LPK-B7

Auf dieser Seite finden Sie die beiden Lappenkeuler - Beiträge “Arm und Reich” und “Wirtschaftstheorien” aus dem Jahre 2004. Beide Textbeiträge können hier direkt gelesen werden oder auch als jeweils eigenständige PDF - Datei heruntergeladen werden.

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Beitrag 1

Lappenkeuler - Brief / Email "Arm und Reich" vom 09.07.2004

Unzählige Grüße.

Sehen Sie, es ist nun doppelt gut, dass ich mir den Suzuki gekauft habe.
Zuletzt berichtete ich Ihnen, dass ich einen Bekannten von Malmsheim
nach Stuttgart gefahren hatte. Das war nur als einzelne Hilfe gedacht, weil
ich den halt gut kenne und er sonst nur umständlich nach Stuttgart
gekommen wäre. Nun muss dieser aber jede Woche einmal nach Stuttgart
und tags später wieder zurück in sein Heimatdorf. Kostenlos konnte er eine
dauerhafte Chauffierung jede Woche von mir nicht erwarten, so dicke habe
ich es nicht, dass ich ihm das auf lange Sicht spendieren kann. Er kam
selbst auf die Idee und schlug mir vor, dass ich ihn, wenn immer ich Zeit
habe, einmal pro Woche in dieser Art hin und her chauffiere. Er gibt mir
dafür pro Woche 30 Euro, zusammen für Hin und Zurück. Da lasse ich
mich nicht zweimal bitten. Die einfache Strecke ist ungefähr 25 Kilometer,
es sind also pro Woche etwa 100 Kilometer zu fahren, weil ich zuerst leer
hin muss und am zweiten Tag will ich ja auch wieder nach Hause, also eine
weitere Leerfahrt ist notwendig, nachdem ich ihn zuhause abgeliefert habe.
Manchmal wähle ich auch einen Umweg. Wenn viele blöde Drängellaster
unterwegs sind, nehme ich den, weil die den nicht fahren, dadurch würden
die in den engen Kurven zuviel Zeit verlieren. Das wären dann gute 125
Kilometer die Woche. An Unkosten komme ich vielleicht auf 8 Euro, wenn
ich Auto- und Reifenverschleiß hinzuzähle. Ohne Auto wäre das gar nicht
möglich und es ist mir ein angenehmer Nebenverdienst, zumal keine ganz
festen Zeiten einzuhalten sind. Es ist ihm egal, ob ich ihn Mittwoch,
Donnerstag oder Freitag nach Stuttgart und tags auf wieder zurück fahre.
Nur an den anderen Wochentagen will er generell nicht. Donnerstags kann
ich aber derzeit nicht, wegen dem Kayla - Seminar in Heubach, das ist
jedoch in einer Woche beendet und dann kann ich ihn auch donnerstags
fahren.

Wo wir gerade bei Kaylas Seminar sind. Nach den ersten Tagen berichtete
ich Ihnen schon, welch ein Unsinn den Teilnehmern dort an Lehrstoff
geboten wird. Die Hoffnung, dass sich der Unterrichtsstoff ab der zweiten
Woche auf ein anspruchsvolleres Niveau anhebt, wurde bitter enttäuscht.
Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen sich gewaltig
vorgeführt vor, es wäre kein Problem, die dortigen Lehrkräfte durch die
Schüler zu ersetzen, ohne Gefahr zu laufen, dass es am Bildungsergebnis
etwas ändern würde. Ein völlig sinnloser Unterricht ist das, der den Leuten
Zeit und Geld kaputt macht. Wozu soll man 60-70 km in einen Unterricht
fahren, die Woche über dort bleiben, um sich dann selbstverständliche
Dinge erklären zu lassen, die selbst jeder absolute Schwachkopf auf der
Straße auf Anhieb weiß? Einige der Lehrkräfte stehen trotzdem zu 100 %
hinter der Sache, müssen sie ja auch, es ist schließlich ihr Job, und nerven
die Teilnehmer aufs Ärgste. Daraus entwickelt sich dann eine ähnliche
Gegenbewegung, wie an mancher Schule. Um ihrem Frust Luft zu machen,
denken sich manche Streiche aus, die teils auch schon ein wenig weit
gehen. Eine junge Frau aus Slowenien tut sich dabei besonders hervor und
hat täglich neue Einfälle, den Lehrkräften das Leben schwer zu machen.
Oft entsteht daraus ein halbtägiges Gezänk, weil man verlangt, die
Verursacherin preiszugeben, was aber nicht geschieht. Ansonsten ist es nur
ein Zeitabsitzen dort. Ob Kayla dem Sabberkopf da vorne während des
Unterrichts zuhört oder nicht, das ändert gar nichts, weil es effektiv nichts
zu lernen gibt. Man könnte genauso gut eine Märchentante dorthin stellen,
die aus Willhelm Busch liest, das hätte sogar noch mehr Sinn.

