Drum und Dran, man muss sie nur
dann selbst montieren, wozu man aber eigentlich nur 2 Dübel in die
Innenbacken der Fensterleibungen zum Halten dieser Solartafel
bohren muss, das kann nun eigentlich heute jeder. Dann muss man
noch mit ein paar Steckern die einzelnen Dinge wie Solartafel,
Wandlerkasten und Akku miteinander verbinden. Da sagte der alte
Spanier grinsend, dass sie Deutschland doch schon längst als Technik-
und Industriestandort überholt hätten. Ich musste ihm recht geben,
wenn man das alles dort sah. Er glaubte, das läge in Deutschland an
der immer mehr um sich greifenden Zukunftsangst und
Technikfeindlichkeit. Er meinte die früher führende Nation
Deutschland leide heute unter einer flächendeckenden
Lähmungserscheinung in Sachen Fortschrittsdenken. Jedem
Bedenkenträger wird mehr Gewicht zugemessen, als allen
zukunftsweisenden Dingen zusammen. Na da sagt er uns im Prinzip
nichts neues, aber er hat völlig recht.

Rund 2.200 km pro Richtung im Bus das ist natürlich auch schon eine
Strapaze für sich, wobei sich die Frage erhebt, ob die Bewältigung
einer solchen Distanz im eigenen Auto angenehmer wäre.
Wahrscheinlich auch nicht und schon gar nicht in solch einem kleinen
Wagen, wie meinem Suzuki. Hier hätte ein dicker Mercedes sicher
seine Vorteile ausspielen können, den ich ansonsten gewiss nicht
vermisse. Dafür läge sein Verbrauch auch dementsprechend krass
höher. Aber so, im Bus, stellte sich solch eine Frage erst gar nicht und
von den Gesamtkosten ging es nicht günstiger. Vor Ort, ich sprach es
an verschiedenen Stellen schon an, fehlt einem das eigene Auto aber
noch wesentlich mehr, als zuhause. Man hängt wie ein Brett in der
Landschaft und ist ständig auf irgendwelche Busse und ähnliches
angewiesen. Einen Tag sind wir mit der Eisenbahn gefahren, ein sehr
moderner Triebzug von Granada nach Loja, dort gab es einen immens
langgezogenen See, unbeschreiblich schön gelegen, direkt zum
Verlieben. Von Loja musste man dann aber noch mit einem Bus direkt
ab Bahnhof etwa 17 km bis zu diesem See fahren. Überhaupt sind
Busse das beherrschende öffentliche Verkehrsmittel in Spanien oder
zumindest in dieser Region. An einem Tag waren wir die
Abhängigkeit von Busangeboten aber leid und haben uns einen
Leihwagen genommen. Das war auch so ein Abenteuer für sich. Wir
wollten ins nördliche Hinter- oder besser gesagt aus unserer Sicht
Vorland von Granada. In die Ecke, wo wir da hin wollten, gab es aber
so gut wie gar keine Busverbindungen. So betrachteten wir unsere
Finanzlage und fragten uns bei verschiedenen Autoverleihern durch.
Am Stadtrand von Granada, schon mehr in Pulianas wurden wir auf
einen Autoverleiher aufmerksam, der ein endlos langes Gelände fast
in freier Feldlage mit zig Autos zum Vermieten da hatte. Mindestens
70 PKW und nochmals 20 LKW warteten auf Kundschaft. Am
billigsten war ein kleiner Seat-Marbella zu haben, das ist im Prinzip
wie ein alter Fiat-Panda, Tagespreis 26 Euro plus Volltanken beim
Abgeben und für jeden Kilometer, der über 100 gefahrene Kilometer
rausgeht 2 Cent dazu, die 100 Kilometer waren frei. Wir verhandelten
mit dem und binnen weniger Minuten hatten wir den Preis auf 16 Euro
gedrückt und wurden uns einig. Der Wagen war nicht schön, knall-
neonviolett gespritzt, ekelhaft, aber zum Fahren war uns das egal. Wir
bekamen die Zündschlüssel und einen Wisch als Vertrag, den Kayla
unterschrieb, und ab sollte die Fahrt gehen, ging sie aber nicht. Ich
setzte mich ans Steuer und versuchte zu starten, aber die Karre sprang
nicht an. Dann kam der Vermieter und versuchte es selbst, ohne
Erfolg. Er meinte dann in gebrochenem Deutsch, dass der Wagen
zuletzt vor 4 Monaten gelaufen sei und ihm wohl die lange
Stillstandszeit nicht bekommen ist. Er bot sogleich Ersatz an, in Form
von einem Suzuki-Vitara-Geländewagen, was mir natürlich Freude
bereitete, da ich an die Marke gewöhnt bin, wenngleich so ein großer
Geländewagen, obwohl der Vitara ist innen so extrem groß dann auch
wieder nicht. Naja, der Haken war wohl der, den wollte er nicht für 16
Euro rausrücken, obwohl er sichtlich bemüht war, uns Service zu
bieten. Der würde normalerweise 45 Euro am Tag kosten, weil Allrad
und geländetauglich, wegen des gepatzten Seats würde er uns den
einen Tag lang für 25 Euro lassen. Wir verhandelten weiter und am
Schluss haben wir ihn für 20 Euro bekommen. Der war auch schon 8
Jahre alt, lief aber relativ gut, wohl weniger gefallen hat uns sein
Benzinverbrauch. Wissen Sie, ich bin von meinem Schrumpfsuzuki an
Verbräuche um die 5-6 Liter gewöhnt, hier war es mehr als das
Doppelte, eher in Richtung 15 Liter. Ich vermute auch, dass er nicht
nur wegen des größeren Motors und des Mehrgewichts soviel
brauchte, immerhin hatte er fast 100 PS, auch war er wahrscheinlich
schlecht gewartet, denn der Motor lief etwas unrund und russelig,
zugleich schossen öfters übelriechende blaue Qualmwolken
sporadisch aus dem Auspuff. Die riecht man ja selbst nicht, außer
wenn man auf einem Parkplatz mit laufendem Motor steht, also wen
stört's? Ansonsten fuhr er aber sehr schön und trotzdem zuverlässig
und auch noch ziemlich flott. Von weiteren Aktionen dieser Art
hielten wir dann aber Abstand, weil durch die doch hohen
Nachtankkosten am Schluss kamen wir auf über 70 Euro
Gesamtkosten für dieses eintägige Fahrvergnügen. Weitere solcher
Eskapaden hätte unser Portemonnaie nicht verkraftet. Wissen Sie,
hätte ich meinen Suzuki dort gehabt, dann hätten mich solche
Tagestouren vielleicht 10 bis 15 Euro zusätzlich gekostet und das
wäre ok gewesen, aber so. Bin ich Onassis?

