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Auf dieser Seite finden Sie die beiden Lappenkeuler - Beiträge “Arm und Reich” und “Wirtschaftstheorien” aus dem Jahre 2004. Beide Textbeiträge können hier direkt gelesen werden oder auch als jeweils eigenständige PDF - Datei heruntergeladen werden.
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Beitrag 1
Lappenkeuler - Brief / Email "Arm und Reich" vom 09.07.2004
Unzählige Grüße.
Sehen Sie, es ist nun doppelt gut, dass ich mir den Suzuki gekauft habe. Zuletzt berichtete ich Ihnen, dass ich einen Bekannten von Malmsheim nach Stuttgart gefahren hatte. Das war nur als einzelne Hilfe gedacht, weil ich den halt gut kenne und er sonst nur umständlich nach Stuttgart gekommen wäre. Nun muss dieser aber jede Woche einmal nach Stuttgart und tags später wieder zurück in sein Heimatdorf. Kostenlos konnte er eine dauerhafte Chauffierung jede Woche von mir nicht erwarten, so dicke habe ich es nicht, dass ich ihm das auf lange Sicht spendieren kann. Er kam selbst auf die Idee und schlug mir vor, dass ich ihn, wenn immer ich Zeit habe, einmal pro Woche in dieser Art hin und her chauffiere. Er gibt mir dafür pro Woche 30 Euro, zusammen für Hin und Zurück. Da lasse ich mich nicht zweimal bitten. Die einfache Strecke ist ungefähr 25 Kilometer, es sind also pro Woche etwa 100 Kilometer zu fahren, weil ich zuerst leer hin muss und am zweiten Tag will ich ja auch wieder nach Hause, also eine weitere Leerfahrt ist notwendig, nachdem ich ihn zuhause abgeliefert habe. Manchmal wähle ich auch einen Umweg. Wenn viele blöde Drängellaster unterwegs sind, nehme ich den, weil die den nicht fahren, dadurch würden die in den engen Kurven zuviel Zeit verlieren. Das wären dann gute 125 Kilometer die Woche. An Unkosten komme ich vielleicht auf 8 Euro, wenn ich Auto- und Reifenverschleiß hinzuzähle. Ohne Auto wäre das gar nicht möglich und es ist mir ein angenehmer Nebenverdienst, zumal keine ganz festen Zeiten einzuhalten sind. Es ist ihm egal, ob ich ihn Mittwoch, Donnerstag oder Freitag nach Stuttgart und tags auf wieder zurück fahre. Nur an den anderen Wochentagen will er generell nicht. Donnerstags kann ich aber derzeit nicht, wegen dem Kayla - Seminar in Heubach, das ist jedoch in einer Woche beendet und dann kann ich ihn auch donnerstags fahren.
Wo wir gerade bei Kaylas Seminar sind. Nach den ersten Tagen berichtete ich Ihnen schon, welch ein Unsinn den Teilnehmern dort an Lehrstoff geboten wird. Die Hoffnung, dass sich der Unterrichtsstoff ab der zweiten Woche auf ein anspruchsvolleres Niveau anhebt, wurde bitter enttäuscht. Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen sich gewaltig vorgeführt vor, es wäre kein Problem, die dortigen Lehrkräfte durch die Schüler zu ersetzen, ohne Gefahr zu laufen, dass es am Bildungsergebnis etwas ändern würde. Ein völlig sinnloser Unterricht ist das, der den Leuten Zeit und Geld kaputt macht. Wozu soll man 60-70 km in einen Unterricht fahren, die Woche über dort bleiben, um sich dann selbstverständliche Dinge erklären zu lassen, die selbst jeder absolute Schwachkopf auf der Straße auf Anhieb weiß? Einige der Lehrkräfte stehen trotzdem zu 100 % hinter der Sache, müssen sie ja auch, es ist schließlich ihr Job, und nerven die Teilnehmer aufs Ärgste. Daraus entwickelt sich dann eine ähnliche Gegenbewegung, wie an mancher Schule. Um ihrem Frust Luft zu machen, denken sich manche Streiche aus, die teils auch schon ein wenig weit gehen. Eine junge Frau aus Slowenien tut sich dabei besonders hervor und hat täglich neue Einfälle, den Lehrkräften das Leben schwer zu machen. Oft entsteht daraus ein halbtägiges Gezänk, weil man verlangt, die Verursacherin preiszugeben, was aber nicht geschieht. Ansonsten ist es nur ein Zeitabsitzen dort. Ob Kayla dem Sabberkopf da vorne während des Unterrichts zuhört oder nicht, das ändert gar nichts, weil es effektiv nichts zu lernen gibt. Man könnte genauso gut eine Märchentante dorthin stellen, die aus Willhelm Busch liest, das hätte sogar noch mehr Sinn.
Ein früherer Teerkocher von Beruf, ein grobschlächtiger Mensch, mit Pratzen wie Schöpfkübel, aber dennoch ein Gemütsmensch, der jahrzehntelang voller Stolz eine große Teermaschine im Straßenbau bedient hat, meldet sich ab und zu bei mir, um in alten Zeiten zu schwelgen. Wir haben uns voriges Jahr zufällig im Wartezimmer bei einem Nachuntersuchungstermin kennen gelernt oder genauer gesagt wieder kennen gelernt. Ich kannte den von früher noch etwas, weil er Anfang der siebziger Jahre an meinem damaligen Wohnsitz kurz in einer Nachbarwohnung von mir gewohnt hatte. Er hatte mit den Frauen in seinem Leben wenig Glück, so etwas soll es ja geben, wie ich von meiner ersten Frau auch zu berichten weiß, nur bei ihm sind es gleich drei Frauen, die ihm zu schaffen machten. Seine erste Ehefrau, die ich flüchtig noch aus seiner Zeit als mein Nachbar kannte, war damals schon als restlos sexsüchtig bekannt. Das hat gewiss nicht nur Vorteile, eine zeitlang ist das durchaus sehr schön, aber Sie wissen ja wie das ist, wenn man über Jahre hinweg immer mit der selben Frau sexuelle "Höchstleistungen" erbringen soll, dann ermattet man und das Interesse lässt nach. Es wäre vielleicht anders, wenn man dazwischen öfters etwas Abwechslung hätte, womit ich nicht danach rufen will, aber genauso hat sich diese Frau das wohl auch gedacht und hatte fürs Bett dann neben ihrem Ehemann, dem Teerkocher, ständig wechselnde Bekanntschaften nur für diesen einen Zweck. Eigentlich kam jeder gelegen, der nur wollte. Während ihr Gatte Teer kochte, heizte sie sich anders ein und es gab Tage, da gingen zwischen morgens 8 und Nachmittags 15 Uhr bei der 3 oder 4 verschiedene Kerle ein und aus. So etwas konnte nicht lange gut gehen und wie ich von ihm hörte, folgte ein Jahr später bereits die Scheidung. Seine folgenden Frauen kannte ich nicht persönlich, nur von seinen Erzählungen. Die zweite, wohl eine Parfümverkäuferin, sehr attraktiv und eigentlich schon optisch gar nicht zu dem grobschlächtigen Teerkocher passend, fand dann durch einen Zufall zu ihm. Weil er ihr aus einer sehr misslichen Situation geholfen hatte, verknallte sie sich schlagartig in ihn, es wurde schon wenige Wochen später geheiratet. Aber die Ansprüche der Dame lagen so hoch, dass der Teerkocher Mühe hatte, noch genug Geld zum Essenkaufen übrig zu behalten. Darüber gab es dann immer öfter Streit und irgendwann ergriff die feine Dame einen großen Glasaschenbecher und zertrümmerte diesen auf dem dicken Schädel des Teerkochers. So stabil er auch ist, gut war ihm das nicht bekommen, er musste danach 2 Wochen ins Krankenhaus. Die Ehe ging dann auch schnell zu Ende. Dann blieb er einige Zeit solo, was ihm aber auch nicht gefiel und er suchte