Ein früherer Teerkocher von Beruf, ein grobschlächtiger Mensch, mit
Pratzen wie Schöpfkübel, aber dennoch ein Gemütsmensch, der
jahrzehntelang voller Stolz eine große Teermaschine im Straßenbau
bedient hat, meldet sich ab und zu bei mir, um in alten Zeiten zu
schwelgen. Wir haben uns voriges Jahr zufällig im Wartezimmer bei einem
Nachuntersuchungstermin kennen gelernt oder genauer gesagt wieder
kennen gelernt. Ich kannte den von früher noch etwas, weil er Anfang der
siebziger Jahre an meinem damaligen Wohnsitz kurz in einer
Nachbarwohnung von mir gewohnt hatte. Er hatte mit den Frauen in
seinem Leben wenig Glück, so etwas soll es ja geben, wie ich von meiner
ersten Frau auch zu berichten weiß, nur bei ihm sind es gleich drei Frauen,
die ihm zu schaffen machten. Seine erste Ehefrau, die ich flüchtig noch aus
seiner Zeit als mein Nachbar kannte, war damals schon als restlos
sexsüchtig bekannt. Das hat gewiss nicht nur Vorteile, eine zeitlang ist das
durchaus sehr schön, aber Sie wissen ja wie das ist, wenn man über Jahre
hinweg immer mit der selben Frau sexuelle "Höchstleistungen" erbringen
soll, dann ermattet man und das Interesse lässt nach. Es wäre vielleicht
anders, wenn man dazwischen öfters etwas Abwechslung hätte, womit ich
nicht danach rufen will, aber genauso hat sich diese Frau das wohl auch
gedacht und hatte fürs Bett dann neben ihrem Ehemann, dem Teerkocher,
ständig wechselnde Bekanntschaften nur für diesen einen Zweck.
Eigentlich kam jeder gelegen, der nur wollte. Während ihr Gatte Teer
kochte, heizte sie sich anders ein und es gab Tage, da gingen zwischen
morgens 8 und Nachmittags 15 Uhr bei der 3 oder 4 verschiedene Kerle ein
und aus. So etwas konnte nicht lange gut gehen und wie ich von ihm hörte,
folgte ein Jahr später bereits die Scheidung. Seine folgenden Frauen kannte
ich nicht persönlich, nur von seinen Erzählungen. Die zweite, wohl eine
Parfümverkäuferin, sehr attraktiv und eigentlich schon optisch gar nicht zu
dem grobschlächtigen Teerkocher passend, fand dann durch einen Zufall
zu ihm. Weil er ihr aus einer sehr misslichen Situation geholfen hatte,
verknallte sie sich schlagartig in ihn, es wurde schon wenige Wochen
später geheiratet. Aber die Ansprüche der Dame lagen so hoch, dass der
Teerkocher Mühe hatte, noch genug Geld zum Essenkaufen übrig zu
behalten. Darüber gab es dann immer öfter Streit und irgendwann ergriff
die feine Dame einen großen Glasaschenbecher und zertrümmerte diesen
auf dem dicken Schädel des Teerkochers. So stabil er auch ist, gut war ihm
das nicht bekommen, er musste danach 2 Wochen ins Krankenhaus. Die
Ehe ging dann auch schnell zu Ende. Dann blieb er einige Zeit solo, was
ihm aber auch nicht gefiel und er suchte sich aus diversen Zeitungs-
Partnerschaftsanzeigen eine neue Frau aus. Das ging dann völlig in die
Hose. Die Dame hat ihn bis auf die nackte Haut ausgezogen, jedoch mehr
in finanzieller Hinsicht und man muss davon ausgehen, dass die das schon
so geplant hatte und öfters macht. Eine Woche war sie bei ihm, eine Woche
lang hatten sie auch viel Spaß, aber als er an einem Tag von der Arbeit
nach Hause kam, war die Dame weg, die Konten geplündert, alle halbwegs
wertvollen Sachen aus der Wohnung verschwunden. Heute ist dieser
Schrank von Mann so fertig, dass er schon zusammenzuckt, wenn nur eine
Frau näher als einen Meter an ihn herantritt. Das muss man erlebt haben.
Mir will er nun immer Vorsichtsmaßregeln aufdrängen, ich solle mich vor
Kayla hüten, irgendwann würde die so ähnlich vorgehen und mir das letzte
Hemd ausziehen. Keiner ist sicher, aber ich denke, wenn Kayla wirklich
derartige Absichten hätte, dann hätte sie schon längst zugeschlagen und
dann hätte sie sich bestimmt nicht gerade so einen armen Wicht wie mich
herausgesucht, sondern einen, bei dem echt etwas zu holen ist. Das
Wertvollste, was ich besitze ist der Suzuki-Alto sowie mein Notebook und
ich glaube kaum, dass Kayla es darauf oder mein altes 20-Euro-Radio
abgesehen hat. Soviel Mühe, sich monatelang so zu verstellen, nur um am
Ende an die paar Sachen heranzukommen, das kann man sicherlich als
äußerst unwahrscheinlich bezeichnen. Auch dicke Sparkonten gibt es bei
mir nicht zu plündern. Hier kann man sicher sagen, dass diese Gefahr bei
Kayla aus heutiger Sicht nicht besteht. Da wäre es wahrscheinlicher, dass
sie sich irgendwann anders orientiert, weil ich im Vergleich zu ihr nun ja
mal über 30 Jahre älter bin und sie vielleicht irgendwann lieber einen
knackigeren Mann als mich alten Zausel bei sich hat. Aber solange alles so
läuft, wie es jetzt läuft, mache ich mir in diese Richtung überhaupt keinen
Kopf. Solange ich das Leben mit ihr genießen kann, werde ich mir diese
Möglichkeit nicht durch zu eifriges Nachgrübeln selbst kaputt reden. Aber
der Teerkocher steht inzwischen steif vor Misstrauen gegenüber jeder Frau
und versucht jeden zu warnen.

Es ist schon bedrohlich, was sich manchmal in unseren Städten
zusammenbraut. Gewaltbereite Schwachköpfe machen sich breit und das
jetzt auch schon in Stuttgart, wo unser Stuttgart doch bislang einigermaßen
von solchen Auswüchsen verschont blieb. Die Leuschnerstraße gehe ich
neulich entlang. Dort spielt öfters ein Straßenmusikant Geige und ein
anderer begleitet ihn auf einem ziemlich baufälligen Contrabaß, der schon
mehrfach am Gehäuse geflickt ist und sichtlich viel durchgemacht hat. Ich
kenne mich nicht aus, ob die Musik Qualität hat oder nicht, aber ich sage
mal so, man kann es sich anhören, ohne eine Gänsehaut im positiven oder
negativen Sinne zu bekommen. Es ist nach meiner Meinung nichts
Besonderes, was die da spielen, aber es ist mit Sicherheit auch nicht
schlecht. Wie eine Musikberieselung kann man es gut auf sich
herabklingen lassen und es beschwingt einen etwas. Als ich nun dort lang
ging, kamen einige Halbstarke und griffen diese beiden Straßenmusikanten
an. Schlagartig drängte sich mir die Frage auf, wie verhält man sich in der
Situation richtig? Helfend eingreifen und zu riskieren, die Zähne
eingeschlagen zu bekommen, immerhin waren die Schläger zu Viert, oder
am besten nur aus sicherer Distanz etwas zurufen oder die Polizei rufen?
Man weiß auch nie, wie solche Typen drauf sind. Wenn man sich
einmischt tun sie vielleicht so, als würden sie klein beigeben und stechen
einem dann von hinten ein Messer in den Rücken. Ich rufe nicht gerne die
Polizei, aber in solcher Situation ist es das einzig Richtige. Doch bevor ich
in einen nebenliegenden Laden gehe, um das zu tun oder wenigstens
Bescheid zu sagen, dass die die Polizei anrufen, kommt aus diesem Laden
eine rothaarige Frau, die Betreiberin des Ladens ist und sagt, dass sie
bereits die Polizei verständigt habe. Eine andere Passantin hat den miesen
Typen aus einiger Distanz brüllend die Leviten gelesen, was einen der
Prügelverteiler dazu bewog, auf die Frau zuzugehen und sie zu Boden zu
schubsen. Dann blökte er zu ihr, dass sie Glück habe so hässlich zu sein,
denn sonst hätte er sie jetzt auf der Straße mal ordentlich durchgefickt. Was
ich nicht wusste, einige Häuser weiter ist ein Bordell, das sieht man auch
von außen nicht, aber deren Chefs fühlten sich durch das Gerangel auf der
Straße gestört, wohl auch weil sie befürchteten, dass sie damit in
Verbindung gebracht würden, obwohl dem nicht so war, oder weil sie
keine Polizei in der Gegend haben wollen, da die schon nur durch pure
Anwesenheit das Geschäft vermiest. So kam einer von denen, ein
kugelförmig wirkender Muskelprotz, heraus und schnauzte die Schläger an,
sie sollen sofort verschwinden, sonst würden sie ihn kennen lernen. Sie
ahnen, dass sich solche Rotzlöffel davon nicht beeindrucken lassen. Es
versuchten drei von denen an dem Muskelprotz herumzuschubsen und
verhöhnten ihn. Immerhin ließ der eine schon mal von der Frau ab, die
dann wieder aufstand. Die anderen Drei zogen den Muskelprotz damit auf,
dass er ja wohl aussehe wie ein eingeöltes Schwein auf zwei Beinen oder
wie eine Bowlingkugel mit Stelzen dran. Dann schubste einer von denen
erneut an dem herum und der Muskelprotz sagte laut: "Von Euch Wichsern
packt mich jetzt keiner mehr an, verstanden!" Das kratzte die natürlich
nicht und der Eine schubste weiter. Noch bevor er es schaffte, zu einem
neuen Schubser anzusetzen lag er schreiend auf dem Boden. Ich war zwar
dabei, habe aber aufgrund der Schnelle gar nicht mitbekommen, wie der
Kraftprotz den binnen Bruchteilen einer Sekunde flach auf die Erde warf.
Als von den anderen drei Schlägern dann zwei zugleich den Muskelprotz
angreifen wollten, hat er sich einen von denen geschnappt und ihm eine
derartige Kopfnuss verpasst, dass er ohnmächtig zu Boden sank. In dem
Moment liefen die restlichen zwei in einem Affenzahn davon und haben
sich wohl in die Hose geschissen. Dann kam auch schon ein Steifenwagen
und die Polizisten haben etliche Passanten, den Kraftprotz, die Frau, die
Straßenmusiker und mich als Zeugen befragt. Zwei der Schläger waren
noch da, weil der Kraftprotz sie festgehalten hatte, beziehungsweise
festhalten brauchte er nur einen, der andere dämmerte langsam aus seiner
Ohnmacht und blutete stark aus der Nase. Ich vermute, dass sein Nasenbein
dank der kräftigen Kopfnuss gebrochen war. Gewiss ist Stuttgart nicht
heilig und nicht gefeit vor derartigen Auswüchsen, aber bislang passieren
solche Vorfälle in Stuttgart im Vergleich zu anderen ähnlich großen
Städten sehr selten. Hoffentlich hält dieser unschöne Trend nicht weiter an
und es verbreiten sich hier solche Gewohnheiten nicht so sehr.