Autos scheinen in Spanien deutlich billiger zu haben zu sein, als hier.
Ein Gebrauchtwagenhändler, direkt in der Nähe unseres Hotels, bei
dem wir immer vorbei mussten, um ins Hotel zu kommen, hatte einen
Ford-Fiesta-Diesel der erst 4 Jahre alt war, 42.000 km gelaufen war
und noch sehr gut aussah schon für nur 2.800 Euro dastehen. Einen
VW-Polo, 5 Jahre alt, Diesel, 47.000 km gelaufen, noch besser
aussehend, wie neu sah der aus, für glatte 3.000 Euro. Einen Renault-
Clio, 3 Jahre alt, Benziner, 28.000 km gelaufen für 2.600 Euro. Für
kaum 1.000 Euro mehr gab es dann schon einen gleichaltrigen Mazda
6 oder so ähnlich, also eine große Limousine mit, ich glaube fetten
110 PS. Letzteres natürlich kein Auto für mich, weil im Unterhalt viel
zu teuer. Aber die anderen 3 sind ja da schon eher meine Kragenweite.
Alle diese Fahrzeuge hätte man in Stuttgart selbst für den doppelten
Preis nicht bekommen. Nicht dass ich meinen Suzuki auswechseln
möchte, solange der noch gut läuft, aber man staunt nicht übel, wenn
man diese Preisunterschiede sieht. Und ich frage mich schon, ob man
bei den heutigen EU-Richtlinien dort einfach einen Gebrauchtwagen
so günstig kaufen und hier gleich zulassen könnte.

Teil 2 / Fortsetzung auf der nächsten Seite.