sich aus diversen Zeitungs- Partnerschaftsanzeigen eine neue Frau aus. Das ging dann völlig in die Hose. Die Dame hat ihn bis auf die nackte Haut ausgezogen, jedoch mehr in finanzieller Hinsicht und man muss davon ausgehen, dass die das schon so geplant hatte und öfters macht. Eine Woche war sie bei ihm, eine Woche lang hatten sie auch viel Spaß, aber als er an einem Tag von der Arbeit nach Hause kam, war die Dame weg, die Konten geplündert, alle halbwegs wertvollen Sachen aus der Wohnung verschwunden. Heute ist dieser Schrank von Mann so fertig, dass er schon zusammenzuckt, wenn nur eine Frau näher als einen Meter an ihn herantritt. Das muss man erlebt haben. Mir will er nun immer Vorsichtsmaßregeln aufdrängen, ich solle mich vor Kayla hüten, irgendwann würde die so ähnlich vorgehen und mir das letzte Hemd ausziehen. Keiner ist sicher, aber ich denke, wenn Kayla wirklich derartige Absichten hätte, dann hätte sie schon längst zugeschlagen und dann hätte sie sich bestimmt nicht gerade so einen armen Wicht wie mich herausgesucht, sondern einen, bei dem echt etwas zu holen ist. Das Wertvollste, was ich besitze ist der Suzuki-Alto sowie mein Notebook und ich glaube kaum, dass Kayla es darauf oder mein altes 20-Euro-Radio abgesehen hat. Soviel Mühe, sich monatelang so zu verstellen, nur um am Ende an die paar Sachen heranzukommen, das kann man sicherlich als äußerst unwahrscheinlich bezeichnen. Auch dicke Sparkonten gibt es bei mir nicht zu plündern. Hier kann man sicher sagen, dass diese Gefahr bei Kayla aus heutiger Sicht nicht besteht. Da wäre es wahrscheinlicher, dass sie sich irgendwann anders orientiert, weil ich im Vergleich zu ihr nun ja mal über 30 Jahre älter bin und sie vielleicht irgendwann lieber einen knackigeren Mann als mich alten Zausel bei sich hat. Aber solange alles so läuft, wie es jetzt läuft, mache ich mir in diese Richtung überhaupt keinen Kopf. Solange ich das Leben mit ihr genießen kann, werde ich mir diese Möglichkeit nicht durch zu eifriges Nachgrübeln selbst kaputt reden. Aber der Teerkocher steht inzwischen steif vor Misstrauen gegenüber jeder Frau und versucht jeden zu warnen.
Es ist schon bedrohlich, was sich manchmal in unseren Städten zusammenbraut. Gewaltbereite Schwachköpfe machen sich breit und das jetzt auch schon in Stuttgart, wo unser Stuttgart doch bislang einigermaßen von solchen Auswüchsen verschont blieb. Die Leuschnerstraße gehe ich neulich entlang. Dort spielt öfters ein Straßenmusikant Geige und ein anderer begleitet ihn auf einem ziemlich baufälligen Contrabaß, der schon mehrfach am Gehäuse geflickt ist und sichtlich viel durchgemacht hat. Ich kenne mich nicht aus, ob die Musik Qualität hat oder nicht, aber ich sage mal so, man kann es sich anhören, ohne eine Gänsehaut im positiven oder negativen Sinne zu bekommen. Es ist nach meiner Meinung nichts Besonderes, was die da spielen, aber es ist mit Sicherheit auch nicht schlecht. Wie eine Musikberieselung kann man es gut auf sich herabklingen lassen und es beschwingt einen etwas. Als ich nun dort lang ging, kamen einige Halbstarke und griffen diese beiden Straßenmusikanten an. Schlagartig drängte sich mir die Frage auf, wie verhält man sich in der Situation richtig? Helfend eingreifen und zu riskieren, die Zähne eingeschlagen zu bekommen, immerhin waren die Schläger zu Viert, oder am besten nur aus sicherer Distanz etwas zurufen oder die Polizei rufen? Man weiß auch nie, wie solche Typen drauf sind. Wenn man sich einmischt tun sie vielleicht so, als würden sie klein beigeben und stechen einem dann von hinten ein Messer in den Rücken. Ich rufe nicht gerne die Polizei, aber in solcher Situation ist es das einzig Richtige. Doch bevor ich in einen nebenliegenden Laden gehe, um das zu tun oder wenigstens Bescheid zu sagen, dass die die Polizei anrufen, kommt aus diesem Laden eine rothaarige Frau, die Betreiberin des Ladens ist und sagt, dass sie bereits die Polizei verständigt habe. Eine andere Passantin hat den miesen Typen aus einiger Distanz brüllend die Leviten gelesen, was einen der Prügelverteiler dazu bewog, auf die Frau zuzugehen und sie zu Boden zu schubsen. Dann blökte er zu ihr, dass sie Glück habe so hässlich zu sein, denn sonst hätte er sie jetzt auf der Straße mal ordentlich durchgefickt. Was ich nicht wusste, einige Häuser weiter ist ein Bordell, das sieht man auch von außen nicht, aber deren Chefs fühlten sich durch das Gerangel auf der Straße gestört, wohl auch weil sie befürchteten, dass sie damit in Verbindung gebracht würden, obwohl dem nicht so war, oder weil sie keine Polizei in der Gegend haben wollen, da die schon nur durch pure Anwesenheit das Geschäft vermiest. So kam einer von denen, ein kugelförmig wirkender Muskelprotz, heraus und schnauzte die Schläger an, sie sollen sofort verschwinden, sonst würden sie ihn kennen lernen. Sie ahnen, dass sich solche Rotzlöffel davon nicht beeindrucken lassen. Es versuchten drei von denen an dem Muskelprotz herumzuschubsen und verhöhnten ihn. Immerhin ließ der eine schon mal von der Frau ab, die dann wieder aufstand. Die anderen Drei zogen den Muskelprotz damit auf, dass er ja wohl aussehe wie ein eingeöltes Schwein auf zwei Beinen oder wie eine Bowlingkugel mit Stelzen dran. Dann schubste einer von denen erneut an dem herum und der Muskelprotz sagte laut: "Von Euch Wichsern packt mich jetzt keiner mehr an, verstanden!" Das kratzte die natürlich nicht und der Eine schubste weiter. Noch bevor er es schaffte, zu einem neuen Schubser anzusetzen lag er schreiend auf dem Boden. Ich war zwar dabei, habe aber aufgrund der Schnelle gar nicht mitbekommen, wie der Kraftprotz den binnen Bruchteilen einer Sekunde flach auf die Erde warf. Als von den anderen drei Schlägern dann zwei zugleich den Muskelprotz angreifen wollten, hat er sich einen von denen geschnappt und ihm eine derartige Kopfnuss verpasst, dass er ohnmächtig zu Boden sank. In dem Moment liefen die restlichen zwei in einem Affenzahn davon und haben sich wohl in die Hose geschissen. Dann kam auch schon ein Steifenwagen und die Polizisten haben etliche Passanten, den Kraftprotz, die Frau, die Straßenmusiker und mich als Zeugen befragt. Zwei der Schläger waren noch da, weil der Kraftprotz sie festgehalten hatte, beziehungsweise festhalten brauchte er nur einen, der andere dämmerte langsam aus seiner Ohnmacht und blutete stark aus der Nase. Ich vermute, dass sein Nasenbein dank der kräftigen Kopfnuss gebrochen war. Gewiss ist Stuttgart nicht heilig und nicht gefeit vor derartigen Auswüchsen, aber bislang passieren solche Vorfälle in Stuttgart im Vergleich zu anderen ähnlich großen Städten sehr selten. Hoffentlich hält dieser unschöne Trend nicht weiter an und es verbreiten sich hier solche Gewohnheiten nicht so sehr.