Die teils prekäre wirtschaftliche Lage wird natürlich von vielen
Geschäftemachern dazu ausgenutzt, um damit dick Kohle zu machen. So
liest man hier in den kostenlosen Werbezeitschriften immer wieder
Annoncen von Seminarveranstaltern, die Kurse zum schnellen
Reichwerden anbieten. Diese haben mit Sicherheit alle eines gemeinsam:
der Einzige, der damit reich wird, das ist der Veranstalter, da die Kurse
eine hohe Eintrittsgebühr verlangen oder gleich eine Mitgliedschaft in
einem selbst gegründeten Verein zu entsprechend saftigen Aufnahme- und
Mietgliedsgebühren erfordern. Die Gastronomiebetriebe, die ihre
Räumlichkeiten dafür verpachten, mögen sicher auch noch daran
verdienen, aber am allerwenigsten werden die Kursteilnehmer daran
verdienen, aber gerade die sind extra deswegen gekommen.
Da lobe ich mir fast schon eine andere Veranstaltung, die auf den ersten
Blick ähnlich beworben wurde, die sich aber eher kritisch mit dem Thema
Reichtum auseinander setzte. Zudem kostete die Teilnahme gar nichts. Es
ging hier nur darum, den Leuten besser zu vermitteln, finanziellen
Reichtum nicht als das alleinig Glückseligmachende zu betrachten. Viele
rennen ein Leben lang der Erweiterung ihrer Sparkonten und Reichtümer
nach; andere die finanziell auf keinen grünen Zweig kommen, träumen
ständig von endlosem Reichtum und hadern umso stärker mit ihrer
Situation, weil sie merken, dass sie sich gerade diesen Traum nie erfüllen
können. In Wahrheit könnten die gleichen Leute vielleicht mit dem
Wenigen, was sie haben, ein hochzufriedenes Leben führen, wenn nicht
ständig dieser Drang nach mehr sowie vielleicht auch der Neid auf andere,
die wirklich mehr haben, ihre Gedankenwelt blockieren würde. In dieser
kostenlosen Veranstaltung tritt vor allem ein Herr an zwei aufeinander
folgenden Tagen auf, der wirklich beide Seiten auf krasse Weise durchlebt
hat. Er bezeichnet sich selbst dabei als abschreckendes Beispiel und als
lebendiges Trostpflaster zugleich. Er veranstaltet am ersten Tag einen Kurs
unter dem Titel: Wie ich reich wurde und am Folgetag den zweiten Teil
unter dem Titel: Wie ich wieder arm wurde. Ich habe diese kostenlosen
Darbietungen, ich will sie jetzt nicht wirklich als Seminar bezeichnen,
besucht und fand es gut gemacht. Sie dauerten nicht überlange, etwa
jeweils 90 Minuten und es kostete ja nichts, im Gegenteil, jeder
Teilnehmer bekam noch ein alkoholfreies Gratisgetränk eigener Wahl
hinzu, ab dem zweiten Getränk musste man dann die Getränke bezahlen.
Wem es nicht gefiel, der konnte jederzeit wieder gehen. Eine sehr
kleinwüchsige Dame brachte eine langweilige Einleitung und ich überlegte
schon, wieder zu gehen. Sie hatte Mühe, ihren Hals über das Rednerpult zu
recken und starrte dabei aufgrund ihrer ungünstigen Körperhöhe mehr die
Decke als das Publikum an. Nach vielleicht 15 Minuten war ihr trockener
Auftakt jedoch zuende und der oben genannte Herr trat auf die Bühne. Er
schob als erstes das rollbare Rednerpult zur Seite und mit viel
Handgewirbel, fast wie ein Italiener, erklärte er, wie es ihm ergangen war.
Zeitlebens hatte er als Maschinenreiniger in einer Fabrik gearbeitet, für
damals noch ungefähr 1.500 Mark netto im Monat. Er spielte eigentlich
auch nie Lotto oder sonstige Glücksspiele. Dann hatte er aber eine Zeitung
gekauft, in der zu Werbezwecken vom Klassenlotto ein normaler
Lottoschein einlag. So angespornt füllte er diesen Lottoschein aus und gab
ihn ab. Man mag es nicht glauben, aber 6 Richtige waren die Folge und
dafür gab es damals in dieser Ausspielung 1,2 Millionen Mark. Eine
beachtliche Summe. Er war immer gewohnt mit 1.500 Mark so gerade im
Monat über die Runden zu kommen und jetzt 1,2 Millionen, eine für ihn
völlig unvorstellbare Summe. Dabei hatte er zuerst die Sache sehr
besonnen angegangen. Er hatte nicht, wie man es manchmal hört, auf der
Arbeit gleich auf den Putz gehauen und seinem Chef auf den Schreibtisch
gepinkelt oder ähnliche Scherze gemacht. Die ersten 3 Monate hatte er auf
der Arbeitsstelle davon gar nichts erzählt und das gewonnene Geld auf ein
einfaches Sparkonto abgelegt, es aber nicht angerührt. Doch dann folgte
ein Spontanauslöser, wie man das bei Psychiatern wohl nennt. Vor
versammelter Belegschaft hatte der Chef ihn in der Fabrik bloß gestellt und
nieder gemacht, weil er einen winzigen Fehler beim Reinigen einer
Maschine gemacht hatte und weil der Chef selbst gerade einen schlechten
Tag hatte. Dann sagte im Betrieb noch ein Kumpel, mit dem er sich früher
immer gut verstanden hatte, zu ihm, dass er es wohl nie auf einen grünen
Zweig bringen würde. Nun brannte bei ihm die Sicherung durch und er
sagte sich, dass er es denen nun zeigen würde. Er kaufte sich ein teures
Mercedes - Sport - Cabrio, welches mindestens doppelt so teuer war, wie
das Auto vom Chef, kam damit jeden Tag zur Arbeit und parkte den
Wagen auf dem Firmenparkplatz jeden Tag provokativ direkt neben dem
Wagen des Chefs.
Das alleine wäre ja noch lustig gewesen, aber da er ohne Frau war, suchte
er nun die teuersten Sexclubs auf, die es in der Stadt gab. Dort geriet er
noch in die schlechte Gesellschaft von Spielern, ließ sich eine zeitlang von
deren Spielsucht mitreißen und so war von dem schönen Geld schon nach
einem halben Jahr ein Drittel unwiederbringlich weg. Dann kam zwar eine
kurze Phase der Besinnung und Ernüchterung, eigentlich also noch
rechtzeitig. Er brach die Kontakte zu den Spielern ab, aber anstatt nun
ernsthaft sich Gedanken über die Sicherung und Nutzbarmachung des
restlichen Geldes zu machen, wurden noch weitere teure Sportautos
gekauft, mehrere Weltreisen kurz hintereinander absolviert, auf denen er es
ausgiebig krachen lies. Wenn jemand sichtbar viel Geld hat und damit in
der Öffentlichkeit auftaucht, dann zieht er alsbald immer einen Schwarm
von "Freundinnen und Freunden" hinter sich her, die es alle prächtig
verstehen, mit von seinem Geld zu leben. Er hat das nicht erkannt und
unterwegs ließ er sich und alle Schleimer, die an seinen Fersen hingen, gut
leben. Feierte rauschende Feste und wochenlange Sexorgien zum Teil mit
bis zu 8 Frauen gleichzeitig, kam monatelang nicht mehr recht zur
Besinnung. Unter diesen Leuten finden sich dann auch schnell welche, die
es auf raffinierte Weise verstehen, den wunden Punkt eines Menschen zu
finden, mit dem man ihn am leichtesten entern kann. So hat er das
ausgedrückt. Ohne konkret zu werden beschrieb er grob, dass diese Leute
nun wohl seinen wunden Punkt gefunden hatten und ihm Dinge boten, auf
die er sich einließ. Dinge, die sehr kostspielig waren und die er
normalerweise niemals getan hätte. So verfloss der größte Rest des Geldes
dann auch noch. Kurz bevor restlos alles Geld weg war, kam er jedoch wie
durch ein Wunder noch zur Besinnung. Zu diesem Zeitpunkt waren von
den 1,2 Millionen noch knapp 60.000 Mark übrig. Alles andere Geld war
natürlich weg, verhurt, verspielt, verreist, verschleudert, für viele teure
Autos rausgeworfen, teils auch abgepresst wegen der zuletzt genannten
Geschichte mit dem wunden Punkt. Man mag den Kopf schütteln über
soviel Dummheit, wie kann man so leichtfertig mit dem schönen Geld um
sich werfen, aber dieser Mann ist dabei gewiss kein Einzelfall. Um sich im
letzten Moment selbst zu retten, blieb ihm nichts anderes übrig, als seinen
Wohnsitz in einer Nacht- und Nebelaktion drastisch zu wechseln und zwar
so, dass seine "Freunde" davon gar nichts mitbekommen. Vor allem
durften die nicht mitbekommen, wohin er zieht. Er zog in eine andere
Stadt, über 400 Kilometer weit weg, in eine kleine, unauffällige Wohnung.
Inzwischen wurde der Euro eingeführt und von seinem ehemaligen
Reichtum waren ihm nun noch knapp 28.000 Euro geblieben. Für mich
auch heute noch ein unvorstellbar hoher Betrag auf einem Haufen, aber im
Vergleich zu umgerechnet etwa 600.000 Euro, also ungefähr dem
einundzwanzigfachen, da muss man ja wahnsinnig werden, wenn man
erkennt, dass man in einer Gesamtzeit von weniger als zwei Jahren aus
eigener Dummheit soviel Geld verheizt hat. Er hat dann aber die Kurve
wieder gekriegt. Suchte sich wieder einen Job, diesmal als Fensterputzer in
Stuttgart, konnte sich mit einem Teil des verbliebenen Geldes später sogar
an der Fensterputzfirma beteiligen und heute ist er Alleininhaber dieser
Firma, die sehr gut läuft. Ein bewegendes Schicksal, dramatisch und
auslaugend zugleich. Ich möchte es nicht erlebt haben, auch wenn es
zweifellos einige schöne Momente gegeben haben mag. Jeder trägt so an
seinem Bündel, dieser Herr würde wahrscheinlich trotz allem auch nicht
mit mir tauschen mögen. Andererseits sage ich mir, wäre mir ein solcher
Gewinn beschieden gewesen, so wäre ich völlig anders damit umgegangen,
davon bin ich überzeugt. Es ist doch selbst heute mit Sicherheit noch
problemlos möglich, 600.000 Euro so anzulegen, dass man davon bis ans
Ende seiner Tage angenehm leben kann, nicht in Saus und Braus, das ist
mir auch klar, aber angenehm. Vorträge sind Vorträge, natürlich frage ich
mich, ob das überhaupt alles stimmt, was der da erzählt hat, weil es schon
Stoff für einen Spielfilm hergeben würde. Ich vermute jedoch, dass es
größtenteils stimmt, weil vor dem Seminarraum stand ein VW - Bully mit
dem dieser Herr gekommen war, auf dem sein Name im Zusammenhang
mit einer Glas- und Fensterreinigung stand. Darüber hatte ich mich beim
Betreten schon gewundert und fragte mich, ob dort jemand ausgerechnet
während des Vortrages die Fenster putzen will.