Die teils prekäre wirtschaftliche Lage wird natürlich von vielen Geschäftemachern dazu ausgenutzt, um damit dick Kohle zu machen. So liest man hier in den kostenlosen Werbezeitschriften immer wieder Annoncen von Seminarveranstaltern, die Kurse zum schnellen Reichwerden anbieten. Diese haben mit Sicherheit alle eines gemeinsam: der Einzige, der damit reich wird, das ist der Veranstalter, da die Kurse eine hohe Eintrittsgebühr verlangen oder gleich eine Mitgliedschaft in einem selbst gegründeten Verein zu entsprechend saftigen Aufnahme- und Mietgliedsgebühren erfordern. Die Gastronomiebetriebe, die ihre Räumlichkeiten dafür verpachten, mögen sicher auch noch daran verdienen, aber am allerwenigsten werden die Kursteilnehmer daran verdienen, aber gerade die sind extra deswegen gekommen. Da lobe ich mir fast schon eine andere Veranstaltung, die auf den ersten Blick ähnlich beworben wurde, die sich aber eher kritisch mit dem Thema Reichtum auseinander setzte. Zudem kostete die Teilnahme gar nichts. Es ging hier nur darum, den Leuten besser zu vermitteln, finanziellen Reichtum nicht als das alleinig Glückseligmachende zu betrachten. Viele rennen ein Leben lang der Erweiterung ihrer Sparkonten und Reichtümer nach; andere die finanziell auf keinen grünen Zweig kommen, träumen ständig von endlosem Reichtum und hadern umso stärker mit ihrer Situation, weil sie merken, dass sie sich gerade diesen Traum nie erfüllen können. In Wahrheit könnten die gleichen Leute vielleicht mit dem Wenigen, was sie haben, ein hochzufriedenes Leben führen, wenn nicht ständig dieser Drang nach mehr sowie vielleicht auch der Neid auf andere, die wirklich mehr haben, ihre Gedankenwelt blockieren würde. In dieser kostenlosen Veranstaltung tritt vor allem ein Herr an zwei aufeinander folgenden Tagen auf, der wirklich beide Seiten auf krasse Weise durchlebt hat. Er bezeichnet sich selbst dabei als abschreckendes Beispiel und als lebendiges Trostpflaster zugleich. Er veranstaltet am ersten Tag einen Kurs unter dem Titel: Wie ich reich wurde und am Folgetag den zweiten Teil unter dem Titel: Wie ich wieder arm wurde. Ich habe diese kostenlosen Darbietungen, ich will sie jetzt nicht wirklich als Seminar bezeichnen, besucht und fand es gut gemacht. Sie dauerten nicht überlange, etwa jeweils 90 Minuten und es kostete ja nichts, im Gegenteil, jeder Teilnehmer bekam noch ein alkoholfreies Gratisgetränk eigener Wahl hinzu, ab dem zweiten Getränk musste man dann die Getränke bezahlen. Wem es nicht gefiel, der konnte jederzeit wieder gehen. Eine sehr kleinwüchsige Dame brachte eine langweilige Einleitung und ich überlegte schon, wieder zu gehen. Sie hatte Mühe, ihren Hals über das Rednerpult zu recken und starrte dabei aufgrund ihrer ungünstigen Körperhöhe mehr die Decke als das Publikum an. Nach vielleicht 15 Minuten war ihr trockener Auftakt jedoch zuende und der oben genannte Herr trat auf die Bühne. Er schob als erstes das rollbare Rednerpult zur Seite und mit viel Handgewirbel, fast wie ein Italiener, erklärte er, wie es ihm ergangen war. Zeitlebens hatte er als Maschinenreiniger in einer Fabrik gearbeitet, für damals noch ungefähr 1.500 Mark netto im Monat. Er spielte eigentlich auch nie Lotto oder sonstige Glücksspiele. Dann hatte er aber eine Zeitung gekauft, in der zu Werbezwecken vom Klassenlotto ein normaler Lottoschein einlag. So angespornt füllte er diesen Lottoschein aus und gab ihn ab. Man mag es nicht glauben, aber 6 Richtige waren die Folge und dafür gab es damals in dieser Ausspielung 1,2 Millionen Mark. Eine beachtliche Summe. Er war immer gewohnt mit 1.500 Mark so gerade im Monat über die Runden zu kommen und jetzt 1,2 Millionen, eine für ihn völlig unvorstellbare Summe. Dabei hatte er zuerst die Sache sehr besonnen angegangen. Er hatte nicht, wie man es manchmal hört, auf der Arbeit gleich auf den Putz gehauen und seinem Chef auf den Schreibtisch gepinkelt oder ähnliche Scherze gemacht. Die ersten 3 Monate hatte er auf der Arbeitsstelle davon gar nichts erzählt und das gewonnene Geld auf ein einfaches Sparkonto abgelegt, es aber nicht angerührt. Doch dann folgte ein Spontanauslöser, wie man das bei Psychiatern wohl nennt. Vor versammelter Belegschaft hatte der Chef ihn in der Fabrik bloß gestellt und nieder gemacht, weil er einen winzigen Fehler beim Reinigen einer Maschine gemacht hatte und weil der Chef selbst gerade einen schlechten Tag hatte. Dann sagte im Betrieb noch ein Kumpel, mit dem er sich früher immer gut verstanden hatte, zu ihm, dass er es wohl nie auf einen grünen Zweig bringen würde. Nun brannte bei ihm die Sicherung durch und er sagte sich, dass er es denen nun zeigen würde. Er kaufte sich ein teures Mercedes - Sport - Cabrio, welches mindestens doppelt so teuer war, wie das Auto vom Chef, kam damit jeden Tag zur Arbeit und parkte den Wagen auf dem Firmenparkplatz jeden Tag provokativ direkt neben dem Wagen des Chefs. Das alleine wäre ja noch lustig gewesen, aber da er ohne Frau war, suchte er nun die teuersten Sexclubs auf, die es in der Stadt gab. Dort geriet er noch in die schlechte Gesellschaft von Spielern, ließ sich eine zeitlang von deren Spielsucht mitreißen und so war von dem schönen Geld schon nach einem halben Jahr ein Drittel unwiederbringlich weg. Dann kam zwar eine kurze Phase der Besinnung und Ernüchterung, eigentlich also noch rechtzeitig. Er brach die Kontakte zu den Spielern ab, aber anstatt nun ernsthaft sich Gedanken über die Sicherung und Nutzbarmachung des restlichen Geldes zu machen, wurden noch weitere teure Sportautos gekauft, mehrere Weltreisen kurz hintereinander absolviert, auf denen er es ausgiebig krachen lies. Wenn jemand sichtbar viel Geld hat und damit in der Öffentlichkeit auftaucht, dann zieht er alsbald immer einen Schwarm von "Freundinnen und Freunden" hinter sich her, die es alle prächtig verstehen, mit von seinem Geld zu leben. Er hat das nicht erkannt und unterwegs ließ er sich und alle Schleimer, die an seinen Fersen hingen, gut leben. Feierte rauschende Feste und wochenlange Sexorgien zum Teil mit bis zu 8 Frauen gleichzeitig, kam monatelang nicht mehr recht zur Besinnung. Unter diesen Leuten finden sich dann auch schnell welche, die es auf raffinierte Weise verstehen, den wunden Punkt eines Menschen zu finden, mit dem man ihn am leichtesten entern kann. So hat er das ausgedrückt. Ohne konkret zu werden beschrieb er grob, dass diese Leute nun wohl seinen wunden Punkt gefunden hatten und ihm Dinge boten, auf die er sich einließ. Dinge, die sehr kostspielig waren und die er normalerweise niemals getan hätte. So verfloss der größte Rest des Geldes dann auch noch. Kurz bevor restlos alles Geld weg war, kam er jedoch wie durch ein Wunder noch zur Besinnung. Zu diesem Zeitpunkt waren von den 1,2 Millionen noch knapp 60.000 Mark übrig. Alles andere Geld war natürlich weg, verhurt, verspielt, verreist, verschleudert, für viele teure Autos rausgeworfen, teils auch abgepresst wegen der zuletzt genannten Geschichte mit dem wunden Punkt. Man mag den Kopf schütteln über soviel Dummheit, wie kann man so leichtfertig mit dem schönen Geld um sich werfen, aber dieser Mann ist dabei gewiss kein Einzelfall. Um sich im letzten Moment selbst zu retten, blieb ihm nichts anderes übrig, als seinen Wohnsitz in einer Nacht- und Nebelaktion drastisch zu wechseln und zwar so, dass seine "Freunde" davon gar nichts mitbekommen. Vor allem durften die nicht mitbekommen, wohin er zieht. Er zog in eine andere Stadt, über 400 Kilometer weit weg, in eine kleine, unauffällige Wohnung. Inzwischen wurde der Euro eingeführt und von seinem ehemaligen Reichtum waren ihm nun noch knapp 28.000 Euro geblieben. Für mich auch heute noch ein unvorstellbar hoher Betrag auf einem Haufen, aber im Vergleich zu umgerechnet etwa 600.000 Euro, also ungefähr dem einundzwanzigfachen, da muss man ja wahnsinnig werden, wenn man erkennt, dass man in einer Gesamtzeit von weniger als zwei Jahren aus eigener Dummheit soviel Geld verheizt hat. Er hat dann aber die Kurve wieder gekriegt. Suchte sich wieder einen Job, diesmal als Fensterputzer in Stuttgart, konnte sich mit einem Teil des verbliebenen Geldes später sogar an der Fensterputzfirma beteiligen und heute ist er Alleininhaber dieser Firma, die sehr gut läuft. Ein bewegendes Schicksal, dramatisch und auslaugend zugleich. Ich möchte es nicht erlebt haben, auch wenn es zweifellos einige schöne Momente gegeben haben mag. Jeder trägt so an seinem Bündel, dieser Herr würde wahrscheinlich trotz allem auch nicht mit mir tauschen mögen. Andererseits sage ich mir, wäre mir ein solcher Gewinn beschieden gewesen, so wäre ich völlig anders damit umgegangen, davon bin ich überzeugt. Es ist doch selbst heute mit Sicherheit noch problemlos möglich, 600.000 Euro so anzulegen, dass man davon bis ans Ende seiner Tage angenehm leben kann, nicht in Saus und Braus, das ist mir auch klar, aber angenehm. Vorträge sind Vorträge, natürlich frage ich mich, ob das überhaupt alles stimmt, was der da erzählt hat, weil es schon Stoff für einen Spielfilm hergeben würde. Ich vermute jedoch, dass es größtenteils stimmt, weil vor dem Seminarraum stand ein VW - Bully mit dem dieser Herr gekommen war, auf dem sein Name im Zusammenhang mit einer Glas- und Fensterreinigung stand. Darüber hatte ich mich beim Betreten schon gewundert und fragte mich, ob dort jemand ausgerechnet während des Vortrages die Fenster putzen will.
Entsorgung ist heute das große Thema unserer Zeit und für viele stellt Entsorgung einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. Sicherlich wird es in Ihrem Ort ähnlich sein: getrennte Müllabfuhren für alle möglichen Dinge, für Papierabfälle, für Plastikabfälle, für Abfälle mit grünem Punkt, für Glas, für Textil, für alte Kühlgeräte, für alte andere Elektrogeräte, für Schuhe, für Metallteile, für Restabfälle für Sperrgüter; man verliert inzwischen so langsam die Übersicht, wann man welche Abfalltonne an den Gehsteig zur Abholung bereit stellen soll. Die Müllgebühren sind unverschämt hoch, weil dieser ganze blödsinnige Aufwand ja bezahlt sein will und es wird schon geflüstert, dass sie ab nächstem Jahr wieder ansteigen sollen. Es ist unzumutbar, man raubt den Leuten das Geld, welches dringend zum Leben notwendig wäre, zur Finanzierung dieser völlig sinnlosen Müllwirtschaft. Einem der gut verdient und der monatlich über 2.000 oder noch mehr Euro nach Hause bringt, dem wird es nicht viel machen und der hat gut reden, wenn ich aber mit einem Einkommen von vielleicht 650 bis 800 Euro davon mittlerweile fast 90 Euro pro Monat nur für Abfallentsorgung rausschmeißen soll, was mir persönlich gar nichts bringt, dann ist das existenzbedrohend. Ab nächstem Jahr dann vielleicht 120 Euro?! Die Verantwortlichen wissen ja gar nicht, was sie da tun. Die Müllgebühren richten sich nicht nach dem Einkommen, wenn ich wenig verdiene sind sie genau so hoch, wie bei jemandem der viel verdient. Würde man diese Gebühren wenigstens der Gerechtigkeit halber nach der aufkommenden Müllmenge berechnen, so wäre dies, bei moderaten Gebührensätzen eher hinnehmbar, als diese Abzockerpolitik, die man heute betreibt. Die großen Müllentsorgungsfirmen verdienen sich dumm und dämlich daran und wir finanzieren deren Reichtum. Früher, bis in die Achtziger Jahre hinein, hat es doch auch vorzüglich mit der Müllentsorgung geklappt und da hat es keine 10 % vom heutigen Abfuhrpreis gekostet. Damals gab es auch noch keine Mülltrennung, da kam alles in eine Tonne, ab und zu noch eine Sperrgutabfuhr dazu, fertig! Die ganze Mülltrennung kostet uns nur unnötig viel Geld, erbringt aber nichts, jedenfalls nicht aus wirtschaftlicher Sicht für die Bevölkerung. Man sollte dieses System wieder abschaffen. Früher wurde der meiste Müll einfach auf große Müllhalden gekippt und zugeschüttet, wie es heute mit dem sogenannten Restabfall immer noch geschieht, sofern er nicht in einer Verbrennungsanlage landet. Die Verbrennungsanlagen sind auch so ein Ding. Die kosten viel Geld, unnötiges Geld und der Entsorgungseffekt ist in seiner Gesamtbilanz nicht besser, als würde man den Mist verbuddeln, wie man es früher tat. Früher gab es Schadstoffe in den Müllhalden, bei der Verbrennung qualmen sie aus dem Kamin und verpesten die Luft, was auch nicht besser ist. Dann kommt ein kluger Kopf und behauptet, dagegen sind ja Filter eingebaut, aber Kohlendioxyd kann man nicht ausfiltern und der Treibhauseffekt wird weiter unterstützt und die Filter für den restlichen Dreck saugen sich damit ja auch voll und müssen dann selbst irgendwie entsorgt werden. Das ganze Müllentsorgungsprinzip von heute ist wie ein verblödeter Hund der im Kreis läuft und sich selbst in den Schwanz beißt.