Entsorgung ist heute das große Thema unserer Zeit und für viele stellt
Entsorgung einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. Sicherlich wird es in
Ihrem Ort ähnlich sein: getrennte Müllabfuhren für alle möglichen Dinge,
für Papierabfälle, für Plastikabfälle, für Abfälle mit grünem Punkt, für
Glas, für Textil, für alte Kühlgeräte, für alte andere Elektrogeräte, für
Schuhe, für Metallteile, für Restabfälle für Sperrgüter; man verliert
inzwischen so langsam die Übersicht, wann man welche Abfalltonne an
den Gehsteig zur Abholung bereit stellen soll. Die Müllgebühren sind
unverschämt hoch, weil dieser ganze blödsinnige Aufwand ja bezahlt sein
will und es wird schon geflüstert, dass sie ab nächstem Jahr wieder
ansteigen sollen. Es ist unzumutbar, man raubt den Leuten das Geld,
welches dringend zum Leben notwendig wäre, zur Finanzierung dieser
völlig sinnlosen Müllwirtschaft. Einem der gut verdient und der monatlich
über 2.000 oder noch mehr Euro nach Hause bringt, dem wird es nicht viel
machen und der hat gut reden, wenn ich aber mit einem Einkommen von
vielleicht 650 bis 800 Euro davon mittlerweile fast 90 Euro pro Monat nur
für Abfallentsorgung rausschmeißen soll, was mir persönlich gar nichts
bringt, dann ist das existenzbedrohend. Ab nächstem Jahr dann vielleicht
120 Euro?! Die Verantwortlichen wissen ja gar nicht, was sie da tun. Die
Müllgebühren richten sich nicht nach dem Einkommen, wenn ich wenig
verdiene sind sie genau so hoch, wie bei jemandem der viel verdient.
Würde man diese Gebühren wenigstens der Gerechtigkeit halber nach der
aufkommenden Müllmenge berechnen, so wäre dies, bei moderaten
Gebührensätzen eher hinnehmbar, als diese Abzockerpolitik, die man heute
betreibt. Die großen Müllentsorgungsfirmen verdienen sich dumm und
dämlich daran und wir finanzieren deren Reichtum. Früher, bis in die
Achtziger Jahre hinein, hat es doch auch vorzüglich mit der
Müllentsorgung geklappt und da hat es keine 10 % vom heutigen
Abfuhrpreis gekostet. Damals gab es auch noch keine Mülltrennung, da
kam alles in eine Tonne, ab und zu noch eine Sperrgutabfuhr dazu, fertig!
Die ganze Mülltrennung kostet uns nur unnötig viel Geld, erbringt aber
nichts, jedenfalls nicht aus wirtschaftlicher Sicht für die Bevölkerung. Man
sollte dieses System wieder abschaffen. Früher wurde der meiste Müll
einfach auf große Müllhalden gekippt und zugeschüttet, wie es heute mit
dem sogenannten Restabfall immer noch geschieht, sofern er nicht in einer
Verbrennungsanlage landet. Die Verbrennungsanlagen sind auch so ein
Ding. Die kosten viel Geld, unnötiges Geld und der Entsorgungseffekt ist
in seiner Gesamtbilanz nicht besser, als würde man den Mist verbuddeln,
wie man es früher tat. Früher gab es Schadstoffe in den Müllhalden, bei der
Verbrennung qualmen sie aus dem Kamin und verpesten die Luft, was
auch nicht besser ist. Dann kommt ein kluger Kopf und behauptet, dagegen
sind ja Filter eingebaut, aber Kohlendioxyd kann man nicht ausfiltern und
der Treibhauseffekt wird weiter unterstützt und die Filter für den restlichen
Dreck saugen sich damit ja auch voll und müssen dann selbst irgendwie
entsorgt werden. Das ganze Müllentsorgungsprinzip von heute ist wie ein
verblödeter Hund der im Kreis läuft und sich selbst in den Schwanz beißt.