Foto: Müllverbrennungsanlage
Für heute bremse ich mich hier aus. Ich wünsche Ihnen zunächst einmal ein schönes Wochenende, bis auf bald
Ihr
Egbert Lappenkeuler
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Beitrag 2
Lappenkeuler - Brief / Email "Wirtschaftstheorien" vom 12.07.2004
Hallo Ihr Lieben.
War das wieder für eine Woche. Ich hasse Stress und hektische Abläufe, eigentlich bin ich ja problemlos in der Lage, jeden Stress zu vermeiden. Sollte man meinen, aber diese Woche ging das beim besten Willen nicht. So bin ich schon froh, dass das blödsinnige Seminar von Kayla endlich zuende ist. Langsam nervte dieser Mist uns beide sehr.
Im kleinen Park an der Uhlandshöhe, dort wo auch die Sternwarte ist, hat nun ein Forscherteam seltsame weiße Kästen auf Stelzen aufgebaut. Ich glaubte zuerst, es seien Wetterstationen oder Luftmessanlagen, wegen der Umwelt und so weiter. Da bei meinem letzten Vorbeigang dort gerade einige der Forscher an diesen Käste bastelten, habe ich die einfach angequatscht und gefragt. Es ist aber weder das eine noch das andere von mir vermutete Meßsystem, sondern ein Teil einer sogenannten seismologischen Messkette, wie eine junge Dame des Teams mir erklärte. In ganz Deutschland würden derzeit echte Erdbeben und ihre Auswirkungen sowie Verwerfungsbeben, die vielleicht durch Bergbau, Entwässerungssysteme und dergleichen entstehen, erforscht. Dazu würden in bestimmten Linienrastern bundesweit an bestimmten Stellen Messstationen ober- und sogar unterirdisch aufgebaut und per Satellitenfunk zu einem riesigen Meßsystem zusammengeschaltet. Ein teurer Spuk, der durch die Nutzung eines riesigen Großcomputers in Karlsruhe zur Auswertung der erfassten Daten noch teurer wird. Die Dame sagte, nur mit einem solch riesigen Meßsystem könne man zuverlässig die echten Beben von den Verwerfungsbeben hundertprozentig unterscheiden. Ich weiß nichts davon, bewundere aber den enormen technischen Aufwand, zumal die Dame mir erklärte, dass jede einzelne dieser Messstationen an der Uhlandshöhe über 70.000 Euro wert sei und die unterirdischen Systeme würden noch ein Vielfaches davon kosten.
Wie schon so oft im Leben bewahrheitet sich immer wieder die alte Regel, dass Karo-Einfach die beste Lösung ist, was soviel heißen soll, wie dass einfache Lösungen meist am besten und am störungsfreisten funktionieren. Das zieht sich wie ein roter Faden durch alles, ob Sie jetzt ein bewährtes einfaches Auto kaufen, damit werden Sie insgesamt weniger Pannen haben, als mit einem komplizierten, aufwändigen Fahrzeug und es tut seinen Dienst genauso gut; in fast allen anderen Bereichen gilt das genauso im übertragenen Sinne. Sie wissen, dass ich seit einigen Wochen hier auch als Hilfsgärtner funktioniere und eigentlich mehr nur der Mähbock für die Wiesen hinter und neben dem Haus bin. Ich habe aber durchaus einen gestalterischen Freiraum dabei. Bislang war es immer so, dass am Ende der Wiesen in Richtung zum Haus hin, ein schmaler Streifen Erdreich folgte, in dem kein Rasen wuchs, sondern in gleichmäßigem Abstand waren dort robuste Dauerblumensorten gepflanzt, dann folgte ein Randstein und dann der teils geplattete bzw. stellenweise auch betonierte Gehweg von den Parkplätzen und von der Straße ins Haus. Ich weiß nicht wie diese Dauerblumen heißen, damit kenne ich mich eigentlich gar nicht aus, Stiefmütterchen oder fleißige Lieschen oder so was, vorwiegend diese sehr schön bunten Dinger oder diese rot-purpurnen. Ihre genauen Namen fallen mir nicht ein, ich weiß nur, wie man sie pflanzt und einigermaßen am Leben erhält. Das alles sieht zuweilen zwar schön aus und lockert den Anblick etwas auf, aber in jüngster Vergangenheit kam es immer häufiger vor, dass betrunkene Jugendliche über Nacht ausgerechnet diese Blumenstreifen verwüsteten, etliche Pflanzen ausrissen und über den Gehweg verstreuten. Nachdem das nun in der kurzen Zeit, wo ich als Hilfsgärtner hier arbeite, alleine schon drei mal vorgekommen ist und ich keine Lust habe, dort ständig den Dreck zusammenzufegen und wieder alles halbwegs einzupflanzen, soweit das dann überhaupt noch möglich ist, habe ich kurzerhand gestern alle Blumenpflanzen auf diesen Streifen rausgemacht und dort ebenfalls Rasensamen eingestreut. Damit dürfte es für die ungehobelten Jugendlichen des Nachts unattraktiv sein, sich dort auszutoben, denn ich glaube im nackten Rasen zu wühlen, das schafft für die keinen Anreiz. Da ich eigentlich die ganzen Blumenpflanzen für zu schade hielt, um sie einfach wegzuwerfen, warum sollten die unter der Blödheit dieser unerzogenen Jugendlichen leiden, habe ich ganz weit hinten an der Grundstücksgrenze eine Fläche im Rasen freigegraben und sie dort wieder eingepflanzt. Das ist von den Gehwegen und Straßen so weit weg, da entdecken die blöden Rotzlöffel das erst gar nicht, schon gar nicht Nachts bei der Dunkelheit und es wäre ihnen sicherlich auch zu lästig, dort hinzulaufen. Fazit ist, was nicht da ist, das kann auch keiner ausrupfen und zugleich wird die Anlage für mich damit deutlich pflegeleichter. Ich habe das dem Hausbesitzer mitgeteilt und ihm gesagt, warum ich das so gemacht habe, er fand's in Ordnung so.
Auch im positiven Sinne scheint sich etwas zu tun. Kayla hat an ihre offizielle Wohnadresse, die ja immer noch in einem sogenannten Übergangswohnheim ist, ein Schreiben vom Sozialamt erhalten. Aufgrund des erfolgreichen Abschlusses des seltsamen Seminars, billigt man ihr nun den Status einer "Einbürgerungswilligen" zu, die beabsichtigt, durch selbstständige Einkünfte ihren Lebensunterhalt in Zukunft zu verdienen. Mit diesem Status steht ihr offensichtlich nun eine bessere Bleibe zu, als in dem schäbigen Übergangswohnheim, wo sie ja offiziell noch wohnt. Hier käme nun eine winzige, preiswerte Einzimmer- Sozialwohnung der untersten Kategorie in Frage, die ihr vom Sozialamt bezahlt würde. Jetzt sage ich doch wie der alte Berliner, Nachtigall ick hör dir trapsen, wenn das keine Fügung des Schicksals ist. Ich glaube, ich hatte ihnen ja schon mal berichtet, dass bei mir hier im Haus, sogar auf dem gleichen Flur schräg gegenüber von meiner Wohnung, seit langem eine Wohnung frei ist. Diese würde genau den Anforderungen entsprechen und jetzt besteht die Kunst nur noch darin, es hinzubekommen, dass Kayla diese Wohnung als ihre neue, vom Sozialamt bezahlte Bleibe bekommt. Das wäre ja super. Wir leben ja fast ständig nur in meiner kleinen Wohnung und das ist für zwei Personen auf Dauer doch sehr beengt und käme so gesehen diese Wohnung hinzu, einfach schräg gegenüber über den Flur, dann wäre das für uns praktisch in der Handhabung wie eine größere Wohnung. Auch wäre das Schöne daran, dann hätten wir ein Zimmer mit Blick zu den Rasenwiesen am hinteren, seitlichen Gebäudeteil und mein Zimmer mit Blick zur Straße. In diesen rückwärtigeren Wohnungen ist es etwas ruhiger, weil der Verkehrslärm weniger rüberkommt. Dafür ist bei mir die Sicht in die Ferne besser. Ich will den guten Herrn Smelka noch einspannen, ob der es bei der Stadtverwaltung so drehen kann, dass Kayla auch wirklich diese Wohnung bekommt. Blöd wäre es, wenn man ihr eine Wohnung in einem anderen Haus oder gar in einem anderen Stadtteil zuweisen würde.
In einem Fernsehbericht wurde diese Tage behauptet, dass es in Stuttgart eine recht große Szene von diesen gehirnverbrannten rechtsextremistischen Neonaziköpfen geben würde. Das war mir nicht bekannt und ich war im Glauben, dass es derartige Konsorten hier kaum gibt. Man sieht auch keine auf der Straße, deshalb wäre ich nie auf diese Idee gekommen. Vielleicht sind die hier auch gemäßigter und fallen deshalb nicht so schnell auf. Ich kann die ja nicht sonderlich ausstehen. Die extreme Gegenseite, die Kommunisten, mag ich aber noch weniger. In ihrer letztendlichen Art und Auswirkung gleichen sie sich am Ende fast wie ein Ei dem anderen, jedenfalls was die Methoden und die wahnverhafteten Reglementierungen für das Volk betrifft. Da lobe ich mir aber tausend mal lieber unsere Regierung, als die Braunköpfe oder die knallroten Kommunistenspinner. Mein Halbbruder sagte immer, man müsste einmal für ein Jahr lang die ganze Welt regieren können, dann wäre alles anders. Im Prinzip glaube ich ihm das aufs Wort, womit ja nicht gesagt ist, ob es dann besser oder schlechter wäre. Ganz ehrlich, ich möchte nicht die Welt oder auch nur Deutschland regieren müssen, oder vielleicht doch? Wenn ich so ein Kanzlergehalt sehe, da wäre man in einem Jahr so reich, dass man für immer genug hätte, jedenfalls nach meinen Wertvorstellungen. Gewiss wird ein Berufskanzler, der ja auch aus einem ganz anderen Milieu kommt, ganz andere Ansprüche ans Leben haben, als ein kleiner, unbedeutender Lappenkeuler und dementsprechend auch andere Ausgaben tätigen. Derart gehobene Persönlichkeiten werden auch in ihrem Privatbereich vermutlich schon mehr Geld in einer Woche umsetzen, als ich in einem ganzen Jahr. Trotzdem, reizvoll finde ich den Beruf des Bundeskanzlers nicht, schon gar nicht bei den heutigen Problemen. Es ist eine Gewohnheit, alle Probleme dem Kanzler in den Schoß zu legen, obwohl ich ja glaube, dass dieser Mensch weder die Kraft noch die Autorität hat, um diese ganzen Probleme zu bewältigen. Das kann gar kein einzelner Mensch alleine bewältigen, dazu müsste er schon ein Hyperquadratsuperman sein. Er ist nach meiner Meinung auch für viele Probleme gar nicht die richtige Ansprechadresse, da wären eher Wirtschaftsbosse gefragt. Denn was nützt es, wenn ein Kanzler schöne Worte zu wirtschaftlichen Dingen macht, sich die Wirtschaftsbosse aber nicht daran stören und ihr eigenes Süppchen kochen? Wie dem auch sei, oft ist die Politik von heute ein ausgelutschter Kaugummi, dessen Aroma längst verflogen ist.
Ach ja, wo ich oben meinen Halbbruder erwähnte, zu ihm habe ich eigentlich so gut wie keinen Kontakt mehr. Es ist nicht so, dass wir uns hassen, wie man es oft von Halbbrüdern hört, wir mögen uns auch nicht übermäßig. Es ist eigentlich ein komisches Verhältnis, vielleicht ähnlich, wie zu einem eher flüchtigen Bekannten, den man aber hoch schätzt. Er ist auch viele Jahre älter als ich, wodurch er quasi zu meiner Kindheit schon erwachsen war und die meiste Zeit schon gar nicht mehr bei uns wohnte. Eigentlich verlief unser Leben kaum in gemeinsamen Bahnen. Vielleicht einmal pro Jahr sehen wir uns noch, manchmal aber auch zwei Jahre nicht. Immerhin, und damit hätte ich zuvor niemals gerechnet, als ich meine schwere Krankheit hatte, da hat er mir doch erheblich in einigen Organisationsdingen geholfen, das werde ich ihm immer hoch anrechnen, ein sehr feiner Zug. Wissen Sie, wenn man plötzlich für ungefähr ein Jahr in einer Klinik verschwindet und eigentlich überhaupt keine Angehörigen mehr hat, da bleibt einiges liegen und geht vor die Hunde, wenn man gar keinen hat, der sich darum kümmert. Das hat er perfekt gemacht und das obwohl er fast 200 Kilometer entfernt wohnt. Der ist aber mit einem glücklicheren Nachnamen geschlagen, als ich.
Neulich nahm ich an einer Versammlung teil und war zu Fuß dorthin gegangen. Da es sehr spät wurde, bot mir ein sehr flüchtiger Bekannter an, dass er mich in seinem Wagen mitnehmen würde bis vor meine Haustüre. So habe ich das angenommen und der fuhr einen BMW 318, aber schon ein etwas älteres Modell, vielleicht 10 Jahre alt. Da noch eine Dame mitfuhr, nahm ich auf dem Rücksitz Platz und war sehr erstaunt, wie wenig Platz dieser doch äußerlich im Vergleich zu meinem Suzuki viel größere Wagen hinten bietet. Auf der Rückbank ist praktisch bei dem nicht mehr Platz, als in meinem im Vergleich miniaturhaften Suzuki, höchstens in der Breite hat man etwas mehr Raum. Aber ich saß ziemlich eingezwängt fest mit den Knien im Sitz des Fahrers verkeilt dort, wie ein Affe auf dem Schleifstein. Sein Fahrstil war BMW-untypisch und er fuhr ruhig und gelassen, worum ich schon froh war. Als Mitfahrer nervt einen eine rasende Fahrweise viel mehr, als wie wenn man selbst mal kräftig aufs Gaspedal tritt. Ich weiß jetzt auch nicht, wie viel PS ein solcher BMW 318 hat, aber es wird sicher viel mehr sein, als bei meinem Suzuki so aus den Rädern läuft. Ist aber auch uninteressant, käme für mich nie in Frage, zumal der Mann noch sagte, dass er "nur" 11 Liter Benzin verbrauchen würde. Da müsste ich bei meinem Suzuki noch ein paar Löcher in den Tank schlagen, um auf solch einen Verbrauch zu kommen.