 
Foto: Müllverbrennungsanlage

Für heute bremse ich mich hier aus. Ich wünsche Ihnen zunächst einmal ein
schönes Wochenende, bis auf bald

Ihr

Egbert Lappenkeuler
 


Beitrag 2

Lappenkeuler - Brief / Email "Wirtschaftstheorien" vom 12.07.2004

Hallo Ihr Lieben.

War das wieder für eine Woche. Ich hasse Stress und hektische Abläufe,
eigentlich bin ich ja problemlos in der Lage, jeden Stress zu vermeiden.
Sollte man meinen, aber diese Woche ging das beim besten Willen nicht.
So bin ich schon froh, dass das blödsinnige Seminar von Kayla endlich
zuende ist. Langsam nervte dieser Mist uns beide sehr.

Im kleinen Park an der Uhlandshöhe, dort wo auch die Sternwarte ist, hat
nun ein Forscherteam seltsame weiße Kästen auf Stelzen aufgebaut. Ich
glaubte zuerst, es seien Wetterstationen oder Luftmessanlagen, wegen der
Umwelt und so weiter. Da bei meinem letzten Vorbeigang dort gerade
einige der Forscher an diesen Käste bastelten, habe ich die einfach
angequatscht und gefragt. Es ist aber weder das eine noch das andere von
mir vermutete Meßsystem, sondern ein Teil einer sogenannten
seismologischen Messkette, wie eine junge Dame des Teams mir erklärte.
In ganz Deutschland würden derzeit echte Erdbeben und ihre
Auswirkungen sowie Verwerfungsbeben, die vielleicht durch Bergbau,
Entwässerungssysteme und dergleichen entstehen, erforscht. Dazu würden
in bestimmten Linienrastern bundesweit an bestimmten Stellen
Messstationen ober- und sogar unterirdisch aufgebaut und per
Satellitenfunk zu einem riesigen Meßsystem zusammengeschaltet. Ein
teurer Spuk, der durch die Nutzung eines riesigen Großcomputers in
Karlsruhe zur Auswertung der erfassten Daten noch teurer wird. Die Dame
sagte, nur mit einem solch riesigen Meßsystem könne man zuverlässig die
echten Beben von den Verwerfungsbeben hundertprozentig unterscheiden.
Ich weiß nichts davon, bewundere aber den enormen technischen Aufwand,
zumal die Dame mir erklärte, dass jede einzelne dieser Messstationen an
der Uhlandshöhe über 70.000 Euro wert sei und die unterirdischen Systeme
würden noch ein Vielfaches davon kosten.

Wie schon so oft im Leben bewahrheitet sich immer wieder die alte Regel,
dass Karo-Einfach die beste Lösung ist, was soviel heißen soll, wie dass
einfache Lösungen meist am besten und am störungsfreisten funktionieren.
Das zieht sich wie ein roter Faden durch alles, ob Sie jetzt ein bewährtes
einfaches Auto kaufen, damit werden Sie insgesamt weniger Pannen haben,
als mit einem komplizierten, aufwändigen Fahrzeug und es tut seinen
Dienst genauso gut; in fast allen anderen Bereichen gilt das genauso im
übertragenen Sinne. Sie wissen, dass ich seit einigen Wochen hier auch als
Hilfsgärtner funktioniere und eigentlich mehr nur der Mähbock für die
Wiesen hinter und neben dem Haus bin. Ich habe aber durchaus einen
gestalterischen Freiraum dabei. Bislang war es immer so, dass am Ende der
Wiesen in Richtung zum Haus hin, ein schmaler Streifen Erdreich folgte, in
dem kein Rasen wuchs, sondern in gleichmäßigem Abstand waren dort
robuste Dauerblumensorten gepflanzt, dann folgte ein Randstein und dann
der teils geplattete bzw. stellenweise auch betonierte Gehweg von den
Parkplätzen und von der Straße ins Haus. Ich weiß nicht wie diese
Dauerblumen heißen, damit kenne ich mich eigentlich gar nicht aus,
Stiefmütterchen oder fleißige Lieschen oder so was, vorwiegend diese sehr
schön bunten Dinger oder diese rot-purpurnen. Ihre genauen Namen fallen
mir nicht ein, ich weiß nur, wie man sie pflanzt und einigermaßen am
Leben erhält. Das alles sieht zuweilen zwar schön aus und lockert den
Anblick etwas auf, aber in jüngster Vergangenheit kam es immer häufiger
vor, dass betrunkene Jugendliche über Nacht ausgerechnet diese
Blumenstreifen verwüsteten, etliche Pflanzen ausrissen und über den
Gehweg verstreuten. Nachdem das nun in der kurzen Zeit, wo ich als
Hilfsgärtner hier arbeite, alleine schon drei mal vorgekommen ist und ich
keine Lust habe, dort ständig den Dreck zusammenzufegen und wieder
alles halbwegs einzupflanzen, soweit das dann überhaupt noch möglich ist,
habe ich kurzerhand gestern alle Blumenpflanzen auf diesen Streifen
rausgemacht und dort ebenfalls Rasensamen eingestreut. Damit dürfte es
für die ungehobelten Jugendlichen des Nachts unattraktiv sein, sich dort
auszutoben, denn ich glaube im nackten Rasen zu wühlen, das schafft für
die keinen Anreiz. Da ich eigentlich die ganzen Blumenpflanzen für zu
schade hielt, um sie einfach wegzuwerfen, warum sollten die unter der
Blödheit dieser unerzogenen Jugendlichen leiden, habe ich ganz weit
hinten an der Grundstücksgrenze eine Fläche im Rasen freigegraben und
sie dort wieder eingepflanzt. Das ist von den Gehwegen und Straßen so
weit weg, da entdecken die blöden Rotzlöffel das erst gar nicht, schon gar
nicht Nachts bei der Dunkelheit und es wäre ihnen sicherlich auch zu
lästig, dort hinzulaufen. Fazit ist, was nicht da ist, das kann auch keiner
ausrupfen und zugleich wird die Anlage für mich damit deutlich
pflegeleichter. Ich habe das dem Hausbesitzer mitgeteilt und ihm gesagt,
warum ich das so gemacht habe, er fand's in Ordnung so.

Auch im positiven Sinne scheint sich etwas zu tun. Kayla hat an ihre
offizielle Wohnadresse, die ja immer noch in einem sogenannten
Übergangswohnheim ist, ein Schreiben vom Sozialamt erhalten. Aufgrund
des erfolgreichen Abschlusses des seltsamen Seminars, billigt man ihr nun
den Status einer "Einbürgerungswilligen" zu, die beabsichtigt, durch
selbstständige Einkünfte ihren Lebensunterhalt in Zukunft zu verdienen.
Mit diesem Status steht ihr offensichtlich nun eine bessere Bleibe zu, als in
dem schäbigen Übergangswohnheim, wo sie ja offiziell noch wohnt. Hier
käme nun eine winzige, preiswerte Einzimmer- Sozialwohnung der
untersten Kategorie in Frage, die ihr vom Sozialamt bezahlt würde. Jetzt
sage ich doch wie der alte Berliner, Nachtigall ick hör dir trapsen, wenn
das keine Fügung des Schicksals ist. Ich glaube, ich hatte ihnen ja schon
mal berichtet, dass bei mir hier im Haus, sogar auf dem gleichen Flur
schräg gegenüber von meiner Wohnung, seit langem eine Wohnung frei ist.
Diese würde genau den Anforderungen entsprechen und jetzt besteht die
Kunst nur noch darin, es hinzubekommen, dass Kayla diese Wohnung als
ihre neue, vom Sozialamt bezahlte Bleibe bekommt. Das wäre ja super.
Wir leben ja fast ständig nur in meiner kleinen Wohnung und das ist für
zwei Personen auf Dauer doch sehr beengt und käme so gesehen diese
Wohnung hinzu, einfach schräg gegenüber über den Flur, dann wäre das
für uns praktisch in der Handhabung wie eine größere Wohnung. Auch
wäre das Schöne daran, dann hätten wir ein Zimmer mit Blick zu den
Rasenwiesen am hinteren, seitlichen Gebäudeteil und mein Zimmer mit
Blick zur Straße. In diesen rückwärtigeren Wohnungen ist es etwas ruhiger,
weil der Verkehrslärm weniger rüberkommt. Dafür ist bei mir die Sicht in
die Ferne besser. Ich will den guten Herrn Smelka noch einspannen, ob der
es bei der Stadtverwaltung so drehen kann, dass Kayla auch wirklich diese
Wohnung bekommt. Blöd wäre es, wenn man ihr eine Wohnung in einem
anderen Haus oder gar in einem anderen Stadtteil zuweisen würde.