Am Montag waren in aller Frühe zwei Herren von den Stadtwerken hier im Haus. Im ersten Flurgang des Erdgeschosses hängen die Stromzähler für alle Wohnungen, die sich in diesem Gebäudeteil befinden in einem riesigen eingemauerten Blechkasten, der bestimmt 3 Meter breit ist. Dort haben die von einem Mieter den Strom gesperrt, weil der anscheinend seit langem keine Stromrechnung mehr bezahlt hat. Es gab einen Tumult, weil der Betroffene es gleich gemerkt hat und schimpfend auf die beiden Herren zulief. Eine herbe und sehr lautstarke Diskussion mit vielen Beleidigungen wurde im Flur ausgetragen, wobei Worte wie Arschlöcher noch zu den harmloseren Ausdrücken zählten. Den betroffenen Mieter kenne ich gar nicht, ich habe ihn zuvor noch nie gesehen, wusste gar nicht, dass der Kerl hier im Haus wohnt. Er soll aber schon länger hier wohnen. Daran sieht man, dass man in solch einem größeren Mietshaus gar nicht jeden kennen kann. Nun sind die wirtschaftlichen Zeiten schlecht und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es in manchem Monat verflucht eng mit dem Geld werden kann. Dennoch ist mir noch nie passiert, dass ich Strom oder Wasser nicht zahlen konnte, ich habe dafür ohnehin einen Abbuchungsauftrag. Da könnte es höchstens passieren, dass mein Girokonto mal nicht gedeckt ist, da ich aber recht wenig Strom und Wasser verbrauche, kein Wunder bei der kleinen Wohnung, reichte es bislang dafür immer völlig problemlos, ebenso für die Heizkosten. Hier zeigen sich wieder eindeutig die Vorteile einer kleinen Wohnung. Von den Unterhaltskosten her betrachtet, möchte ich gar keine große Wohnung haben, auch vom Reinigungsaufwand her nicht. Den Gasanschluss für meine Wohnung habe ich vor einiger Zeit gekündigt. Wozu soll ich extra Gaskosten bezahlen? Die Heizung läuft vom Hausbesitzer von der Zentralheizung, wo man eine Gebühr bezahlen muss, die mit ein paar Gläschen ermittelt wird, die an der Heizung hängen und kochen tue ich mit einer Elektroplatte mit 2 Kochstellen drauf. Den Gasherd habe ich auf den Sperrmüll geworfen, weil er defekt war und danach direkt den Wohnungsgasanschluss gekündigt. Der wurde aber nicht herausgerissen, sondern nur gesperrt und mit einer Kappe verplombt. Ein neuer Gasherd hätte mindestens 450 Euro gekostet und die Elektro-Doppelkochplatte hat beim Lidl-Laden damals nur 30 Euro gekostet. Mit Gas kocht man zwar schneller, keine Frage, aber so spare ich 420 Euro plus die Gaskosten und man zahlt ja auch verbrauchsunabhängige Anschlusskosten, die fallen ebenso weg. Aber zurück zu dem Stromstreit im Flur. Der säumige Stromkunde wollte schließlich sogar handgreiflich werden und einen der Strommänner verprügeln. Der war aber auf solche Attacken vorbereitet und hat den Angreifer mit einem Schulterwurf elegant zu Boden befördert. Danach wurde der ruhiger und er verschwand in seiner Wohnung, die sich ganz hinten in einer Eckwohnung im Erdgeschoss befindet. Bevor ich in die Lage käme, meine Strom- oder Wasserrechnung nicht mehr bezahlen zu können, würde ich dann doch eher den Suzuki wieder abschaffen. Aber solche dunkelgrauen Gedanken brauche ich mir derzeit nicht machen. Mit dem was ich bekomme, kann ich mir so ziemlich gut austariert die Susi noch weiter leisten. Das Thema wird zum Dauerbrenner. Und mit der Susi stehe ich am Monatsende finanziell keinen Deut schlechter da, als zuvor ohne Auto, ich habe das bislang in jedem Monat nachgerechnet. Da ja alle Kosten für Busse und Bahnen sowie die für den Motorroller seither wegfallen, ändert sich durch die geringen Unterhaltskosten des Alto beim Monatsabschluss nichts. Man kann zwar nicht sagen, Autofahren zum Nulltarif, aber zum gleichen Tarif wie Busse und Bahnen, wobei ich diese ja eigentlich selten in Anspruch genommen hatte. Für diese gleichen Kosten fahre ich heute mit der Susi viel mehr und viel öfter.
Verschiedene Gegenden Deutschlands machen nun in Stuttgart als Urlaubsregion auf sich aufmerksam. Da gibt es eine zweiwöchige Sonderveranstaltung von einem Touristikverband und am Freitag kam ich zufällig dort vorbei. Gerade lief eine große Aktion für den Teutoburger Wald. Mir sagte das nichts. Das liegt wohl oberhalb schräg hinter dem Ruhrgebiet da irgendwo. Was hier in Stuttgart als heimische Urlaubsregion durchaus recht gut bekannt ist, das ist die Eifel; jetzt nicht unbedingt jeder Ort dort, aber die Eifel als Gebiet ist hier eigentlich recht gut bekannt. Sogar im regionalen Fernsehen kommt hier öfters etwas über die Eifel. Aber Teutoburger Wald? Als auf der Bühne ein Mann den Namen sagte, zuckten fast alle Leute auf dem Platz davor die Schultern und fragten sich, was das sein soll. Mir erging es anfangs nicht wesentlich anders, das heißt, ganz weit hinten im Hinterkopf dämmerte es mir, den Namen vielleicht in der Schulzeit mal irgendwo gehört zu haben, aber seit dem halt nicht mehr. Die meisten glaubten, es wäre so eine vergessene Gegend in den neuen Bundesländern, was aber demnach nicht so ist. Der Bühnenmann wurde schon leicht sauer, als er fragte, wer denn wisse wo der T-Wald überhaupt liege und keine Reaktion kam. Er predigte dann etwas von der glorreichen Vergangenheit und dass der T-Wald irgendwie sogar die Kinderstube Deutschlands sei, na ja, von mir aus kann's auch der Laufstall Europas sein, aber trotzdem sagte mir der Begriff nicht wirklich etwas. Ich meine, hier in Stugert sind wir eh verwöhnt, im Nullkommanichts im Schwarzwald, die schönen Neckargebiete, der Schwäbischen Alb oder etwas länger zum Bodensee, zum schönen Rheintal fährt man auch nicht übermäßig lange, deutlich länger braucht man schon, um in die Eifel, den Spessart oder den Odenwald zu kommen, da ist man schon schneller in der Schweiz oder Liechtenstein, aber Teutoburger Wald, ha! Die Diashow, die der Meister auf der Bühne davon präsentierte, war zwar nicht schlecht, aber das, was es dort zu sehen gab, das findet man hier in der Nähe gleich tausendfach, um im Wald umherzulaufen brauche ich keine 400 - 500 km weit fahren, da gibt es hier schönere Ziele in der Nähe. Alte Fachwerkhäuser gibt es hier auch wie Sand am Meer, wenngleich sie etwas anders aussehen, als im Teutonenwald. So bin ich dann weitergegangen und habe den Mann quatschen lassen.
Und so geht das weiter, es wird sich nichts zum Guten verändert haben, wenn wir in einigen Jahren am Hartz - 725 - Konzept basteln. Nur neue Einschränkungen, Tritte in den Hintern und Kürzungen für den berühmten kleinen Mann oder die kleine Frau auf der Straße wird es geben. Wie eine Zitrone werden die Arbeitnehmer in der nächsten Zeit ausgepresst unter dem Deckmäntelchen, damit wieder genügend Arbeitsplätze für Alle zu schaffen. Wie der Elefant im Porzellanladen wüten die Hartzer in den sozialen Strukturen, für deren Aufbau es 150 Jahre gebraucht hat, um sie jetzt binnen weniger Monate zu zertreten. Es enttäuscht einen, wenn man sieht, wie leichtfertig mühsam erreichte Dinge, die der Gesamtheit der Bevölkerung dienten, plattgemacht werden, wenn man seitens der Politik nur den Wurstzipfel "mehr Arbeitsplätze" vor die Nase gehalten bekommt. Am Schluss kommen aber gar nicht mehr Arbeitsplätze dabei heraus oder glaubt ernsthaft jemand, ein Betrieb würde deswegen seine Roboter in den Hof stellen und dafür wieder 200 Leute zusätzlich einstellen, die dann das Produkt händisch herstellen? Oder glaubt da noch jemand, dass im Endeffekt wirklich die Verlagerung von Arbeitsplätzen in die Billiglohnländer dauerhaft verhindert wird? Fast jedes Unternehmen sieht sein Betätigungsfeld heute global und genauso global schnuppert es nach den billigsten Produktionsmöglichkeiten. Daran ändert auch ein Hartz - 900 - Konzept oder all die anderen schönen Schlagwort-Konzepte nichts, sie mögen vielleicht in Einzelfällen die Verlagerung etwas verzögern, aber verhindert wird die Sache dadurch nicht wirklich. Möglicherweise führt es auch dazu, dass im Falle von hier verbleibenden Arbeitsplätzen, die Arbeitnehmer derart drastische Zugeständnisse hinnehmen müssen, dass sie sich trotz Beschäftigung all die schönen Artikel, die da produziert werden, gar nicht mehr leisten können, eben weil sie für einen Hungerlohn arbeiten. Die Wirtschaft dreht sich mit dieser Methode langfristig den Hahn aber selbst ab, denn irgendwann ist keiner mehr da, der sich ihre Produkte leisten kann. Jedoch bei der Jagd nach dem schnellen Profit realisieren diese sogenannten Manager gar nicht, wie eifrig sie am eigenen Ast sägen. Zudem herrscht dort ohnehin die "Nach mir die Sintflut - Mentalität", wenn diese Manager ihre Taschen voll haben, dann kann der Betrieb ja ruhig Pleite machen, das ist denen dann völlig egal. Den echten, typischen Unternehmer, wie wir ihn früher kannten, der sich mit seinem Betrieb rückhaltlos identifizierte und mit seinem Betrieb aufstieg und unterging, den gibt es doch heute gar nicht mehr. Die meisten Manager sehen in ihrem Job auch nur noch ein Werkzeug, um damit ihren eigenen Reichtum und ihre eigenen Pfründe möglichst schnell und möglichst stark zu verbessern und das Wort Verantwortung fällt denen nur dann ein, wenn sie damit ihre Arbeiterschar reglementieren können. Wenn ich das so darlege, wird mich manch einer schnell in eine rote Schublade einsortieren, wohin ich aber gar nicht gehöre. Ich habe es stets vermieden, mich aktiv einer Partei zuordnen zu lassen, stehe aber im Prinzip hinter einer absolut wirtschaftlichen Grundordnung und fühlte mich deshalb immer mehr der CDU zugewandt. Ich glaube es ist gar kein Widerspruch, wenn man auf der einen Seite völlige Abstützung auf die Wirtschaft fordert und auf der anderen Seite den Verlust von sozialen Möglichkeiten oder einem sozialen Level anprangert. Ich sehe es nur nicht ein, wenn die Opfer immer auf der Seite des kleinen Mannes gebracht werden sollen, während man es in den Führungsetagen seit Jahrzehnten fast schon systematisch versäumt, die Spreu vom Weizen zu trennen und Unmengen unfähiger Führungskräfte nicht rauswirft. Man will offenbar nicht erkennen, dass viele der Führungskräfte heute nur ihre eigene Tasche und ihren eigenen Habitus kennen, aber nichts wirklich mit dem Betrieb oder den Leuten die dahinter stehen zu tun haben. Jeder unerfahrene Absolvent eines BWL- oder sonstigen Studiums darf heute seine ersten Gehversuche gleich als Experiment an einem gesamten Betrieb austesten, wenn er nur genug Titel vorweisen kann. Titel sind aber kein Garant für wirtschaftliches Können. Schauen Sie sich doch einmal die wirklichen Führungskräfte von früher an, die Betriebe aufgebaut und jahrzehntelang erfolgreich geführt haben, davon hatte fast keiner ein BWL-Studium, trotzdem (oder gerade deshalb) hat's geklappt, weil die den Kopf frei hatten von festgefahrenen Schematas, die eben gar nicht überall 1:1 auf jeden Betrieb anwendbar sind und weil die ein Näschen für ihre Sache hatten. Letzteres fehlt den Managertypen von heute doch vollends. Die treten heute an mit dem Hintergedanken: Profit-Aktionäre, Profit- Aktionäre, Profit-Aktionäre während die früher erst einmal ihr Produkt im Hinterkopf hatten, wie sie dieses verbessern und dann, in Folge von einem guten Produkt, erst die Profitmöglichkeiten abtasteten. Zudem kommen solche Leute bereits mit dem eitlen Bewusstsein in die Betriebe, was sie für tolle Kerle sind und dass sie über allem stehen, dabei haben sie außer ihrem Dünkel und ihren Ansprüchen rein gar nichts vorzuweisen. Gewiss wird nun manch einer schimpfen, dass ich in meiner Position als Sohi gerade der Richtige für eine derartige Kritik wäre und ich ja soviel bessere Ergebnisse in meinem Leben erreicht hätte. Sie kennen halbwegs grob ein wenig meine Geschichte und ich will meinen eigenen Schuldanteil daran gar nicht leugnen, aber die Gesamtheit der Umstände, mit der überanspruchsvollen damaligen Ehefrau von mir und der zweite große Rückschlag mit der schweren Erkrankung vor einigen Jahren, haben mich wirtschaftlich dorthin gebracht, wo ich jetzt bin. So ist das halt eben und wenn man einmal soweit unten ist, dann ist es verdammt schwer, wieder höher zu kommen, weil es, wie ich immer zu sagen pflege, hier unten keine Griffe gibt, an denen man sich hochziehen kann. Auch fehlt mir in meinem Alter und vor allem nach der Erkrankung die notwendige Kraft, gewaltige Sprünge nach oben zu machen. Wäre ich noch 20 Jahre jünger und kerngesund, da sähe das mit Sicherheit schon ganz anders aus. Ich hadere aber nicht mit meiner Situation, wenn es so bleibt, wie es jetzt ist, bin ich zufrieden, auch ohne den berühmten Reichtum. Und das Bedürfnis ein erhabenes Gefühl dadurch zu haben, weil ich Chef über eine gewisse Anzahl von Beschäftigen bin, das habe ich nie gehabt, heute schon gar nicht und ich bin auch sehr froh darum, denn damit laufe ich nicht Gefahr, mit einigen Flaschen heutiger Führungskräfte in einen Topf geworfen zu werden.
Wie gesagt, wir sollten an unserer Situation nicht verzweifeln. Man kann mit wenig besser und sorgenfreier leben, als viele mit viel. Nur ein bestimmtes Level darf dabei nicht unterschritten werden, und vor allem muss die Birne einigermaßen klar bleiben und Beschäftigung haben. Viele lassen sich vollaufen oder stellen jegliche geistige Tätigkeit ein und dass ist dann der Anfang vom Ende, aber nicht die Tatsache, dass man im Monat mit einigen hundert Euro auskommen muss, während andere mit Tausenden um sich werfen.
In diesem Sinne, frohen Mutes,
Ihr
Egbert Lappenkeuler
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