In einem Fernsehbericht wurde diese Tage behauptet, dass es in Stuttgart
eine recht große Szene von diesen gehirnverbrannten rechtsextremistischen
Neonaziköpfen geben würde. Das war mir nicht bekannt und ich war im
Glauben, dass es derartige Konsorten hier kaum gibt. Man sieht auch keine
auf der Straße, deshalb wäre ich nie auf diese Idee gekommen. Vielleicht
sind die hier auch gemäßigter und fallen deshalb nicht so schnell auf. Ich
kann die ja nicht sonderlich ausstehen. Die extreme Gegenseite, die
Kommunisten, mag ich aber noch weniger. In ihrer letztendlichen Art und
Auswirkung gleichen sie sich am Ende fast wie ein Ei dem anderen,
jedenfalls was die Methoden und die wahnverhafteten Reglementierungen
für das Volk betrifft. Da lobe ich mir aber tausend mal lieber unsere
Regierung, als die Braunköpfe oder die knallroten Kommunistenspinner.
Mein Halbbruder sagte immer, man müsste einmal für ein Jahr lang die
ganze Welt regieren können, dann wäre alles anders. Im Prinzip glaube ich
ihm das aufs Wort, womit ja nicht gesagt ist, ob es dann besser oder
schlechter wäre. Ganz ehrlich, ich möchte nicht die Welt oder auch nur
Deutschland regieren müssen, oder vielleicht doch? Wenn ich so ein
Kanzlergehalt sehe, da wäre man in einem Jahr so reich, dass man für
immer genug hätte, jedenfalls nach meinen Wertvorstellungen. Gewiss
wird ein Berufskanzler, der ja auch aus einem ganz anderen Milieu kommt,
ganz andere Ansprüche ans Leben haben, als ein kleiner, unbedeutender
Lappenkeuler und dementsprechend auch andere Ausgaben tätigen. Derart
gehobene Persönlichkeiten werden auch in ihrem Privatbereich vermutlich
schon mehr Geld in einer Woche umsetzen, als ich in einem ganzen Jahr.
Trotzdem, reizvoll finde ich den Beruf des Bundeskanzlers nicht, schon gar
nicht bei den heutigen Problemen. Es ist eine Gewohnheit, alle Probleme
dem Kanzler in den Schoß zu legen, obwohl ich ja glaube, dass dieser
Mensch weder die Kraft noch die Autorität hat, um diese ganzen Probleme
zu bewältigen. Das kann gar kein einzelner Mensch alleine bewältigen,
dazu müsste er schon ein Hyperquadratsuperman sein. Er ist nach meiner
Meinung auch für viele Probleme gar nicht die richtige Ansprechadresse,
da wären eher Wirtschaftsbosse gefragt. Denn was nützt es, wenn ein
Kanzler schöne Worte zu wirtschaftlichen Dingen macht, sich die
Wirtschaftsbosse aber nicht daran stören und ihr eigenes Süppchen
kochen? Wie dem auch sei, oft ist die Politik von heute ein ausgelutschter
Kaugummi, dessen Aroma längst verflogen ist.

Ach ja, wo ich oben meinen Halbbruder erwähnte, zu ihm habe ich
eigentlich so gut wie keinen Kontakt mehr. Es ist nicht so, dass wir uns
hassen, wie man es oft von Halbbrüdern hört, wir mögen uns auch nicht
übermäßig. Es ist eigentlich ein komisches Verhältnis, vielleicht ähnlich,
wie zu einem eher flüchtigen Bekannten, den man aber hoch schätzt. Er ist
auch viele Jahre älter als ich, wodurch er quasi zu meiner Kindheit schon
erwachsen war und die meiste Zeit schon gar nicht mehr bei uns wohnte.
Eigentlich verlief unser Leben kaum in gemeinsamen Bahnen. Vielleicht
einmal pro Jahr sehen wir uns noch, manchmal aber auch zwei Jahre nicht.
Immerhin, und damit hätte ich zuvor niemals gerechnet, als ich meine
schwere Krankheit hatte, da hat er mir doch erheblich in einigen
Organisationsdingen geholfen, das werde ich ihm immer hoch anrechnen,
ein sehr feiner Zug. Wissen Sie, wenn man plötzlich für ungefähr ein Jahr
in einer Klinik verschwindet und eigentlich überhaupt keine Angehörigen
mehr hat, da bleibt einiges liegen und geht vor die Hunde, wenn man gar
keinen hat, der sich darum kümmert. Das hat er perfekt gemacht und das
obwohl er fast 200 Kilometer entfernt wohnt. Der ist aber mit einem
glücklicheren Nachnamen geschlagen, als ich.

Neulich nahm ich an einer Versammlung teil und war zu Fuß dorthin
gegangen. Da es sehr spät wurde, bot mir ein sehr flüchtiger Bekannter an,
dass er mich in seinem Wagen mitnehmen würde bis vor meine Haustüre.
So habe ich das angenommen und der fuhr einen  BMW 318, aber schon
ein etwas älteres Modell, vielleicht 10 Jahre alt. Da noch eine Dame
mitfuhr, nahm ich auf dem Rücksitz Platz und war sehr erstaunt, wie wenig
Platz dieser doch äußerlich im Vergleich zu meinem Suzuki viel größere
Wagen hinten bietet. Auf der Rückbank ist praktisch bei dem nicht mehr
Platz, als in meinem im Vergleich miniaturhaften Suzuki, höchstens in der
Breite hat man etwas mehr Raum. Aber ich saß ziemlich eingezwängt fest
mit den Knien im Sitz des Fahrers verkeilt dort, wie ein Affe auf dem
Schleifstein. Sein Fahrstil war BMW-untypisch und er fuhr ruhig und
gelassen, worum ich schon froh war. Als Mitfahrer nervt einen eine
rasende Fahrweise viel mehr, als wie wenn man selbst mal kräftig aufs
Gaspedal tritt. Ich weiß jetzt auch nicht, wie viel PS ein solcher BMW 318
hat, aber es wird sicher viel mehr sein, als bei meinem Suzuki so aus den
Rädern läuft. Ist aber auch uninteressant, käme für mich nie in Frage,
zumal der Mann noch sagte, dass er "nur" 11 Liter Benzin verbrauchen
würde. Da müsste ich bei meinem Suzuki noch ein paar Löcher in den
Tank schlagen, um auf solch einen Verbrauch zu kommen.

Am Montag waren in aller Frühe zwei Herren von den Stadtwerken hier im
Haus. Im ersten Flurgang des Erdgeschosses hängen die Stromzähler für
alle Wohnungen, die sich in diesem Gebäudeteil befinden in einem riesigen
eingemauerten Blechkasten, der bestimmt 3 Meter breit ist. Dort haben die
von einem Mieter den Strom gesperrt, weil der anscheinend  seit langem
keine Stromrechnung mehr bezahlt hat. Es gab einen Tumult, weil der
Betroffene es gleich gemerkt hat und schimpfend auf die beiden Herren
zulief. Eine herbe und sehr lautstarke Diskussion mit vielen Beleidigungen
wurde im Flur ausgetragen, wobei Worte wie Arschlöcher noch zu den
harmloseren Ausdrücken zählten. Den betroffenen Mieter kenne ich gar
nicht, ich habe ihn zuvor noch nie gesehen, wusste gar nicht, dass der Kerl
hier im Haus wohnt. Er soll aber schon länger hier wohnen. Daran sieht
man, dass man in solch einem größeren Mietshaus gar nicht jeden kennen
kann. Nun sind die wirtschaftlichen Zeiten schlecht und ich weiß aus
eigener Erfahrung, dass es in manchem Monat verflucht eng mit dem Geld
werden kann. Dennoch ist mir noch nie passiert, dass ich Strom oder
Wasser nicht zahlen konnte, ich habe dafür ohnehin einen
Abbuchungsauftrag. Da könnte es höchstens passieren, dass mein
Girokonto mal nicht gedeckt ist, da ich aber recht wenig Strom und Wasser
verbrauche, kein Wunder bei der kleinen Wohnung, reichte es bislang
dafür immer völlig problemlos, ebenso für die Heizkosten. Hier zeigen sich
wieder eindeutig die Vorteile einer kleinen Wohnung. Von den
Unterhaltskosten her betrachtet, möchte ich gar keine große Wohnung
haben, auch vom Reinigungsaufwand her nicht. Den Gasanschluss für
meine Wohnung habe ich vor einiger Zeit gekündigt. Wozu soll ich extra
Gaskosten bezahlen? Die Heizung läuft vom Hausbesitzer von der
Zentralheizung, wo man eine Gebühr bezahlen muss, die mit ein paar
Gläschen ermittelt wird, die an der Heizung hängen und kochen tue ich mit
einer Elektroplatte mit 2 Kochstellen drauf. Den Gasherd habe ich auf den
Sperrmüll geworfen, weil er defekt war und danach direkt den
Wohnungsgasanschluss gekündigt. Der wurde aber nicht herausgerissen,
sondern nur gesperrt und mit einer Kappe verplombt. Ein neuer Gasherd
hätte mindestens 450 Euro gekostet und die Elektro-Doppelkochplatte hat
beim Lidl-Laden damals nur 30 Euro gekostet. Mit Gas kocht man zwar
schneller, keine Frage, aber so spare ich 420 Euro plus die Gaskosten und
man zahlt ja auch verbrauchsunabhängige Anschlusskosten, die fallen
ebenso weg. Aber zurück zu dem Stromstreit im Flur. Der säumige
Stromkunde wollte schließlich sogar handgreiflich werden und einen der
Strommänner verprügeln. Der war aber auf solche Attacken vorbereitet und
hat den Angreifer mit einem Schulterwurf elegant zu Boden befördert.
Danach wurde der ruhiger und er verschwand in seiner Wohnung, die sich
ganz hinten in einer Eckwohnung im Erdgeschoss befindet. Bevor ich in
die Lage käme, meine Strom- oder Wasserrechnung nicht mehr bezahlen
zu können, würde ich dann doch eher den Suzuki wieder abschaffen. Aber
solche dunkelgrauen Gedanken brauche ich mir derzeit nicht machen. Mit
dem was ich bekomme, kann ich mir so ziemlich gut austariert die Susi
noch weiter leisten. Das Thema wird zum Dauerbrenner. Und mit der Susi
stehe ich am Monatsende finanziell keinen Deut schlechter da, als zuvor
ohne Auto, ich habe das bislang in jedem Monat nachgerechnet. Da ja alle
Kosten für Busse und Bahnen sowie die für den Motorroller seither
wegfallen, ändert sich durch die geringen Unterhaltskosten des Alto beim
Monatsabschluss nichts. Man kann zwar nicht sagen, Autofahren zum
Nulltarif, aber zum gleichen Tarif wie Busse und Bahnen, wobei ich diese
ja eigentlich selten in Anspruch genommen hatte. Für diese gleichen
Kosten fahre ich heute mit der Susi viel mehr und viel öfter.

Verschiedene Gegenden Deutschlands machen nun in Stuttgart als
Urlaubsregion auf sich aufmerksam. Da gibt es eine zweiwöchige
Sonderveranstaltung von einem Touristikverband und am Freitag kam ich
zufällig dort vorbei. Gerade lief eine große Aktion für den Teutoburger
Wald. Mir sagte das nichts. Das liegt wohl oberhalb schräg hinter dem
Ruhrgebiet da irgendwo. Was hier in Stuttgart als heimische Urlaubsregion
durchaus recht gut bekannt ist, das ist die Eifel; jetzt nicht unbedingt jeder
Ort dort, aber die Eifel als Gebiet ist hier eigentlich recht gut bekannt.
Sogar im regionalen Fernsehen kommt hier öfters etwas über die Eifel.
Aber Teutoburger Wald? Als auf der Bühne ein Mann den Namen sagte,
zuckten fast alle Leute auf dem Platz davor die Schultern und fragten sich,
was das sein soll. Mir erging es anfangs nicht wesentlich anders, das heißt,
ganz weit hinten im Hinterkopf dämmerte es mir, den Namen vielleicht in
der Schulzeit mal irgendwo gehört zu haben, aber seit dem halt nicht mehr.
Die meisten glaubten, es wäre so eine vergessene Gegend in den neuen
Bundesländern, was aber demnach nicht so ist. Der Bühnenmann wurde
schon leicht sauer, als er fragte, wer denn wisse wo der T-Wald überhaupt
liege und keine Reaktion kam. Er predigte dann etwas von der glorreichen
Vergangenheit und dass der T-Wald irgendwie sogar die Kinderstube
Deutschlands sei, na ja, von mir aus kann's auch der Laufstall Europas
sein, aber trotzdem sagte mir der Begriff nicht wirklich etwas. Ich meine,
hier in Stugert sind wir eh verwöhnt, im Nullkommanichts im
Schwarzwald, die schönen Neckargebiete, der Schwäbischen Alb oder
etwas länger zum Bodensee, zum schönen Rheintal fährt man auch nicht
übermäßig lange, deutlich länger braucht man schon, um in die Eifel, den
Spessart oder den Odenwald zu kommen, da ist man schon schneller in der
Schweiz oder Liechtenstein, aber Teutoburger Wald, ha! Die Diashow, die
der Meister auf der Bühne davon präsentierte, war zwar nicht schlecht, aber
das, was es dort zu sehen gab, das findet man hier in der Nähe gleich
tausendfach, um im Wald umherzulaufen brauche ich keine 400 - 500 km
weit fahren, da gibt es hier schönere Ziele in der Nähe. Alte
Fachwerkhäuser gibt es hier auch wie Sand am Meer, wenngleich sie etwas
anders aussehen, als im Teutonenwald. So bin ich dann weitergegangen
und habe den Mann quatschen lassen.

Und so geht das weiter, es wird sich nichts zum Guten verändert haben,
wenn wir in einigen Jahren am Hartz - 725 - Konzept basteln. Nur neue
Einschränkungen, Tritte in den Hintern und Kürzungen für den berühmten
kleinen Mann oder die kleine Frau auf der Straße wird es geben. Wie eine
Zitrone werden die Arbeitnehmer in der nächsten Zeit ausgepresst unter
dem Deckmäntelchen, damit wieder genügend Arbeitsplätze für Alle zu
schaffen. Wie der Elefant im Porzellanladen wüten die Hartzer in den
sozialen Strukturen, für deren Aufbau es 150 Jahre gebraucht hat, um sie
jetzt binnen weniger Monate zu zertreten. Es enttäuscht einen, wenn man
sieht, wie leichtfertig mühsam erreichte Dinge, die der Gesamtheit der
Bevölkerung dienten, plattgemacht werden, wenn man seitens der Politik
nur den Wurstzipfel "mehr Arbeitsplätze" vor die Nase gehalten bekommt.
Am Schluss kommen aber gar nicht mehr Arbeitsplätze dabei heraus oder
glaubt ernsthaft jemand, ein Betrieb würde deswegen seine Roboter in den
Hof stellen und dafür wieder 200 Leute zusätzlich einstellen, die dann das
Produkt händisch herstellen? Oder glaubt da noch jemand, dass im
Endeffekt wirklich die Verlagerung von Arbeitsplätzen in die
Billiglohnländer dauerhaft verhindert wird? Fast jedes Unternehmen sieht
sein Betätigungsfeld heute global und genauso global schnuppert es nach
den billigsten Produktionsmöglichkeiten. Daran ändert auch ein Hartz -
900 - Konzept oder all die anderen schönen Schlagwort-Konzepte nichts,
sie mögen vielleicht in Einzelfällen die Verlagerung etwas verzögern, aber
verhindert wird die Sache dadurch nicht wirklich. Möglicherweise führt es
auch dazu, dass im Falle von hier verbleibenden Arbeitsplätzen, die
Arbeitnehmer derart drastische Zugeständnisse hinnehmen müssen, dass
sie sich trotz Beschäftigung all die schönen Artikel, die da produziert
werden, gar nicht mehr leisten können, eben weil sie für einen Hungerlohn
arbeiten. Die Wirtschaft dreht sich mit dieser Methode langfristig den Hahn
aber selbst ab, denn irgendwann ist keiner mehr da, der sich ihre Produkte
leisten kann. Jedoch bei der Jagd nach dem schnellen Profit realisieren
diese sogenannten Manager gar nicht, wie eifrig sie am eigenen Ast sägen.
Zudem herrscht dort ohnehin die "Nach mir die Sintflut - Mentalität",
wenn diese Manager ihre Taschen voll haben, dann kann der Betrieb ja
ruhig Pleite machen, das ist denen dann völlig egal. Den echten, typischen
Unternehmer, wie wir ihn früher kannten, der sich mit seinem Betrieb
rückhaltlos identifizierte und mit seinem Betrieb aufstieg und unterging,
den gibt es doch heute gar nicht mehr. Die meisten Manager sehen in ihrem
Job auch nur noch ein Werkzeug, um damit ihren eigenen Reichtum und
ihre eigenen Pfründe möglichst schnell und möglichst stark zu verbessern
und das Wort Verantwortung fällt denen nur dann ein, wenn sie damit ihre
Arbeiterschar reglementieren können.
Wenn ich das so darlege, wird mich manch einer schnell in eine rote
Schublade einsortieren, wohin ich aber gar nicht gehöre. Ich habe es stets
vermieden, mich aktiv einer Partei zuordnen zu lassen, stehe aber im
Prinzip hinter einer absolut wirtschaftlichen Grundordnung und fühlte mich
deshalb immer mehr der CDU zugewandt. Ich glaube es ist gar kein
Widerspruch, wenn man auf der einen Seite völlige Abstützung auf die
Wirtschaft fordert und auf der anderen Seite den Verlust von sozialen
Möglichkeiten oder einem sozialen Level anprangert. Ich sehe es nur nicht
ein, wenn die Opfer immer auf der Seite des kleinen Mannes gebracht
werden sollen, während man es in den Führungsetagen seit Jahrzehnten fast
schon systematisch versäumt, die Spreu vom Weizen zu trennen und
Unmengen unfähiger Führungskräfte nicht rauswirft. Man will offenbar
nicht erkennen, dass viele der Führungskräfte heute nur ihre eigene Tasche
und ihren eigenen Habitus kennen, aber nichts wirklich mit dem Betrieb
oder den Leuten die dahinter stehen zu tun haben. Jeder unerfahrene
Absolvent eines BWL- oder sonstigen Studiums darf heute seine ersten
Gehversuche gleich als Experiment an einem gesamten Betrieb austesten,
wenn er nur genug Titel vorweisen kann. Titel sind aber kein Garant für
wirtschaftliches Können. Schauen Sie sich doch einmal die wirklichen
Führungskräfte von früher an, die Betriebe aufgebaut und jahrzehntelang
erfolgreich geführt haben, davon hatte fast keiner ein BWL-Studium,
trotzdem (oder gerade deshalb) hat's geklappt, weil die den Kopf frei
hatten von festgefahrenen Schematas, die eben gar nicht überall 1:1 auf
jeden Betrieb anwendbar sind und weil die ein Näschen für ihre Sache
hatten. Letzteres fehlt den Managertypen von heute doch vollends. Die
treten heute an mit dem Hintergedanken: Profit-Aktionäre, Profit-
Aktionäre, Profit-Aktionäre während die früher erst einmal ihr Produkt im
Hinterkopf hatten, wie sie dieses verbessern und dann, in Folge von einem
guten Produkt, erst die Profitmöglichkeiten abtasteten. Zudem kommen
solche Leute bereits mit dem eitlen Bewusstsein in die Betriebe, was sie für
tolle Kerle sind und dass sie über allem stehen, dabei haben sie außer ihrem
Dünkel und ihren Ansprüchen rein gar nichts vorzuweisen.
Gewiss wird nun manch einer schimpfen, dass ich in meiner Position als
Sohi gerade der Richtige für eine derartige Kritik wäre und ich ja soviel
bessere Ergebnisse in meinem Leben erreicht hätte. Sie kennen halbwegs
grob ein wenig meine Geschichte und ich will meinen eigenen Schuldanteil
daran gar nicht leugnen, aber die Gesamtheit der Umstände, mit der
überanspruchsvollen damaligen Ehefrau von mir und der zweite große
Rückschlag mit der schweren Erkrankung vor einigen Jahren, haben mich
wirtschaftlich dorthin gebracht, wo ich jetzt bin. So ist das halt eben und
wenn man einmal soweit unten ist, dann ist es verdammt schwer, wieder
höher zu kommen, weil es, wie ich immer zu sagen pflege, hier unten keine
Griffe gibt, an denen man sich hochziehen kann. Auch fehlt mir in meinem
Alter und vor allem nach der Erkrankung die notwendige Kraft, gewaltige
Sprünge nach oben zu machen. Wäre ich noch 20 Jahre jünger und
kerngesund, da sähe das mit Sicherheit schon ganz anders aus. Ich hadere
aber nicht mit meiner Situation, wenn es so bleibt, wie es jetzt ist, bin ich
zufrieden, auch ohne den berühmten Reichtum. Und das Bedürfnis ein
erhabenes Gefühl dadurch zu haben, weil ich Chef über eine gewisse
Anzahl von Beschäftigen bin, das habe ich nie gehabt, heute schon gar
nicht und ich bin auch sehr froh darum, denn damit laufe ich nicht Gefahr,
mit einigen Flaschen heutiger Führungskräfte in einen Topf geworfen zu
werden.

Wie gesagt, wir sollten an unserer Situation nicht verzweifeln. Man kann
mit wenig besser und sorgenfreier leben, als viele mit viel. Nur ein
bestimmtes Level darf dabei nicht unterschritten werden, und vor allem
muss die Birne einigermaßen klar bleiben und Beschäftigung haben. Viele
lassen sich vollaufen oder stellen jegliche geistige Tätigkeit ein und dass ist
dann der Anfang vom Ende, aber nicht die Tatsache, dass man im Monat
mit einigen hundert Euro auskommen muss, während andere mit
Tausenden um sich werfen.

In diesem Sinne, frohen Mutes,

Ihr

Egbert Lappenkeuler